Umgang mit Geflüchteten in Deutschland: Hauptsache weit weg
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) plädiert für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert das scharf.
„Das ist eine schlimme Nachricht“, schrieb Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Auch wenn zum Glück noch niemand darin gewohnt hat – eine Flüchtlingsunterkunft anzuzünden, zeigt eine furchtbare Menschenverachtung.“
Wenn sich der Verdacht erhärte, müssten „die Täter hart bestraft werden“, forderte Faeser, die auch Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin der Hessen-SPD ist. Die Kriminalpolizei in Darmstadt bat die Bevölkerung um Hinweise zu möglichen Verdächtigen.
Die Feuerwehr habe den Brand zwar unter Kontrolle bringen und löschen können, es sei aber nach ersten Schätzungen ein Sachschaden von mehreren hunderttausend Euro entstanden, teilte die Polizei mit. Zur genauen Klärung der Ursache des Feuers sollen nach dem Feiertagswochenende Brandexperten die Anlage untersuchen.
Ampelkoalition für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen
Unterdessen teilte Faeser am Sonntag mit, dass die Bundesregierung sich für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen einsetzen wolle. Die Innenminsiterin sagte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“, in der europäischen Asylpolitik zeichne sich eine „große Veränderung“ ab. Die Ampelkoalition habe sich nun darauf geeinigt, „dass wir dieses gemeinsame Asylsystem voranbringen wollen“, fügte die SPD-Politikerin hinzu.
Konkret gehe es darum, dass „an den Grenzen schon Asylverfahren stattfinden können“, führte Faeser aus. „Das heißt, dass bereits dort die Registrierung und Erfassung und Identifizierung der Geflüchteten stattfinden wird“, sagte die Innenministerin. Im Zuge eines „Ausgleichs“ innerhalb der EU sei dann die „Solidarität der anderen Staaten“ gefragt. Wer die Voraussetzungen für Asyl erfülle, müsse dann auch aufgenommen werden.
Seit der Flüchtlingskrise 2015 ist es der EU nicht gelungen, sich auf eine umfassende Reform des europäischen Asylsystems zu einigen. Faeser sieht nun die Chance, dass Europa in der Asylpolitik gemeinsam vorankommt. „Wir sehen jetzt ein historisches Momentum, dass wir mit anderen europäischen Staaten es schaffen können, ein gemeinsames Asylsystem auf den Weg zu bringen, wo an den Grenzen die Asylverfahren stattfinden“, sagte sie in der ARD.
Über die Einzelheiten des neuen Verfahrens sei sie seit Monaten mit anderen EU-Ländern im Gespräch, sagte Faeser. Deutschland arbeite dabei unter anderem mit Frankreich, Italien, Spanien, Schweden und Belgien zusammen. Im Gespräch sei eine Bearbeitungszeit der Asylanträge von maximal zwölf Wochen.
Kritik von Menschenrechtsorganisation
Kritik an den Plänen der Bundesregierung kommt vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Ein solches Asylverfahren an den EU-Grenzen, wie es der Ampelkoalition vorschwebt, ließe sich in der Praxis nur durch geschlossene Aufnahmezentren oder erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in Transitzonen oder auf kleinen Inseln durchsetzen.
„Bereits jetzt werden europarechtliche Vorgaben für den Umgang mit Schutzsuchenden – wie eine menschenwürdige Unterbringung, der Zugang zu einem effektiven und fairen Asylverfahren, die Information über Rechte und die Identifizierung und Versorgung von Folteropfern und anderen besonders Schutzbedürftigen – an den EU-Außengrenzen oft missachtet“, kritisiert die Organisation in einer am Montag veröffentlichten Erklräng. Eine weitergehende Etablierung von Außengrenzverfahren droht diese Zustände zu verfestigen und zu institutionalisieren.
Die Reformvorschläge ließen befürchten, dass Mitgliedstaaten, die bereits jetzt eine Abkehr von den asyl- und menschenrechtlichen Standards in der EU befürworten und teilweise schon praktizieren, das EU-Recht zukünftig als Legitimation für ihr Handeln nutzen. „Ein System, das vorrangig auf Abschreckung und die Auslagerung von Asylprüfungen an die Außengrenzen oder sogar in vermeintlich sichere Drittstaaten außerhalb der EU setzt, ist mit Deutschlands flüchtlings- und menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht vereinbar“, kritisiert das Menschenrechtsinstitut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste