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Umgang mit armeekritischer NGO in IsraelMaulkorb in den Schulen

Die NGO „Das Schweigen brechen“ darf keine Schul-Veranstaltungen mehr durchführen. Das sieht ein Gesetz vor, das jetzt verabschiedet wurde.

Proteste von Palästinensern gegen jüdische Siedlungen im Juni in der Nähe von Hebron Foto: reuters

Berlin taz | Die israelischen Besatzungskritiker der Gruppe „Das Schweigen brechen“ dürfen fortan keine Informationsveranstaltungen mehr an Schulen abhalten. 43 Abgeordnete der Knesset (Parlament) stimmten in der Nacht zum Montag in zweiter und dritter Lesung für das „Das-Schweigen-brechen-Gesetz“, das das Ziel verfolgt Organisationen, die der Armee kritisch gegenüber stehen, eine zentrale Bühne zu entziehen. 24 Oppositionspolitiker positionierten sich dagegen.

Das Gesetz hält fest, dass der Bildungsminister „die Regeln macht, um Aktivitäten von Personen oder Organisationen an Bildungseinrichtungen zu unterbinden, die nicht Teil des Bildungssystems sind“. Den Posten des Bildungsministers hat Naftali Bennett inne, Chef der Siedlerpartei „Das jüdische Haus“.

Jehuda Schaul, Mitgründer von „Das Schweigen brechen“, kommentierte die Gesetzreform besorgt. „Das ist der Anfang vom Ende Israels als offene Gesellschaft“, erklärte Schaul am Telefon gegenüber der taz. „Das Gesetz zielt darauf ab, die Besatzung fortzusetzen.“

Die Nichtregierungsorganisation (NGO) „Das Schweigen brechen“ konfrontiert Israels Zivilbevölkerung mit dem Alltag in den Palästinensergebieten, ähnlich wie die Menschenrechtsorganisation B'tselem, die sich mit ihrem Projekt „Shooting back“, gemeint sind Videoaufnahmen, unter anderem die Dokumentation von Fehlverhalten der Armee oder israelischen Siedlern zum Ziel setzt.

Die regierungs- und besatzungs-kritischen Gruppen geraten seit Jahren zunehmend unter Druck von Seiten der Regierung und rechts-religiöser Siedler. Schaul berichtete in der Vergangenheit über Drohanrufe und Cyberangriffe.

Die Öffentlichkeitsarbeit von Das Schweigen brechen richtet sich zentral an Abiturienten kurz vor ihrer Rekrutierung zum Militär

Aktuell liegt ein Gesetzentwurf auf dem Tisch der Knesset, der Videoaufnahmen von Soldaten, die im besetzten Palästinensergebiet ihren Dienst tun, verbietet und Haftstrafen bis zu fünf Jahren vorsieht. „Dieses Gesetz verletzt das Recht freier Meinungsäußerung und journalistischer Freiheit“, kommentierte die liberale Tageszeitung Haaretz. Es entstehe der Eindruck, „die Armee habe etwas zu verbergen“.

Die Öffentlichkeitsarbeit von „Das Schweigen brechen“ richtet sich zentral an Abiturienten kurz vor ihrer Rekrutierung zum Militär. Das neue Gesetz „könnte die pädagogische Arbeit von Menschenrechtsorganisationen ersticken“, heißt es in einer Erklärung der NGO.

Die sozialdemokratische Abgeordnete Scheli Jechimowitsch nannte die Initiatoren des Gesetzes „Feiglinge“. Die angehenden Soldaten sollten „pluralistische Weltanschauungen“ zu hören bekommen. „Das Schweigen brechen“, so rechtfertigte hingegen die Mitinitiatorin der Reform und Parlamentarierin Schuli Mualem-Refaeli von der Siedlerpartei, „verleumdet die Soldaten der Verteidigungsarmee in Israel und im Rest der Welt“.

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10 Kommentare

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  • PS: Welches Schweigen bricht "Breaking the Silence" eigentlich? Es gibt auf der ganzen Welt keine Armee, die international so viel kritisiert wird wie die israelische.

  • Was in dem Artikel nicht steht, ist, dass Breaking the Silence überwiegend vom Ausland finanziert wird, und zwar in erster Linie mit ausländischer Staatsknete. Zitat aus einem Artikel von Alex Feuerherdt (lizaswelt.net/2016...tatt-aufklaerung/):



    "Laut NGO Monitor – diese Organisation wertet die Daten der zuständigen israelischen Registrierungsstelle für Non-Profit-Organisationen regelmäßig aus – stammen 65 Prozent der Zuwendungen, die Breaking the Silence zwischen 2012 und 2014 erhalten hat, aus Europa, das heißt, von europäischen Regierungen oder von Organisationen, die mindestens teilweise vom Staat finanziert werden. Zwischen 2012 und 2015 überwies beispielsweise die Europäische Union zusammengerechnet rund 270.000 Euro an BtS, von der norwegischen Regierung gab es in diesem Zeitraum etwa 130.000 Euro, vom deutschen katholischen Hilfswerk Misereor 225.000 Euro. Für ein Projekt mit dem bodenlosen Titel »Erziehung zum Wechsel: Menschenrechtserziehung in der israelischen Gesellschaft«, das von 2015 bis 2017 laufen soll, hat die EU zudem weitere 236.000 Euro bewilligt. Insgesamt belaufen sich die Einnahmen, die Breaking the Silence zwischen 2012 und 2016 auf direktem oder indirektem Weg von ausländischen Regierungen erhalten hat, auf über 1,5 Millionen Euro."

    Es ist eine offenbar unausrottbare Unsitte (vorsichtig ausgedrückt), Organisationen, die maßgeblich staatlich finanziert werden, als "NGO" zu bezeichnen. Solche Vereinigungen sind das genaue Gegenteil einer NGO. Denn die Regierung eines Landes finanziert eine Organisation, die in einem anderen Land tätig ist, sicher nicht ohne Eigeninteresse.

    Ich sehe nicht ein, weshalb Israel dieser Organisation die Möglichkeit geben sollte, in seinen Schulen aufzutreten. In deutschen Schulen treten jedenfalls meines Wissens keine ausländisch finanzierten Organisationen auf, die die Bundeswehr kritisieren - ohne dass die taz dies als "Maulkorb" bezeichnen würde.

  • Frau Knaul, Sie wohnen im Gegensatz zu mir in Israel und ich schätze Ihre Meinung, auch wenn ich Sie nicht immer teile.

    Aber ohne Wertung zum Artikel, ich hoffe da auf gute Berichte von Ihnen aus dem Land, wenn man nur Israel heute oder so liest, wird man ja verrückt.

    Und wenn Sie mal ein paar Spalten freibekommen, ja ich weiß es ist schwierig mit Randthemen wie Israel, aber so ein zwei Sätze zur säkularen Opposition wären eine Wohltat. Klar haben 23,4 % den Likud gewählt, aber auch 18,7% die ZU und mit 10,6% die Arabisch-linke Israelische Liste.

    2019 wird eine Schicksalswahl für Israel, Israelis dürfen nicht durch Briefwahl abstimmen, sondern müssen nach Israel. Aber ich lese in der Taz nie über die Positionen der ZU, der Kulanu oder der Jesch Atid, obwohl die mehr Stimmen als Bennet oder Liebermann bekommen, die hier öfters auftauchen.

  • Schovrim Schtika gerät in Israel wohl eher unter Druck, weil es öfters seiner Behauptungen nicht beweisen kann und die Geschichten oft eine Mischung aus Wahrheit, Halbwahrheit und Lügen sind.

    Normalerweise sind die Quellen von anonymisiert, aber für HaMakor von Channel 10 wurde eine Ausnahme gemacht und die haben eine Reportage darüber gemacht. Dafür durften Sie sich 10 Aussagen näher ansehen. Ergebnis 2 Aussagen waren so richtig, 2 waren übertrieben, für 4 gab es keine Beweise und 2 waren definitiv falsch.

    blogs.timesofisrae...nces-myths-busted/

    Das es durch die IDF Übergriffe auf Palästinenser gibt, aber sicher, ist das zu verurteilen, ja! Aber wenn man jemanden einer Tat bezichtigt, muss man das auch irgendwie beweisen können und wenn es hart auf hart kommt, bleibt eben manchmal bei nicht genügend übrig, so wie bei Schauls Geschichte, Siedler würden Brunnen vergiften.



    www.ynetnews.com/a...,L-4819952,00.html

    Dazu kommt ein weiteres Problem in Israel, die Regierung, die Staatsanwaltschaft und auch die Armee haben öfter mal Probleme mit der Wahrheit, wenn es um Fälle von Schovrim Schtika geht. So wie bei dem Fall von Dean Issacharoff, ein Sprecher von Schovrim Schtika, der in einem Video sagte, er habe als Soldat einen Palästinenser in Hebron blutig geschlagen. Daraufhin wurde er angeklagt und das angebliche palästinensche Opfer befragt, was den Vorfall verneinte und so wurde das Verfahren wegen Lügen des Angeklagten eingestellt. Innerhalb von einer Woche fand ein israelischer TV Sender, nach weiteren Aussagen von Issacharoff heraus, dass der falsche Mann befragt wurde und der Offizier der den Vorfall ebenfalls bestritt, erst Wochen später für Issacharoff zuständig war. Aber das Verfahren wurde nicht wieder aufgenommen. Warum findet das israelische Fernsehen in einer Woche mehr heraus als die Staatsanwaltschaft in 6 Monaten?

    Es gibt einfach keine Stelle, der man wirklich unvoreingenommen trauen kann.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Sven Günther:

      Danke für die vielen Informationen.

      Und, quelle surprise, im Artikel findet sich davon so rein gar nichts.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Issacharoff Vater ist übrigens Botschafter Israels in Berlin.

        Da war einiges los, sowohl bei den Juden hier, als auch in Israel. Das stand nur einmal kurz in der Taz, ich glaube so ein Absatz relativ am Anfang der Story.

  • Na ja, seien wir mal sarkastisch: bei einer Breaking the Silence-Führung durch Hebron wurde gerade vor kurzem ein Beteiligter, ein erwachsener Kerl, dabei gefilmt, wie er einem Kippa-tragenden 10-jährigen Jungen einfach mal so mit voller Kraft ins Gesicht schlug.

    Der Mann wurde dann umgehend des Landes verwiesen, aber ein Vorbild für Jugendarbeit an Schulen ist das doch wohl eher nicht.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Das Problem mit Breaking The Silence ist, dass alle Aussagen von Soldaten über Menschrechtsverletzunen oder Übergriffe anonymisiert sind. Das heißt, man muss sie eben glauben. Denn sie sind unüberprüfbar.

    Dass der Verein nicht mehr die Schulen besuchen darf, finde ich allerdings auch nicht richtig.

    • 7G
      75026 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Das finde ich aber auf jeden Fall richtig. Die Brunnenvergiftungsgeschichte, die Sven Günther erwähnt, ist ja nicht einfach nur eine Story, die der Überprüfung nicht standhält, sondern die antisemitische Legende par excellence. Leute, die so was verbreiten, haben an Schulen nichts zu suchen.