Umfrage Grünen-Basis: Sympathie für Umverteilung
Mehr Geld für Schulen oder für Sozialtransfers? Die Grünen-Spitze hat jetzt die 60.000 Mitglieder befragt. Ergebnis: Die Basis will beides.
Viel Geld in Kitas, Schulen und Unis stecken – aber nicht in Umverteilung oder höhere Hartz IV-Sätze: Özdemirs Position teilen viele Realos bei den Grünen. Viele Linksgrüne hingegen wünschen sich beides, mehr Investitionen in Bildung, aber auch mehr Umverteilung des Reichtums von oben nach unten. Der Streit gärt seit Monaten, auf dem Bundesparteitag im November wird er ausgetragen.
Eine Basisbefragung gibt jetzt Hinweise darauf, was sich die rund 60.000 Parteimitglieder wünschen. Ein Fünftel von ihnen füllte einen vom Vorstand formulierten Fragebogen online aus, die Berliner Grünen-Zentrale fasste die Ergebnisse zusammen, die der taz vorliegen.
Die wichtigste Erkenntnis lautet: Die Mitglieder möchten beides. Sie signalisieren hohe Zustimmung, wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht, aber eben auch in Verteilungsfragen. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagt: „Die Ergebnisse zeigen, dass wir diese Themen im Bundestagswahlkampf nicht gegeneinander ausspielen sollten.“
Rente auf letztem Platz
Der Vorstand wollte zum Beispiel wissen, welchen Aspekt der Gerechtigkeit die Mitglieder am wichtigsten finden. Für 32 Prozent der Befragten ist ein gutes Bildungssystem entscheidend, das allen Kindern gleiche Chancen gibt. 24 Prozent wünschen sich eine faire Gesellschaft, die niemanden ausgrenzt. Und 21 Prozent wollen eine gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen.
Die drei Themen liegen also recht dicht beeinander. Dies zeige, dass die Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Abwägung der Aspekte zueinander „eine wichtige Rolle einnimmt“, glaubt Kellner, der dem linken Flügel zugerechnet wird. Weit abgeschlagen landeten bei der Basis zum Beispiel ein gutes Gesundheitssystem (5 Prozent) oder eine sichere Rente (4 Prozent).
Das Ergebnis ist auch deshalb interessant, weil manche Grüne hauptsächlich die Steuerpolitik für das schlechte Wahlergebnis 2013 verantwortlich machen. Damals forderte die Ökopartei mit einem moderat linken Programm mehr Umverteilung. Zumindest die Parteibasis ist offenbar trotzdem von der Notwendigkeit solcher Maßnahmen überzeugt.
So halten etwa 90 Prozent der Befragten es für ein „sehr großes“ oder „großes“ Problem, dass die Spaltung zwischen Arm und Reich wächst. Diese Ungerechtigkeit ärgert die Grünen-Mitglieder auch am meisten. 32 Prozent der Befragten werteten die Spaltung zwischen Arm und Reich als wichtigstes Problem, während 26 Prozent am meisten das Problem bewegte, dass Bildungsschancen von der Herkunft und dem Geldbeutel abhängen.
23 Prozent für Vermögensteuer
Dazu passt, dass die Wiedereinführung einer Vermögensteuer bei den Mitgliedern viel Sympathie genießt. Gefragt, welche beiden Maßnahmen sie am wichtigsten fänden, gaben 23 Prozent der Mitglieder die Vermögensteuer an, während 12 Prozent eine Reform der Erbschaftsteuer bevorzugten. 29 Prozent fanden Investitionen in Kitas oder Schulen am wichtigsten.
Hier gewinnt die Bildung also. Auch an anderen Stellen der Studie ist das der Fall, die Ergebnisse lassen sich also mehrdeutig lesen und interpretieren. So geben zum Beispiel 69 Prozent der Befragten an, die Grünen müssten sich vor allem auf die Finanzierung öffentlicher Einrichtungen wie Kitas konzentrieren. Nur 5 Prozent finden, dass direkte Geldleistungen wie das Kindergeld im Zentrum stehen sollten. 25 Prozent finden beides gleichermaßen wichtig.
Die Grünen diskutieren im Moment auch deshalb so engagiert über ihr Verständnis von Gerechtigkeit, weil es der Schwerpunkt des kommenden Parteitags ist. Auch in der Steuerpolitik sind die Grünen uneins. Während viele linke Grüne die Wiedereinführung der Vermögensteuer fordern, lehnen viele Realos das ab – und möchten stattdessen die Erbschaftsteuer fairer gestalten. Hier neigt die Basis offenbar eher der linken Position zu.
Die Basisbefragung lässt allerdings nur bedingt Rückschlüsse darauf zu, was die WählerInnen der Grünen unterstützen. Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen dürften relevant sein. Die Mitglieder seien männlicher, urbaner und älter als die WählerInnen, schreibt Kellner in seiner Auswertung – und sie hätten einen höheren Bildungsabschluss. „Gerade für Kampagnen bedeutet das, sich diesen Unterschied immer wieder zu vergegenwärtigen.“
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