Ultras bleiben Niedersachsen-Derby fern: 1:0 für Innenministerin
Dem Spiel von Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96 gingen monatelange Fanproteste voraus. Hannovers Ultras kamen nicht. Prompt verlor ihr Team.
Im letzten Aufeinandertreffen der beiden am 14. April in Braunschweig war es von beiden Seiten zu Pyroeinsatz und Böllerwürfen im Minutentakt gekommen, es flogen Raketen aufs Spielfeld und in den heimischen Familienblock. Beim Hinspiel in der Landeshaupstadt am 5. November 2023 hatte es kaum anders ausgesehen, neben den unvermeidlichen Pyros war es von Seiten der Gästefans auch zu schwerem Vandalismus im Stadion gekommen.
Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sah sich spätestens nach dem Rückspiel zum Eingreifen gezwungen und drohte in den Sommermonaten regelmäßig damit, bei künftigen Derbys Gästefans kategorisch auszuschließen. Dies wird in anderen Ländern nach ähnlichen Vorkommnissen bereits praktiziert, zum Beispiel in Spanien und Italien. Im Europapokal ist es mittlerweile sogar üblich.
Die Antwort der aktiven Fanszene ließ nicht lange auf sich warten, in seltener Einigkeit sprach man von „Populismus“ und „Sippenhaft“. Für die Verfehlungen einiger weniger müsse die ganze Gruppe den Kopf hinhalten, kritisierten die Fans.
Die Ultras beider Seiten baten Behrens ein Gespräch an, was diese ablehnte. Sie kündigte gegenüber verschiedenen Medien mehrfach an, dass ab sofort striktere Maßnahmen ergriffen werden sollten, um künftig Exzesse wie in der letzten Saison zu verhindern. Andere deutsche Ultrasgruppen schlossen sich den Hannoveranern und Braunschweigern an, so waren zum Beispiel bei den letzten Spielen des Hamburger SV Banner gegen Behrens und für eine „freie Fankultur“ zu sehen.
Am Ende gab es einen Teilausschluss, statt der üblichen 2.100 Karten für Auswärtsfans wurden 1.260 verkauft, zudem gab es ein Verbot für Choreografien und Blockfahnen. Für die Fanszene war das keine akzeptable Lösung.
Am Tag der Deutschen Einheit protestierten beide Lager in der jeweils anderen Stadt. Rund 900 Hannoveraner zogen am Donnerstagmorgen unter dem Motto „Für eine Fankultur ohne politische Einflussnahme“ mit Bannern wie „Populismus entgegentreten“ friedlich vom Braunschweiger Hauptbahnhof zum Kennedyplatz. Rund 500 Braunschweiger marschierten am Nachmittag durch die Hannoveraner Innenstadt und skandierten vor dem Innenministerium „Wir holen uns das Spiel zurück“. Die Forderung der Fans: „Keine halben Sachen – volles Gästekontingent – Fankultur unverhandelbar“.
Beide Lager gaben an, dass es keinen Austausch zwischen den verfeindeten Gruppen gegeben habe, man sich aber untereinander solidarisch zeige. Die aktive Fanszene aus Hannover kündigte zudem im Vorfeld an, das Spiel komplett zu boykottierten. Das zeigte Wirkung: Normalerweise innerhalb von Minuten ausverkauft, gab es für dieses Derby wenige Tage vor dem Anpfiff noch Tickets für den Gästebereich zu kaufen.
Am Spieltag wirkt die Lage im Stadion fast ein wenig gruselig. Zwar sind die Ränge im Heimbereich gut besucht, aber es gibt keine Trommeln, keine Fahnen, keine koordinierten Gesänge. Im Gästeblock bleiben mehr als die Hälfte der Plätze frei, es fühlt sich einfach nicht nach Derby an. Und so scheint es auch dem Team von Hannover 96 zu gehen. Die Mannschaft, die den Anschluss ans obere Tabellendrittel halten will, wirkt fahrig, wenige Aktionen gelingen.
Ein völlig anderes Bild bietet sich beim Team von Eintracht Braunschweig, das tief im Tabellenkeller steckt, aber wesentlich giftiger und engagierter auftritt und verdient mit 1:0 in die Pause geht. In der zweiten Hälfte wird der Gast etwas stärker, aber Braunschweig behält das Geschehen über weite Strecken im Griff. Das 2:0 von Sebastian Polter wird noch vom Videoschiedsrichter aberkannt, dann gibt es kurz vor Schluss einen Elfmeter, der das 2:0 und den erhofften Derbysieg für das Heimteam bringt.
Von Krawallen rund um das Stadion keine Spur, das Fehlen von Leuchtraketen, die auf dem Rasen landen, scheint auch niemanden großartig zu stören. Insofern ist der Teilausschluss von Gästefans vielleicht als Erfolg zu werten. Als Kollektivstrafen bleibt er jedoch problematisch.
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