Umgang mit Minderheiten: Entmüllt die Sprache!
In deutschen Ämtern lagen Müll und Menschen viel zu lang beieinander. Das änderte sich erst mit der behördlichen Idee von Willkommenskultur.
M ensch und Müll, das geht nicht zusammen. Was für eine Selbstverständlichkeit, auf die man sich nun nach mühseliger Debatte einigt. Leider erst, als es um Polizisten geht.
In deutschen Organisationsstrukturen jedoch liegen Müll und Menschen schon zu lange zu nah beieinander. Als 2013 im Stuttgarter Schlossgarten Sinti und Roma lagerten, gab es einen Arbeitskreis zur Verwahrlosung und Vermüllung des Ortes. Einige erinnern nach den neuen Ausschreitungen in Stuttgart daran und fragen, was daraus geworden sei. Sie fragen nicht, ob der Titel des Arbeitskreises damals zur Dehumanisierung der Sinti und Roma beitrug.
Die Nähe von Müll und Minderheiten hat eine spezielle Geschichte: In ihren Ordnungsämtern kümmern sich Kommunen insbesondere um die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. In Deutschland kümmern sich Ordnungsämter um den Lärmschutz, das Waffenwesen, die Verfolgung allgemeiner Ordnungswidrigkeiten und „das Ausländerwesen“. So konnte es sein, dass Ausländer ihre Papiere in einem Gebäude beantragen mussten, in dem auch das Amt für Abfallwirtschaft untergebracht war. Diese Abschreckung war lange durchaus gewollt. Die behördliche Erfindung der „Willkommenskultur“ sollte dem ein Ende bereiten: weg von der Idee der Gefahrenabwehr, hin zu offenen Armen für gut ausgebildete Migranten. Es kamen aber Flüchtlinge, für die dieser Begriff gar nicht gedacht war, doch das ist eine andere Geschichte.
Die jahrzehntelange sprachliche und organisationsstrukturelle Nähe von Menschen und Ordnung, von Ordnung und Entsorgung hat Folgen. Solche Strukturen setzen sich in Sprache ab, wie toxische Stoffe ins Grundwasser. Wer Müllvergleiche als genehmigt ansieht, rückt Dehumanisierung in den Bereich dessen, was man in einer Demokratie zu ertragen hat. Man sollte in der weiteren Diskussion die Tradition von Müll und Minderheiten in Deutschland im Gedächtnis behalten – und endgültig mehr Abstand zwischen diese beiden Wörter und Organisationsbereiche schaffen.
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