Ultras kritisieren Werder Bremen: Angespanntes Verhältnis
Nach dem Ordner- und Polizeieinsatz beim Pokalspiel von Werder Bremen gegen Heidenheim haben die Werder-Ultras starken Klärungsbedarf.
Viele Fans wollen sich damit nicht abfinden. Bei den Heimspielen entrollen sie Transparente, auf denen die Beibehaltung des alten Stadionnamens gefordert wird. Ein Banner der Ultragruppe „Wanderers“ mit der Aufschrift „Immobilienhai. Vorsicht. Bissig“ und zwei nach unten zeigenden Pfeilen hängt stets mit Genehmigung des Vereins im Fanblock in der Ostkurve – direkt über der Wohninvest-Loge.
Das war auch am Mittwochabend so, als Werder in der zweiten Pokalhauptrunde gegen den 1. FC Heidenheim kickte und den Zweitligisten in der ersten Halbzeit regelrecht zerlegte. Nach einer halben Stunde, die Bremer führten 3:0, kam es in der Ostkurve zu Tumulten.
Ordner rissen das Transparent ab und entfernten noch ein weiteres. Es gab Rangeleien, behelmte Polizisten drangen in die Blocks vor.
Einige Fans berichteten von Schlagstockeinsätzen der Beamten. „Wir wissen von einigen schweren Verletzungen“, sagte ein Mitglied der Ultra-Gruppe „Infamous Youth“ der taz: „Einem Mann wurde der Arm gebrochen, ein anderer erlitt einen Nasenbeinbruch.“
Infolge der Auseinandersetzungen verließen mehrere Hundert Ultras mit Fahnen und allen übrigen Spruchbändern das Stadion, die Stimmung sackte vorübergehend in den Keller.
Noch während des Spiels twitterte Werder: „Ein genehmigtes Banner wurde heute entgegen der Absprachen an einem nicht genehmigten Ort aufgehangen. Ordner wollten es entfernen und wurden von Werder-Fans attackiert. Ebenso unbeteiligte Besucher … Die Polizei ist daher eingeschritten und hat das Banner entfernt. Wegen dieses Einsatzes kam es zum Boykott von Ultragruppen und zum Teil zum Verlassen des Stadions.“ Nach Darstellung des Vereins hingen dieses und ein weiteres Pro-Weserstadion-Transparent im Bereich der Nord- beziehungsweise Südtribüne.
Die Polizei teilte mit, der Ordnungsdienst des Stadions sei beim Entfernen eines Banners „körperlich angegriffen“ worden. Daraufhin hätten Einsatzkräfte „unterstützend eingegriffen und wurden ebenfalls angegangen“. Im Übrigen seien weder Schlagstöcke noch Pfefferspray zum Einsatz gekommen.
Die „Grün-weiße Hilfe“, die Werderfans bei Problemen mit Polizei und Justiz berät, beurteilt den Vorfall ganz anders. Das Anbringen der beiden Transparente sei für die Ostkurve genehmigt gewesen. Die Blöcke 1 und 53, unter denen die Stoffstücke hingen, zählten laut Stadionplan eindeutig zur Ostkurve – tatsächlich ist der Plan hier aber nicht eindeutig. Vor diesem Hintergrund sei bereits unverständlich, warum die Banner überhaupt entfernt worden seien.
„Es ist keine polizeiliche Aufgabe, das Hausrecht des Vereins oder gar die Interessen eines Stadionsponsors durchzusetzen“, betont die Fan-Hilfe. Entgegen der Darstellung von Polizei und SV Werder sei es zu keinen körperlichen Angriffen gegen Polizei- oder Ordnungskräfte gekommen, „vielmehr wurden einzelne Werder-Fans bei dem Einsatz verletzt und befinden sich teilweise in ärztlicher Behandlung“. Die Reaktion des Vereins, der das Vorgehen der Polizei rechtfertige, sei „sehr enttäuschend“.
Die schärfste Kritik kam am Freitag von „Infamous Youth“. „Das brutale Vorgehen der Polizei ist ein direkter Angriff auf das fanpolitische Engagement der Fanszene und die Meinungsfreiheit in unserem Stadion, den wir nicht unbeantwortet lassen konnten“, erklärte die Gruppe: „Für uns gibt es nichts Schöneres, als in der Kurve zu stehen und unseren SV Werder anzufeuern. Gleichzeitig sind wir keine Dienstleister in Sachen Unterstützung der Mannschaft, die sich alles gefallen lassen.“
Von Werder wollen die Ultras nun wissen, wer den Ordner- und Polizeieinsatz veranlasst hat. Habe sich die Polizei über das Hausrecht des Vereins hinweggesetzt oder wolle die Geschäftsführung den Protesten gegen den Verkauf des Stadionnamens ein Ende setzen?
Auch die Rolle von Wohninvest müsse geklärt werden. Das angespannte Verhältnis zwischen Ultras, Verein und Polizei bleibt angespannt. Die Ankündigung der Polizei, gegen Fans nun Anzeigen zu fertigen, trägt kaum zur Deeskalation bei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!