Umstrittener Denkmalschutz: Neue Regeln für alte Häuser
Schleswig-Holsteins Landtag streitet über Gesetzentwurf: Tausende Häuser werden auf Schutzwürdigkeit geprüft. Die Opposition spricht von „Enteignung“.
KIEL taz | Backstein-Klötze im Stil der 1980er-Jahre prägen das Zentrum von Norderstedt. Trotzdem findet sich in der Kunststadt, die aus einer Reihe kleinerer Orte vor den Toren Hamburgs zusammengefügt wurde, Denkmalwürdiges: 26 Gebäude werden allein im ehemaligen Dorf Garstedt auf ihre Schutzwürdigkeit geprüft, ähnlich wie angeblich weitere 16.000 Häuser in ganz Schleswig-Holstein. Dahinter steckt eine Änderung des Denkmalschutzgesetzes, die die Regierung aus SPD, Grünen und SSW plant.
Über den Entwurf stritt am Mittwoch das Parlament in Kiel: Die schwarz-gelbe Opposition wirft der Regierung vor, Hausbesitzer zu „enteignen“. Die zuständige Kultur- und Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) weist das zurück: Jahrzehntelang sei in Schleswig-Holstein zu wenig geschehen, um Altes zu schützen.
In Neuenbrook an der Elbe sehen die Leute es anders. Mehrere Bauernhöfe, sogenannte Fachhallenhäuser, sollen dort unter Schutz gestellt werden. Die Eigentümer, deren Familien die Häuser teilweise seit Jahrhunderten bewohnen, fürchten nun höhere Versicherungskosten. Auch sei es kaum möglich, die früheren Viehställe gewerblich zu nutzen, sagte der CDU-Abgeordnete Hans-Jörn Arp: So ein Haus hätte weniger Wert, sei aber teurer.
Für Lars Harms (SSW) überwiegen dagegen die Vorteile, auch die finanziellen: Schließlich gebe es für Häuser unter Schutz Steuererleichterung und Zuschüsse. „Wenn mein Haus unter Schutz gestellt wird, freut das den Steuerbürger Lars Harms“, sagte der Nordfriese. Von „Enteignung“ zu sprechen, sei, „milde ausgedrückt, Stuss“.
Marlies Fritzen (Grüne) betonte, dass die wirtschaftlichen Interessen einzelner nicht über dem Gemeinwohl stehen dürften. Auch das Argument der Opposition, dass der Bau von Windparks und Stromtrassen erschwert werde und damit gar die Energiewende in Gefahr sei, wiesen Redner der Regierungsfraktionen zurück.
Abbau oder Schutz
2012 änderte Schleswig-Holstein sein Denkmalschutzgesetz. Die damalige Landtagsopposition warf der CDU-FDP-Regierung vor, "Lobbyinteresse vor Landesinteresse" zu stellen, weil Hauseigentümer zu viele Rechte hätten. Der Effekt sei "Denkmalschutzabbau", sagte Sozialdemokrat Ralf Stegner damals.
Hamburg änderte sein Denkmalschutzgesetz im April vergangenen Jahres. Die heutige Fassung ähnelt in grundlegenden Punkten dem, was in Schleswig-Holstein geplant ist. EST
Strittig an dem Entwurf, mit dem die Koalition ein Gesetz der früheren CDU-FDP-Regierung fortschreibt, ist unter anderem, dass eigens eingestellte Fachleute der Denkmalbehörden flächendeckend Objekte auf Prüflisten setzen – ohne Wissen der Eigentümer. So eine Inventarisation habe es nie gegeben, sagte wiederum Spoorendonk. Das Wissen um schützenswerte Gebäude erleichtere die Planung.
Die Bedeutung des Denkmalschutzes suchte Spoorendonk mit einem prominenten Beispiel zu belegen: Das Lübecker Holstentor, ein Wahrzeichen des Landes, wäre Ende des 19. Jahrhunderts fast abgerissen worden.
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