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Umfrage unter deutschen FirmenKaum Interesse an fairem Handel

Nicht mal jede fünfte Firma achtet Menschenrechte bei Zulieferern aus dem Ausland. Nun droht die Bundesregierung mit einem Lieferkettengesetz.

Weihnachtsmann vom letzten Jahr: Schmeckt noch besser, wenn man weiß, dass niemand dafür leidet Foto: Robert Michael/imago

Berlin taz | Ein erstaunlich schlechtes Ergebnis hat die Umfrage der Bundesregierung zu Menschenrechten bei einheimischen Unternehmen erbracht. Nur etwa ein Fünftel der Firmen hält demnach die Anforderungen des Aktionsplans für Menschenrechte (NAP) ein. „Die Gruppe der Erfüller hat sich im Vergleich zur Unternehmensbefragung 2019 in ihrer Größenordnung nicht maßgeblich verändert“, teilten Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag mit. Deshalb werde es nun ein Lieferkettengesetz geben.

Der 2016 beschlossene Aktionsplan basiert auf Beschlüssen der Vereinten Nationen und sieht vor, dass Firmen Verstöße gegen die Menschenrechte in ihren Zulieferfabriken weltweit vermeiden. Beispielsweise in den Textilfabriken Asiens sollen ausreichende Löhne gezahlt, Arbeits- und Umweltschutz gewährleistet werden.

Hiesige Händler sollen mit dafür verantwortlich sein, was bei ihren Lieferanten passiert. Um zu überprüfen, ob die Firmen den Aktionsplan einhalten, hat der Bund zwei Umfragen als Stichproben in Auftrag gegeben. Wenn weniger als die Hälfte der Firmen die Kriterien freiwillig erfüllt, soll laut Koalitionsvertrag ein Gesetz kommen, dass die Firmen verpflichtet.

Am Dienstag wurde das Ergebnis der zweiten Umfrage veröffentlicht. „Von den rund 2.250 befragten Unternehmen haben nur 455 gültige Antworten zurückgemeldet“, erklärten Heil und Müller. Von diesen hätten etwa 20 Prozent die Anforderungen des NAP eingehalten – deutlich weniger als die von der Regierung verlangten 50 Prozent. „Die Ergebnisse sind erneut enttäuschend“, sagte Müller. „Wir brauchen jetzt einen gesetzlichen Rahmen.“ Heil: „Die Umfrage zeigt, dass Freiwilligkeit nicht ausreicht.“

Auch einige Firmen für Gesetz

Eckpunkte für ein Gesetz gibt es bereits. Im August soll es dem Bundeskabinett vorliegen. Wer dagegen verstößt, könnte vor deutschen Gerichten auf Schadensersatz verklagt werden. Ein solches Gesetz fordern Entwicklungs-, Umweltorganisationen und kirchliche Hilfswerke, aber auch Firmen wie Rewe, KiK, Ritter, Tchibo und Nestlé seit langem. Die EU-Kommission kündigte ein europäisches Lieferkettengesetz für das kommende Jahr an.

Dagegen mobilisieren hierzulande die Wirtschaftsverbände BDI, BDA, HDE und DIHK. Ihnen geht es zu weit, dass deutsche Firmen für Fehler ausländischer Lieferanten haftbar gemacht werden sollen. Hohe Kosten drohten, der Mittelstand sei überfordert.

Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kritisiert das Gesetz. „Schnellschüsse verbieten sich bei so wichtigen Themen wie diesem“, sagte eine Sprecherin.

Im BMWi wird unter anderem bemängelt, man sei in die Vorbereitungen nicht eingebunden worden. Außerdem sei es wegen der Coronakrise nicht ratsam, Unternehmen neue, komplizierte Vorschriften zu machen.

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10 Kommentare

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  • Bereits die Überschrift ist falsch. Die Einhaltung von Menschenrechten bei den Zuliefern ist Angelegenheit der Zulieferer und der Staaten, in denen Zulieferer sitzen. Hierfür tragen die Abnehmer keine Verantwortung.

    Im übrigen ist beispielsweise Nestlé keine deutsche Firma und wäre von einem solchen Gesetz nicht betroffen. Wenn eine Sitzverlagerung einfacher erscheint als das Risiko, welches mit dem neuen Gesetz verbunden wäre, schaut am Ende der Fiskus in die Röhre.

    • @DiMa:

      >Hierfür tragen die Abnehmer keine Verantwortung.<

      Doch weil sie dies durch Konsum unterstützen.

      • @Okin Eggür:

        Sie verwechseln Abnehmer und Konsumenten. Die vom geplanten Lieferkettengesetz betroffenen Unternehmen sind keine Konsumenten.

    • @DiMa:

      Die Werbeaussagen von Nestlé sind immer "nachhaltig"- die Folgen ihrer Preispolitik auch :multiwatch.ch/fluchtursache_nestle/

      • @conny costa:

        Ist doch egal, was Nestlé in Werbeaussagen so erzählt. Es ist doch nur Werbung.

        Und Nestlé wäre von so einem Gesetz noch nicht mal betroffen. Im Zweifel importieren die ihren Kaffee über die Niederlande und der niederländische Importeur verkauft den Kram dann hier. Beschränkungen wären wegen des EU Rechts unzulässig. Gewinne werden dann schön in den Niederlanden und in der Schweiz besteuert.

        Das Gesetz ändert dann mal nix in Mexiko.

        Einzige Änderung in DE: weniger Steuern. Und jetzt erzählen Sie mir nicht, dass der Konsument darauf achtet, ob sein Filterkaffee über Rotterdam oder HH zu uns kommt.

  • Wenn man bedenkt, was einige Unternehmer so in D veranstalten, kann man sich auch kaum vorstellen, dass sie im Ausland irgendetwas anderes tun, als Geld zu scheffeln.

    "Nicht mal jede fünfte Firma achtet Menschenrechte bei Zulieferern aus dem Ausland."

    Es müssen sogar deutlich weniger sein. Die Firmen, die sich garnicht erst geäußert haben, kann man getrost zu den Sündern zählen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Der Tönnies-Skandal hat ja noch einmal gezeigt, dass das Problem selbst bei Produkt aus dem Inland besteht. Selbst wenn man das teuerste Bio-Fleisch im Edeka kauft, kann man in den "Genuss" von Tönnies-Fleisch kommen, inklusive Zweifelhafter Arbeitsbedingungen bei der weiterverarbeitenden Firma.

      • @hey87654676:

        Das Stichwort heißt "Metzger vor Ort". Da ist leicht zu erfahren, wo und wie das Fleisch produziert wird.

  • Hauptsache maximaler Profit, alles andere ist egal.

  • BDA, HDE und DIHK, aber auch Herr Altmaier *wollen* diese Menschenrechtsverletzungen. Das muss man sich mal vorstellen.