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Umstrittene Finanz-DealsKritik an Sparkassen und Politik

Cum-Cum-Deals kosteten den Staat gut 28 Milliarden Euro. Auch Sparkassen bereicherten sich, meint Ex-Oberstaatsanwältin Brorhilker.

Ex-Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker kritisiert auch die Sparkassen Foto: picture alliance/dpa | Carsten Koall

Frankfurt/Main dpa | Im Steuerskandal um Cum-Cum-Aktiengeschäfte greift die frühere Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker Sparkassen und Politik an. Staatliche Behörden hinkten bei der Aufklärung der Deals hinterher, die den Fiskus geschätzt mindestens 28 Milliarden Euro gekostet haben, kritisierte sie in einem neuen Report von Finanzwende Recherche, einer gemeinnützigen Tochtergesellschaft der Bürgerbewegung Finanzwende.

„Unsere Recherchen zeigen, dass es bis heute keinen Überblick über das Ausmaß der Cum-Cum-Schäden und die involvierten Akteure gibt“, schreibt Brorhilker, die einst führende Ermittlerin im Cum-Ex-Skandal war und heute Leiterin Finanzkriminalität bei Finanzwende Recherche ist. Bei der Aufklärung der Cum-Cum-Deals, die artverwandt mit Cum-Ex-Geschäften sind, existiere nur ein „Flickenteppich von Informationen“.

Cum-Cum-Geschäfte gelten als großer Bruder der Cum-Ex-Deals, mit denen Banken den Fiskus geschätzt um einen zweistelligen Milliardenbetrag prellten. Während es bei Cum-Ex um die Erstattung gar nicht gezahlter Steuern ging, generierten Banken bei Cum-Cum-Deals Steuervorteile für ausländische Inhaber deutscher Aktien.

Ziel war, das deutsche Steuerrecht zu umgehen: Aktien wurden kurz vor dem Dividendenstichtag zeitweise an inländische Banken oder Fonds übertragen, die sich – anders als ausländische Anleger – die fällige Kapitalertragsteuer erstatten lassen konnten. Das Geld teilten die Beteiligten auf.

Bericht: Auch Sparkassen involviert

Besonders fragwürdig sei die Rolle der Sparkassen, kritisiert Brorhilker. Der Bericht zeige, dass auch Sparkassen an Cum-Cum-Geschäften zulasten öffentlicher Kassen beteiligt gewesen seien – „trotz ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Gemeinwohlorientierung“.

Finanzwende Recherche hat dem Report zufolge sämtliche regionalen Sparkassenverbände angeschrieben. Zwei davon – der Ostdeutsche Sparkassenverband und der Sparkassenverband Baden-Württemberg – räumten demnach Cum-Cum-Gestaltungen von Sparkassen ein, sehen aber eine unklare Rechtslage.

Die genaue Zahl der bei Cum-Cum-Deals involvierten Sparkassen bleibe unklar, betonte Finanzwende Recherche. „Bisherige Medienberichte lassen allerdings auf eine weite Verbreitung dieser Geschäfte auch bei Sparkassen sowie auf ungewöhnlich hohe Steuerschäden schließen.“

Sparkassen sehen unklare Rechtslage

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) wehrt sich gegen die Vorwürfe. „Nach unserer Kenntnis haben einige wenige Sparkassen, die mit dieser Thematik vor Jahren befasst waren, dies in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Finanzbehörden abgearbeitet“, teilte ein Sprecher mit. Die Sparkassen unterstützten alle effektiven Maßnahmen zur Sicherstellung des staatlichen Steueranspruchs. „Rechtsfragen müssen aber durch Gerichte beurteilt werden.“ Eine „einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung“ zu Cum-Cum gebe es bisher nicht.

Finanzwende Recherche sieht das anders: Ein Urteil des Bundesfinanzhofs von 2015 sei eindeutig. Er habe entschieden, dass Cum-Cum Geschäfte in ihrer typischen Ausprägung illegal seien, zudem gebe es weitere Urteile von Finanzgerichten. So entschied Anfang 2020 das Finanzgericht Hessen, dass es sich bei Cum-Cum um eine missbräuchliche Steuergestaltung handelt.

Milliarden-Rückforderungen

Cum-Cum-Deals galten als weit verbreitet unter Banken – nicht nur bei Sparkassen -, sind aber kaum aufgearbeitet. Nach einer Umfrage der Finanzaufsicht Bafin haben 54 Banken eingeräumt, an Cum-Cum-Deals beteiligt gewesen zu sein. Die Bafin schätzt die Belastungen durch Rückforderungen aus den Geschäften auf gut 4,6 Milliarden Euro.

Während im Cum-Ex-Skandal einige Täter zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, steht bei Cum-Cum der erste Strafprozess noch aus. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass erstmals eine Anklage gegen fünf Banker wegen Cum-Cum-Deals vom Oberlandesgericht Frankfurt zugelassen wurde.

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4 Kommentare

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  • Liebe taz, diese Cum-Cum und Cum-Ex Deals sind ein komplexes Thema und es wäre schön, wenn ihr mal erklären könntet, gegen wen und wie viele Anne Brorhilker Ermittlungen eingeleitet hat, wie die Staatsanwaltschaft jetzt ohne sie weitermacht und was dabei vermutlich herauskommen könnte. Irgendwie ist das, was ich bisher von euch dazu gelesen habe, da nicht besonders konkret. Zum Beispiel geht es um Sparkassen, schön und gut, aber um was für Mitarbeiter und in welcher Funktion sind die? Also was weiß man darüber und was ist einfach momentan nicht klar?



    Im Übrigen wundere ich mich, dass hier zwar Kritik an den Bankern, aber wenig Kritik an Frau Brorhilker und der Staatsanwaltschaft anklingt. Die Aufgabe, das alles mal definitiv aufzuklären und gegebenenfalls auch Urteile gegen die Leute zu erwirken, die daran so richtig viel verdient haben, oder dass vielleicht sogar ein Teil von dem ganzen irgendwie gestohlenen Geld zurückgezahlt wird, erfüllt die Staatsanwaltschaft ja bisher eher mit durchwachsenem Erfolg.

  • Während im Cum-Ex-Skandal einige Täter zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, steht bei Cum-Cum der erste Strafprozess noch aus. ....



    ----



    Wir dürfen doch unsere "Leistungsträger", gerade bei Sparkassen, oft die letzte Rettung bei "Kassenkrediten" der Kommunen, nicht verärgern. :-(



    Bei dem Spiel "eine Hand wäscht die Andere", siehe auch "kommunale Eigenbetriebe" usw. auch von "Verantwortung" zu übernehmen, ....?



    So was geht gar nicht!



    Btw. Vorstands-, Beirats-, Aufsichtratsposten, usw. in diesem Bereich, als "Austragsstübchen" für Kommunalpolitiker waren noch NIE mit Verantwortung verknüpf.



    Wenn das geändert wird, will die keiner mehr haben. Dann könnte diese "Leute" ja auch in der Wirtschaft "richtig Arbeiten gehen"! :-(

  • Ehrlich gesagt, ich habe immer noch nicht verstanden, wie das überhaupt funktionieren konnte.



    Wenn ich in meiner Steuererklärung Geld zurückhaben will, das ich gar nicht gezahlt habe, lachen sie mich aus.



    Und bei jedem Bericht über Ex-Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker sollte vielleicht auch die unrühmliche Rolle des grünen Justizministers im schwarz-grünen NRW erwähnt werden, der die Ermittlungen der Staatsanwältin sabotierte und sie letztlich zur Strecke brachte.

    • @Don Geraldo:

      Möglicherweise gilt das auch für die BAFIN, denn diese sollte als Bankenaufsicht doch solch kriminellen Machenschaften als erste öffentlich machen und dagegen vorgehen. Aber die BAFIN macht eben lieber Umfragen unter den Banken. Vielleicht sollten sich die Staatsanwaltschaften ein Beispiel nehmen und bei potentiellen Tätern zukünftig auch Umfragen durchführen, um die Täter dingfest zu machen. Was läuft denn da ab?