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Umfrage Grünen-BasisSympathie für Umverteilung

Mehr Geld für Schulen oder für Sozialtransfers? Die Grünen-Spitze hat jetzt die 60.000 Mitglieder befragt. Ergebnis: Die Basis will beides.

Was ist gerecht? Auch die ChefInnen Cem Özdemir und Simone Peter streiten Foto: dpa

Berlin taz | Wenn Cem Özdemir sein Verständnis von Gerechtigkeit erklärt, redet er am liebsten über Bildung. Die Grünen lieferten sich keinen Überbietungswettbewerb mit der Linkspartei, wer mehr Geld umverteile, rief der Grünen-Chef zum Beispiel auf dem Länderrat im April. Stattdessen müsse der Bildungserfolg endlich von der Herkunft abgekoppelt werden.

Viel Geld in Kitas, Schulen und Unis stecken – aber nicht in Umverteilung oder höhere Hartz IV-Sätze: Özdemirs Position teilen viele Realos bei den Grünen. Viele Linksgrüne hingegen wünschen sich beides, mehr Investitionen in Bildung, aber auch mehr Umverteilung des Reichtums von oben nach unten. Der Streit gärt seit Monaten, auf dem Bundesparteitag im November wird er ausgetragen.

Eine Basisbefragung gibt jetzt Hinweise darauf, was sich die rund 60.000 Parteimitglieder wünschen. Ein Fünftel von ihnen füllte einen vom Vorstand formulierten Fragebogen online aus, die Berliner Grünen-Zentrale fasste die Ergebnisse zusammen, die der taz vorliegen.

Die wichtigste Erkenntnis lautet: Die Mitglieder möchten beides. Sie signalisieren hohe Zustimmung, wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht, aber eben auch in Verteilungsfragen. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagt: „Die Ergebnisse zeigen, dass wir diese Themen im Bundestagswahlkampf nicht gegeneinander ausspielen sollten.“

Rente auf letztem Platz

Der Vorstand wollte zum Beispiel wissen, welchen Aspekt der Gerechtigkeit die Mitglieder am wichtigsten finden. Für 32 Prozent der Befragten ist ein gutes Bildungssystem entscheidend, das allen Kindern gleiche Chancen gibt. 24 Prozent wünschen sich eine faire Gesellschaft, die niemanden ausgrenzt. Und 21 Prozent wollen eine gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen.

Die drei Themen liegen also recht dicht beeinander. Dies zeige, dass die Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Abwägung der Aspekte zueinander „eine wichtige Rolle einnimmt“, glaubt Kellner, der dem linken Flügel zugerechnet wird. Weit abgeschlagen landeten bei der Basis zum Beispiel ein gutes Gesundheitssystem (5 Prozent) oder eine sichere Rente (4 Prozent).

Das Ergebnis ist auch deshalb interessant, weil manche Grüne hauptsächlich die Steuerpolitik für das schlechte Wahlergebnis 2013 verantwortlich machen. Damals forderte die Ökopartei mit einem moderat linken Programm mehr Umverteilung. Zumindest die Parteibasis ist offenbar trotzdem von der Notwendigkeit solcher Maßnahmen überzeugt.

So halten etwa 90 Prozent der Befragten es für ein „sehr großes“ oder „großes“ Problem, dass die Spaltung zwischen Arm und Reich wächst. Diese Ungerechtigkeit ärgert die Grünen-Mitglieder auch am meisten. 32 Prozent der Befragten werteten die Spaltung zwischen Arm und Reich als wichtigstes Problem, während 26 Prozent am meisten das Problem bewegte, dass Bildungsschancen von der Herkunft und dem Geldbeutel abhängen.

23 Prozent für Vermögensteuer

Dazu passt, dass die Wiedereinführung einer Vermögensteuer bei den Mitgliedern viel Sympathie genießt. Gefragt, welche beiden Maßnahmen sie am wichtigsten fänden, gaben 23 Prozent der Mitglieder die Vermögensteuer an, während 12 Prozent eine Reform der Erbschaftsteuer bevorzugten. 29 Prozent fanden Investitionen in Kitas oder Schulen am wichtigsten.

Hier gewinnt die Bildung also. Auch an anderen Stellen der Studie ist das der Fall, die Ergebnisse lassen sich also mehrdeutig lesen und interpretieren. So geben zum Beispiel 69 Prozent der Befragten an, die Grünen müssten sich vor allem auf die Finanzierung öffentlicher Einrichtungen wie Kitas konzentrieren. Nur 5 Prozent finden, dass direkte Geldleistungen wie das Kindergeld im Zentrum stehen sollten. 25 Prozent finden beides gleichermaßen wichtig.

Die Grünen diskutieren im Moment auch deshalb so engagiert über ihr Verständnis von Gerechtigkeit, weil es der Schwerpunkt des kommenden Parteitags ist. Auch in der Steuerpolitik sind die Grünen uneins. Während viele linke Grüne die Wiedereinführung der Vermögensteuer fordern, lehnen viele Realos das ab – und möchten stattdessen die Erbschaftsteuer fairer gestalten. Hier neigt die Basis offenbar eher der linken Position zu.

Die Basisbefragung lässt allerdings nur bedingt Rückschlüsse darauf zu, was die WählerInnen der Grünen unterstützen. Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen dürften relevant sein. Die Mitglieder seien männlicher, urbaner und älter als die WählerInnen, schreibt Kellner in seiner Auswertung – und sie hätten einen höheren Bildungsabschluss. „Gerade für Kampagnen bedeutet das, sich diesen Unterschied immer wieder zu vergegenwärtigen.“

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4 Kommentare

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  • Die Idee eines investierenden Sozialstaat, der primär präventiv funktioniert und Menschen bestraft, die sich nicht ausreichend bilden und qualifizieren, ist eine der Kern-Ideen von Hartz-IV und der Agenda-Philosophie.

     

    Der Nachteil dieses Narrativs ist, dass es gar nicht genug Arbeitsplätze gibt und dass Arbeitslosigkeit ein Zustand der Permanenz geworden ist. Auch gut-ausgebildete Menschen, die sich konform zu dieser Idee verhalten, können arbeitslos und arm werden. Dann fehlt ihnen aber die soziale Sicherheit, weil die per Hartz-IV abgeschafft wurde und die Armen/Arbeitslosen dort stetig unter Druck gesetzt werden, aber nicht gefördert werden.

     

    Für mich riecht das ziemlich schlecht durchdacht, was die Grünen da machen: Das eine geht nicht mit dem anderen. Die Idee eines präventiven Sozialstaates funktioniert nur per Sanktion und Druck auf Arme und Arbeitslose - diese Gruppen werden dann mit Disziplinartechniken in Schach gehalten, auch damit sie nicht Forderungen nach Gerechtigkeit stellen.

     

    Der Präventionsgedanke ersetzt m.M. auch den Hilfegedanken - also einfach armen, arbeitslosen Menschen zu helfen, wird ersetzt durch: Du bist arbeitslos, was hast Du falsch gemacht und wie kannst Du sofort wieder arbeiten (auch mit massiven Nachteilen für Dich, aber toll für die Staatskasse).

     

    Und wie sieht Prävention am Ende aus: Die Kinder gehen zur Ganztagsschule und lernen mehr, aber nur die, welche die bürgerlichen Spielregeln frühzeitig lernen und sich entsprechend verhalten können. Wer kein Geld für Nachhilfe hat, zuhause gar nicht Deutsch gesprochen wird, diese Menschen sacken sofort ab, egal, ob deren Eltern sich bilden wollen oder arbeiten. Von Prävention kann doch gar keine Rede sein, wenn das Bildungssystem so einen starken Selektionsdruck direkt umsetzt.

  • Sozialtransfers von Gehältern oberhalb von Besoldungsgruppe A13 darf man vermuten.

  • Die Schere zwischen arm und reich klafft Jahr für Jahr weiter auseinander. Ja, wir führen einen Klassenkampf, und zwar den Kampf Oben gegen Unten, gibt Starinvestor Warren Buffet unumwunden zu.

    Daher, aber nicht nur daher, halte ich als Mitglied der grünen Partei die Wiedereinführung der Vermögenssteuer für unumgänglich.

    • @Michael Heinen-Anders:

      Vermögenssteuer ist zunächst eine "besonders teure und ineffiziente Steuer“ laut Schäuble und an dessen finanziellen Weitblick kann man doch nicht wirklich zweifeln, oder?

       

      Zudem sollte man nicht die Leistungsträger dieser Gesellschaft härter besteuern, wenn man auf weiteres Wirtschaftswachstum setzt.