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Umstrittene Justizreform in PolenParlament nickt Gesetz ab

Das polnische Unterhaus hat den Entwurf verabschiedet, der die Unabhängigkeit der Justiz beschneidet. Die EU hatte zuvor mit Sanktionen gedroht.

Protest gegen die Justizreform in Warschau Foto: dpa

Warschau taz | Die Massenproteste auf Polens Straßen, die Lichterketten, Trauermärsche und auch die Sanktionsdrohung der EU-Kommission brachten am Ende doch nichts: Am Donnerstagnachmittag stimmte der Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, für die Abschaffung des bisherigen obersten Gerichts und seine sofortige Neugründung.

Die „Neuorganisation“ ist ein Trick, den die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) schon in der Vergangenheit des Öfteren angewandt hat. Er erlaubt es, sämtliche Mitarbeiter einer Institution fristlos zu entlassen, ohne dass dies arbeitsrechtliche Konsequenzen hätte. Im Falle des obersten Gerichts heißt es zwar in Artikel 180 Absatz 1 der polnischen Verfassung: „Die Richter sind unabsetzbar“, doch Absatz 5 sieht auch vor, dass „Richter in den Ruhestand versetzt werden“ können, wenn „der Aufbau des Gerichts verändert“ wird.

Das Gesetz über das oberste Gericht ist Teil eines ganzen Pakets, mit dem die PiS die bisherige Unabhängigkeit der Gerichte aufheben will. Dass damit die Grundlage eines jeden Rechtsstaats, die Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Judikative, zerstört wird, ficht die PiS nicht weiter an. Angeblich habe „das Volk“ ihr in den „demokratischen Wahlen“ Ende 2015 das Mandat erteilt, den Staat vollkommen umzubauen.

In Wirklichkeit hat die PiS jedoch keine verfassungsändernde Mehrheit, sondern nur die absolute Mehrheit in Sejm und Senat, den beiden Kammern des Parlaments. In den Wahlen hatten lediglich 37 Prozent der Wähler für die PiS gestimmt, das sind gerade mal 19 Prozent aller Wahlberechtigten. Dennoch behauptet die PiS, sie gebe nun „dem Volk“ die Kontrolle über die Justiz „zurück“, die sich eine „Richter-Korporation“ selbstherrlich angeeignet habe.

Präsident ohne große Handhabe

Bleibt das Parlament bei seinem atemberaubenden Tempo, mit dem es bislang den Rückbau der polnischen Demokratie betreibt, wird das Gesetzesprojekt am Freitag vom Senat verabschiedet und dann schon auf dem Tisch von Staatspräsident Andrzej Duda liegen. Zwar hatte dieser noch vor drei Tagen gedroht, das Gesetz über das oberste Gericht nicht zu unterschreiben, wenn sein eigener Gesetzesvorschlag zum Landesjustizrat nicht vom Parlament abgesegnet werde. Doch diese Bedingung wurde ohne großes Zögern erfüllt.

Der Landesjustizrat wacht über die Unabhängigkeit der Richter und besetzt alle Richterstellen im Lande. Bislang galt er als unabhängiges Organ. Die PiS will nun die 15 Richter im Landesjustizrat, die bislang von Richtern gewählt wurden, vom Sejm, also der PiS, wählen lassen. Die einzige Änderung, die Duda hier forderte, ist eine 3/5-Mehrheit der Stimmen statt einer einfachen Mehrheit. Die PiS wird also die Stimmen anderer Parteien im Sejm benötigen. Doch das ändert nichts daran, dass das gesamte Gesetzespaket verfassungswidrig ist und den Rechtsstaat aushebelt.

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5 Kommentare

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  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    EU-Sanktionen?? Theaterdonner, sonst nix. Orban und Kacynsky wissen das und lachen sich schlapp.

  • 8G
    83421 (Profil gelöscht)

    Soviel ich weiss werden die Richter des Bundesverfassungsgerichts auch vom Bundestag und Bundesrat gewaehlt (je zur Haelfte?). Was ist der Unterschied zu Polen?

    • @83421 (Profil gelöscht):

      Die Unterschiede dürften in der Bundesstaatlichkeit liegen. Außerdem in eher großkoalitionärem Proporz bei den Nominierungen für die höchsten Gerichte. Wir leben halt in einem Land, wo seit 7 Jahrzehnten 2 Parteien (immer noch dominieren). Man hat sich arrangiert.

       

      Beides sind aber politisierte Gerichtssysteme.

      Angeblich ist das deutsche besser, weil wir über Jahrzehnte eine "Kultur der Unabhängigkeit" (der Gerichte) entwickelt und gepflegt haben (http://www.dw.com/de/polen-der-demontierte-rechtsstaat/a-39722032).

       

      An der Stelle eines Staates dessen Gerichtsbarkeit die ersten zig Jahre nach dem Krieg damit verbracht hatte, die Nazi-Verbrecher *nicht* zu verurteilen, würde ich mich hüten, Urteile von einem hohen Roß der judikativen Überlegenheit zu fällen.

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @agerwiese:

        Der Unterschied ist die polnische Verfassung. Das geplante Gesetz ist eindeutig Verfassungswidrig, da die polnische Verfassung die Wahl der Richter auf ein anderes Verfahren stimmt. Das Problem ist also weniger das neue von der PiS angestrebte Verfahren selbst, sondern dass die PiS hier eindeutig und bewusst die Verfassung ignoriert. So lange die Verfassung nichts anderes besagt bzw. entsprechend geändert wurde, ist dieses geplante Gesetz ein verstoss gegen die polnische Verfassung.

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        KONSTYTUCJA RZECZYPOSPOLITEJ POLSKIEJ

        Tekst uchwalony w dniu 2 kwietnia 1997 r. przez Zgromadzenie Narodowe.

        Art. 179.

        Sędziowie są powoływani przez Prezydenta Rzeczypospolitej, na wniosek Krajowej Rady Sądownictwa, na czas nieoznaczony.

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        VERFASSUNG DER REPUBLIK POLEN

        verabschiedet von der National

        versammlung am 2. April 1997

        Artikel 179

        Die Richter werden vom Präsidenten der Republik Polen auf Vorschlag des Landesrates für Gerichtswesen auf unbestimmte Zeit berufen.

  • Und? Was macht jetzt die EU? Welche rote Linie hat Polen jetzt wieder ebenso elegant wie folgenlos übersprungen? Wer nimmt das noch ernst und macht den polnischen Demokraten überhaupt noch Hoffnung, das Übel abzuwenden, wenn doch jetzt schon jedes Kind weiss, dass mit dem Beistand Ungarns die Werkzeuge der EU stumpf sind und nichst bewirken können? Wie wird angesichts dessen künftig mit dem verhängnisvollen Einstimmigkeitsprinzip umzugehen sein?