Umgang mit Angriff auf Weihnachtsmarkt: Berlin bleibt angemessen
Beim Amoklauf in München steht eine ganze Stadt still, ein riesiger Polizeieinsatz läuft ab. In Berlin zeigt sich jetzt: Die Stadt bewahrt Ruhe.
Die S-Bahn fährt. In 20 Minuten werde ich zu Hause sein. Angst habe ich nicht. Kurz vor der Abfahrt des Zuges gegen 22.30 Uhr sehe ich den Tweet der Berliner Polizei: „Derzeit gibt es keine Hinweise auf weitere gefährdende Situationen in der City nähe #Breitscheidplatz.“ Während der Fahrt beantworte ich die Fragen vieler Freunde, die mir besorgte Kurznachrichten geschickt haben. Viele schreiben mir aus München.
Am 22. Juli haben sie erlebt, wie eine ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzt wurde. Der Amoklauf in einem Münchner Einkaufszentrum und daraufhin kursierende Gerüchte um weitere Schießereien in der Stadt haben einen irrwitzigen Polizeieinsatz ausgelöst, an den sich die Bewohner der Stadt noch lange erinnern werden.
2.300 Beamte verschiedener Polizeien waren im Einsatz. Alle Hubschrauber, die die Behörden zur Verfügung hatten, standen am Himmel, Helikopter aus Österreich kamen noch dazu. Die Landesgrenze zu Thüringen wurde wie eine Staatsgrenze überwacht. Und auch die Bundeswehr setzte Feldjäger und Sanitäter in Bereitschaft. Der Hauptbahnhof wurde abgeriegelt, der öffentliche Nahverkehr eingestellt. Viele Münchner verbrachten Stunden hinter verriegelten Türen von Geschäften oder Lokalen, suchten Zuflucht bei Freunden oder Leuten, die ihre Wohnung für diejenigen geöffnet hatten, die noch unterwegs waren in der Stadt. Ganz München war in Panik.
Auch als längst klar war, dass die Einzeltat eines Amokläufers den Einsatz ausgelöst hatte, war das Brummen der Hubschrauberrotoren noch das bestimmende Geräusch. Dass ich an diesem Montag einfach so mit der S-Bahn nach Hause fahren kann, wollen meine Münchner Bekannten gar nicht glauben.
Am nächsten Morgen twittert die Berliner Polizei: „Wir haben vorsorglich die Zahl der Streifen in #Berlin erhöht. Wie in allen Bundesländern gehen die Kolleg. mit Schutzweste & MP auf Streife.“ Ich halte das für angemessen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen