piwik no script img

Umgang mit traumatisierten GeflüchtetenPsychologen kritisieren Bamf

Psychotherapeuten beklagen, dass ihre Gutachten über traumatisierte Geflüchtete vom Bamf zurückgewiesen werden – mit fertigen Textbausteinen.

Erneut sieht sich das Bamf Kritik ausgesetzt. Dieses Mal geht es um psychologische Gutachten Foto: dpa

Braunschweig epd | Ärzte und Psychotherapeuten kritisieren, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und die Ausländerbehörden mit traumatisierten Geflüchteten umgehen.

„Wir erkennen in den Zurückweisungen von traumatisierten Geflüchteten, dass das Bamf für seine Schreiben oftmals Textbausteine nutzt, um psychiatrische Gutachten und ärztliche Stellungnahmen als nicht ausreichend begründet abzuweisen“, sagte Elise Bittenbinder, Vorsitzende der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). In den vergangenen Jahren sei die Entscheidungspraxis immer rigider geworden.

Die Formulierung der Bamf-Schreiben wirke, „als würden sich die Bamf-Mitarbeiter nicht mehr professionell mit jedem Einzelfall auseinandersetzen, sondern pauschal und manchmal sogar sehr differenziert unsachgemäß urteilen“, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, zu der rund 40 Psychosoziale Zentren gehören. Es entstehe der Eindruck, „als gehe es vor allem darum, politische Interessen durchzusetzen, und nicht um Fachlichkeit oder den bestmöglichen Schutz von Opfern von Gewalt“.

Auch der Menschenrechtsbeauftragte der hessischen Landesärztekammer, Ernst Girth, kritisierte das Vorgehen der Behörden. „Die Regierungen, das Bamf und die Ausländerbehörden versuchen in vielen Fällen, kritische Ärzte aus den Abschiebeverfahren rauszuhalten“, sagte er den Funke-Zeitungen. Doch innerhalb der Ärzteschaft wachse der Widerstand gegen die verschärfte Abschiebepolitik. „Es wird immer schwieriger für die Behörden, Ärzte für Gutachten zu finden“, sagte Girth.

Die Spezialisten vom Bamf

Das Bamf wies die Vorwürfe zurück. „Bei Hinweisen auf psychische Erkrankungen sind die Entscheider des Bundesamtes dahingehend sensibilisiert, besonders einfühlsam mit den Betroffenen umzugehen“, sagte ein Sprecher den Funke-Zeitungen. Die Behörde setzt nach eigenen Angaben in den Asylverfahren 218 Sonderbeauftragte für Traumatisierte und Folteropfer ein. Sie kämen immer zum Einsatz, wenn ein Flüchtling als traumatisiert oder psychisch erkrankt identifiziert worden sei, hieß es.

Das im Juni vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, auch „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ genannt, sieht neben einer Ausweitung der Abschiebehaft unter anderem auch strengere Anforderungen an ärztliche Atteste für Flüchtlinge vor. So werden nur noch Atteste von Fachärzten wie Psychiatern für traumatisierte Flüchtlinge akzeptiert, nicht mehr von Psychotherapeuten.

Auch diese Regelung stößt unter Psychologen auf Kritik. Die Menschenrechtsbeauftragte des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), Eva van Keuk, sagte den Funke-Zeitungen, Deutschland könne es sich nicht leisten, mit den Psychotherapeuten eine ganze Berufsgruppe aus der Diagnostik von Traumatisierungen auszuschließen. Flüchtlinge gehörten ohnehin zu der Gruppe, „die in Deutschland nur in Ausnahmefällen schnellen Zugang zu ärztlicher Behandlung oder psychologischer Betreuung bekommen“, kritisierte van Keuk.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Wäre vieleicht hilfreich, wenn die TAZ eruiert wie lange hierzulande Personen auf Psychotherapie warten müssen.



    Sie warten sehr sehr lange. Die Versorgung ist verbesserungswürdig hoch zehn.



    Insbesonders bei Traumapatienten kann mit Diagnosen sehr viel Schindluder getrieben werden.



    Aus meiner Berufstätigkeit kann ich sagen: Trauma kann man immer bringen. Als Psychologe und als Patient. Missbrauch ist vorprogrammiert.

    • @lulu schlawiner:

      Aus meiner Berufstätigkeit kann ich sagen: viele Geflüchtete suchen - obwohl sie zahlreiche Anzeichen von Traumatisierungen zeigen - gar keinen Psychologen/in oder Psychiater/in auf, aus Scham, Unwissenheit, wegen der Sprachbarriere oder weil sie keinen Termin bekommen. Das ist meiner Ansicht nach das viel größere Problem als das von Ihnen gemutmaßte "Schindluder mit Diagnosen", was letztlich eine pauschale Beleidigung aller Psycholog*innen/Psychiater*innen ist, die mit Geflüchteten arbeiten und Atteste ausstellen.

      • @Kolyma:

        Von diesen Menschen scheint der User nicht gesprochen zu haben, sondern von der Schwierigkeit der Sachverhaltsermittlung. Kennen Sie zB keine Studierenden, denen vor rechtzeitiger termingerechter Abgabe ihrer wiss. Arbeiten "geholfen" wurde?

      • @Kolyma:

        "was letztlich eine pauschale Beleidigung aller Psycholog*innen/Psychiater*innen ist, die mit Geflüchteten arbeiten und Atteste ausstellen."



        Ich meine NICHT NUR die Kollegen die mit Migranten arbeiten, sondern ALLE.



        Um eine Diagnose ist ein Psychologe NIE verlegen. Und da gibt es immer Diagnosen, die sich immer gut anhören und NICHT zu wiederlegen, aber auch nicht zu beweisen sind.



        Zwei Ärzte - zwei Diagnosen. Zwei Psychologen - sieben Diagnosen. Reine Berufserfahrung. Is so.



        Meßbarkeit in der Psychologie ist kaum möglich.



        Aber natürlich , Scharlatane glauben alles, diagnostizieren alles.



        Ich habe im Laufe der Jahre soviele Modediagnosen mitbekommen, die Letzte war ADHS, ich könnte jetzt bis uniso schreiben.

    • @lulu schlawiner:

      Stimmt, Missbrauch ist sehr gut vorstellbar.

  • Die Praxis des BAMF bei der medizinisch und psychologisch vollkommene unbeleckte Sachbearbeiter psychotherapeutische Gutachten "beurteilen" ist eine dreiste Anmaßung und ein Fehler im System. Es entspricht außerdem vollkommener Unkenntnis wenn nun auch noch nach Psychiatrischen Gutachten verlangte wird als einzig "echte" Gutachen. Die meisten auch schweren Traumafolgeerkrankungen lassen sich am besten mit Therapien überwinden Medikamente (die ein Psychiater evtl. zusätzlich verschreibt) spielen eine Nebenrolle. D.h. diejenigen die mehrheitlich Traumatisierte professionell behandeln sind nun mal Psychotherapeuten. Das von oben offenbar verordnete Leugnen von Traumatisierung um eine rechtswidrige Abchiebung damit zu "legalisieren" trifft Traumatisierte besonders hart. Traumatisierte brauchen Sicherheit und ein normales Umfeld um überhaupt genesen zu können das bewiesen Langzeitstudien mit KZ-Überlebenden. Abschiebeandrohungen auch diejenigen die dann doch durch Klagen oder weitere fundierte Gutachten abgewendet werden macht jeden Therapieerfolge wieder zunichte und retraumatisiert die Betroffenen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Nina Janovich:

      Wenn Sie hier von einem Systemfehler sprechen, so haben Sie Recht - und zugleich auch nicht.

      In Systemen sollten Menschen entsprechend Ihrer Qualifikationen eingesetzt werden. Werden sie aber nicht. Seit dem von Lawrence Peter benannten Peter-Prinzip wissen wir, dass die Wirklichkeit anders aussieht.

      Dass die bestehende Schere zwischen Aufgabe und Eignung immer größer wird, nicht unbedingt kognitiv, aber sozial (meine subjektive Wahrnehmung), ist alles andere als Zufall. Im Vordergrund stehen FUNKTIONALITÄT und KOSTENERSPARNIS. Alles Andere ist nachrangig. [...]

      Dies ist die Folge von Entscheidungen, die die jeweiligen Sacharbeiter im Dienste Ihrer Herren und Damen in der Leitung treffen. Diese Entscheidungen sind politisch gewollt - und sind durch ein verändertes Wahlverhalten des Wahlvolkes korrigierbar.

      Dieser Kommentar wure gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        Mach ich. Und Sie sich im Gegenzug an die Orthographie?

      • @76530 (Profil gelöscht):

        "und sind durch ein verändertes Wahlverhalten des Wahlvolkes korrigierbar."

        Bedingt korrigierbar, lieber Herr Leiber, bedingt korrigierbar :)

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Grandiot:

          Verstehe ich nicht. Gibt es jetzt nur noch bedingte Wahlen?

          • @76530 (Profil gelöscht):

            Nein, dass nicht, Herr Leiberg, aber es gibt lediglich bedingte Korrekturen ;)