Ultras von Hoffenheim: Tumult bei den Graumäusigen
Bei der TSG 1899 Hoffenheim finden Grabenkämpfe statt – und die dünn besetzte Ultraszene bezieht Stellung. Am Montag könnte es zum Showdown kommen.
Bei der personell überschaubaren Hoffenheimer Ultraszene, die am vergangenen Wochenende durch einen 90-minütigen Stimmungsboykott beim Spiel gegen den Aufsteiger Holstein Kiel (3:2, drei Tore von Ewig-Hoffenheimer Andrej Kramaric) auf sich aufmerksam machte, ist das anders. Auch die Anfrage der taz bei den „Young Boyz 07“ blieb unbeantwortet.
Wie das zur Klage auf einem anderen Transparent passt, wonach die Vereinsseite die Medien „instrumentalisiere“, ist unklar. Manche Kollegen hätten sich liebend gerne auch von der anderen Seite „instrumentalisieren“ lassen. Man nennt so etwas „Recherche“.
Die wiederum hat auf anderen Wegen ergeben, dass die Hoffenheimer Fans die Entlassung des sportlichen Leiters Alexander Rosen vor rund einem Monat kritisieren. Den sahen nicht nur sie als Gegengewicht zu manchem Einflüsterer des mächtigen Mäzens Dietmar Hopp. Das Transparent mit der poetisch anmutenden Aufschrift „Disteln sind dem Esel lieber als Rosen“ durfte man so interpretieren.
Die Befürchtung, dass bei der TSG künftig Menschen ans Ruder kommen, deren Loyalität zu Hopp sehr weit oben im Anforderungsprofil steht, haben nicht nur die Ultras. Ebenso wenig wie ihre Gegnerschaft zu Spielerberater Roger Wittmann („Rogon“), den Hopp einen „Freund“ nennt und der in den vergangenen Jahren gut an der TSG verdient hat. „Vetternwirtschaft“ geißelte dann auch ein anderes Fan-Transparent.
Anonymer Gegenkandidat
Auch der geschasste Rosen soll die Liaison mit Rogon kritisch gesehen haben und wünschte nun am Mittwoch in einer Wortmeldung „vor allem Rino“ (Trainer Pellegrino Matarazzo; Anm. d. Red.), „der Mannschaft und den vielen großartigen Mitarbeitern alles erdenklich Gute für die bevorstehenden Herausforderungen“. Auch Hopp selbst erwähnt Rosen positiv und belässt es ansonsten bei dem Satz, er blicke „mit einer gewissen Sorge auf die aktuellen Entwicklungen“.
Das dürfte auch für den erwähnten Trainer gelten. Denn Pellegrino Matarazzo hat in Rosen seinen größten (und einzigen) Fürsprecher in der Chefetage verloren. Warum er so wenig Rückhalt hat, ist wie so vieles bei der TSG nebulös. In der vergangenen Saison erreichte Matarazzo jedenfalls Platz sieben mit einer Mannschaft, die definitiv nicht mehr hergab.
Rosen selbst war bei der TSG auch bei vielen Fans auf den Sitzplatztribünen anerkannt, nicht zuletzt, weil er einem allgemein als graumäusig wahrgenommenen Klub ein Gesicht gab. Auch der ehemalige Präsident Kristian Baumgärtner, der Anfang Juni angeblich aus „gesundheitlichen Gründen“ sein Amt zur Verfügung stellte, stand auf Rosens Seite.
Wie stark das Lager derjenigen ist, die im Klub gerne etwas mehr an Meinungsvielfalt sähen, ist schwer einzuschätzen. Das Gros der TSG-Fans dürfte am Samstag nicht aus Solidarität mit den Ultras geschwiegen haben, sondern weil sie es gewohnt sind, dass die Stimmung in der Arena von den Damen und Herren auf den billigen Plätzen hinterm Tor besorgt wird.
Die Dankbarkeit gegenüber Hopp ist ansonsten groß, auf sie wirkt es ja widersprüchlich, dass Teile der Basis gegen einen Mann aufbegehren, ohne den der Klub im Amateurfußball spielen würde.
So oder so: Am kommenden Montag findet die Mitgliederversammlung des Gesamtvereins statt. Bis vor Kurzem war der Sinsheimer Oberbürgermeister Jörg Albrecht einziger Kandidat, nicht eben als Hopp-kritisch bekannt. Nun hat ein Gegenkandidat seine Kandidatur angekündigt, der bislang noch anonym bleiben will.
Keine Überraschung wäre es, wenn der große Unbekannte aus der Fanszene käme. Eine große Überraschung wäre es hingegen, wenn er gegen einen Kandidaten von Hopps Gnaden eine realistische Chance hätte.
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