Umbettung des Diktators Franco: Das Ende einer Kultstätte
Am Donnerstag wurde der Leichnam des spanischen Diktators Franco umgebettet – von einer monumentalen Gedenkstätte zu einem kleinem Friedhof.
Es war der Auftakt der Überführung der sterblichen Überreste des Generals, der Spanien fast 40 Jahre mit eiserner Hand regierte, per Hubschrauber aus der monumentalen Gedenkstätte in den Bergen nördlich der spanischen Hauptstadt auf den kleinen Friedhof Mingorrubio 15 Kilometer außerhalb Madrids. Fortan wird Franco neben seiner Frau Carmen Polo ruhen.
Trotz Sonderprogrammen auf allen Kanälen bekamen die Spanier wenig von dem Ereignis zu sehen, das seit Monaten die politische Debatte bestimmt. Auf das Gelände des Valle de los Caídos durften nur das staatliche Fernsehen TVE und die Nachrichtenagentur EFE. Der Rest der Reporter musste an der Einfahrt, sechs Kilometer entfernt, Platz nehmen. Auch in Mingorrubio musste die Presse draußen bleiben. Sowohl die Anhebung der 1,5 Tonnen schweren Grabplatte vor dem Altar der Basilika im Valle de los Caídos als auch die erneute Beisetzung in der Familiengruft fanden hinter verschlossener Tür statt.
Vor Ort waren nur 22 Angehörige Francos, die spanische Justizministerin Dolores Delgado als Notarin sowie die Arbeiter. Nur zwei Familienmitglieder durften der Exhumierung direkt beiwohnen. Der Prior des Benediktinerklosters im Valle de los Caídos sowie der Sohn des Putschistenführers Antonio Tejero, der sechs Jahre nach Francos Tod am 23. Februar 1981 der jungen Demokratie ein Ende setzen wollte, waren für die religiöse Zeremonie zuständig. Handys und Kameras waren verboten.
Rechtsradikale feiern Franco
Vor der Einfahrt zum Tal versammelten sich Dutzende Rechtsradikale. „Franco lebt!“ stand auf ihren Transparenten. Bei den Arbeitern, die die Grabplatte entfernten, gingen in den letzten Tagen immer wieder Drohanrufe ein. Ihre Telefonnummern und Fotos ihrer Fahrzeuge geistern durch die sozialen Netzwerke. Über 16 Monate hatten die Enkel Francos alles versucht, um die im Juni 2018 von der sozialistischen Regierung unter Ministerpräsident Pedro Sánchez angeordnete und vom Parlament abgesegnete Verlegung zu verhindern. Sie verloren jedoch vor allen Instanzen.
Die von 14.000 politischen Gefangenen ab 1940 in den Fels getriebene 260 Meter lange Basilika wurde 1959 eingeweiht und seither auf Staatskosten unterhalten. Ein 153 Meter hohes steinernes Kreuz überragt den Komplex. Franco ließ dort über 34.000 Gefallene beider Lager des spanischen Bürgerkrieges, darunter den Gründer der faschistischen Falange, José Antonio Primo de Rivera, „im Zeichen der Aussöhnung“ beerdigen. Die Familien derer, die die Demokratie gegen den Franco-Putsch verteidigt hatten, wurden nie gefragt. Ein Drittel ist nicht einmal identifiziert.
Spaniens radikale Rechte verliert mit dem Abtransport des Diktators eine in Europa einzigartige Kultstätte. Rund 400.000 Menschen pro Jahr besuchten bisher das Tal der Gefallenen. Jedes Jahr kamen am Todestag des Diktators Tausende in die Basilika. Die Benediktinermönche und ihr Prior unterstützen den Diktatorenkult Sonntag für Sonntag in gut besuchten Messen.
Verschwiegenes Mingorrubio
Der Friedhof von Mingorrubio hingegen wird bisher kaum besucht, obwohl hier ein Großteil der Würdenträger der Diktatur begraben liegen. So etwa der 1973 von der baskischen Separatistenorganisation ETA ermordete Admiral Carrero Blanco oder der letzte Ministerpräsident der Diktatur, Carlos Navarro Arias, der allen durch seine Fernsehansprache am 20. November 1975 in Erinnerung ist. „Spanier, Franco ist gestorben“, erklärte er mit Tränen in den Augen. Bei so manchem knallten in jenem Augenblick die Sektkorken.
Sicher nicht in der Kolonie Mingorrubio gleich neben dem Friedhof. Sie wurde in den 1950er Jahren mitten im Wald „Monte de El Pardo“ für die Familien von Francos Leibgardisten gebaut. Franco lebte im Naturschutzgebiet in einem Palast unweit von Armee- und Polizeikasernen, die spanische Königsfamilie hat bis heute in einem anderen Prunkbau ihre Residenz.
„Wir haben beschlossen, nicht zu reden. Wir haben Kunden beider Seiten“, erklärt der Wirt der einzigen Kneipe in der Siedlung mit weniger als 1.000 Einwohnern. Fahrräder stehen unabgeschlossen vor den Häusern, Stühle auf den Terrassen; undenkbar in der nur 15 Autominuten entfernten Stadt. Die wenigen Menschen, die trotz des kalten Herbsttages auf der Waffen-, Heldentums- oder Bataillonsstraße anzutreffen sind, legen einen Schritt zu, sobald sie auf die Beisetzung angesprochen werden.
Dann bleibt doch noch eine Frau stehen und nennt gar ihren Vornamen: Miriam. „Ich bin hier aufgewachsen“, erklärt die Krankenhausangestellte. „Mein Vater kam aus einer armen Region und trat nach dem Militärdienst der Franco-Garde bei. Er wollte eigentlich nach Frankreich auswandern“, erzählt die 52-Jährige. Sie fürchtet jetzt um die Ruhe in dem „paradiesischen Ort“. „Ich hoffe, dass es nicht zu Aufmärschen beider Seiten kommt“, erklärt sie. Zumindest bei der Beisetzung sollten sich ihre Befürchtungen bestätigen. Hunderte Franquisten versammelten sich an der Polizeisperre, wenige Meter weiter unten.
„Von der Natur überwuchern lassen“
„Wir wollen keine Diskussionen über das Thema“, erklärt eine andere Anwohnerin. Die gutnachbarlichen Beziehungen könnten darunter leiden, meint die Frau, die vor ein paar Jahren zugezogen ist. Zwar wählt hier nur jeder vierte links, doch Mingorrubio ist längst nicht mehr so einfarbig, wie es einmal war.
Reden, das ist genau das, was Emilio Silva will. „Es ist die Gelegenheit, nachzudenken, wie dieses Land über 40 Jahre gelebt hat. Es ging großzügig mit der Diktatur um und war gleichzeitig ungerecht mit deren Opfern. Sie erhielten nie die Anerkennung, die sie für den Kampf für die Rückkehr zur Demokratie verdient haben“, erklärt der Vorsitzende der Vereinigung zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung (ARMH). Nach wie vor liegen über 100.000 Opfer der Franco-Diktatur irgendwo verscharrt, ohne dass ihre Familien die nötige Unterstützung vonseiten der Behörden hätten, sie zu suchen und ordentlich beizusetzen.
Regierungschef Sánchez kündigte in einer Ansprache an, dass das Valle de los Caídos künftig „ein Ort der Erinnerung an den Schmerz und zur Ehrung der Opfer des Hasses“ sein wird. Das wird keine leichte Aufgabe angesichts der Symbolkraft der Basilika.
Als erster Schritt müsste das angegliederte Benediktinerkloster geschlossen werden. Im Rahmen der Sondersendungen kamen immer wieder verschiedene Historiker zu Wort. Die Vorschläge reichten von einem Dokumentationszentrum mit didaktischen Führungen bis hin zu „von der Natur überwuchern lassen“.
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