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Bayrische SonderrechteEin Vorschlag für die weitere Söderisierung der Union

Wenn die Weltgesamtlage keine seriöse Planung zulässt, hat ein Meister der Unseriosität einen Vorteil. Zeit für CDU und CSU zu fusionieren.

Winterklausur CSU-Landesgruppe Bundestag: Markus Söder (CSU) wartet bei Regen auf den Unions-Kanzlerkandidaten Merz, am 8.1.2025 Foto: Peter Kneffel/dpa

W ar es die Kälte, die Markus Söder ständig ruckartig die Schultern hochziehen ließ, als müsse er die Schulterpolster seines Jacketts wieder an die richtige Stelle bugsieren? Oder macht man das derzeit so auf Tiktok?

Gleich mehrere Pressetermine auf der Halbinsel des Klosters Seeon, wo die CSU-Landesgruppe tagte, bestritt Bayerns bekannter Influencer und Ministerpräsident diese Woche – mal mit, mal ohne den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Zweck davon war, die überwältigende Einigkeit von CDU und CSU zu performen, nachdem Söder das Wahlprogramm der Union in Inhalt und Form zu beträchtlichen Teilen vorgegeben hat.

Schon bei der gemeinsamen Vorstellung des Programms vor Weihnachten fiel auf, wie viele Varianten Söder parat hatte, um der CDU Noten für Betragen und Lernfortschritt zu geben. Über CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann: eine „wirkliche Verstärkung in der CDU“. Über die Partei als Ganzes: „Das ist nicht mehr die Groko-CDU, das ist eine andere, neue CDU, das ist Law and Order.“ Über Merz, der sich nach Söders Vorlagen in immer neuen Schleifen von den Grünen distanzieren darf: Der gemeinsame Kandidat bestätige ja die CSU-Position, „mir gefällt es sehr, sehr gut“.

In Seeon zur Lieferung des Taurus an die ­Ukraine befragt, sagte Söder gnädig: Merz „hat in dieser Frage von uns die völlige Freiheit zu entscheiden.“ Nicht zuletzt braucht so ein Ministerpräsident ja auch Stoff zur Abgrenzung. Das ist natürlich bei den unangenehmeren Fragen der Fall, etwa Krieg, Frieden, Aufrüstung.

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Ein Meister der Unseriosität

Wegen solcher Faktoren lassen sich Merz und Söder wahrscheinlich auch gar nicht von den vielen Fragen nach der Finanzierung ihrer Steuersenkungspläne irritieren. Angesichts der Lage in der Ukraine und in Washington könnten eigentlich alle WahlkämpferInnen versprechen, was sie wollen. Der deutsche Haushalt wird ohnehin für viele, viele Jahre nur noch ein Thema kennen: mehr Milliarden für die Bundeswehr.

Meister der Unseriosität haben durch die Weltlage einen natürlichen Vorteil

Wenn die Weltgesamtlage keine seriöse Planung mehr zulässt, hat ein Meister der Unseriosität einen natürlichen Vorteil. So forderte Markus Söder in Seeon erneut, dass die „Benachteiligung von Bayern“ aufhören müsse. Damit meint er nicht nur den ewig beklagten Länderfinanzausgleich, sondern auch, dass unter der Ampel nur noch ein normal proportionierter Anteil von Subventionen nach Bayern gegangen sein könnte.

Falls man unter Bayern eines von 16 Bundesländern versteht, vermag außer ihm niemand eine Diskriminierung erkennen, noch nicht einmal der Bayerische Rundfunk. Doch bezieht die CSU ihre Existenzberechtigung ja genau aus den Sonderrechten Bayerns: Sie gehören zu den bundesrepublikanischen ­Bizarrerien wie die Aussetzung von Bürgerrechten und öffentlicher Ordnung zu Silvester und nach Fußballspielen, das ungehemmte Rasen oder die Straffreiheit für Straßenblockaden, sofern Bauern dabei sind. Nach derselben Logik gehört die CSU in jede Regierung, damit ihre Minister die Bahn zerstören (die Leut’ sollen BMW fahren!), den Ausbau der Stromnetze sabotieren (kein Strom von norddeutschen Windmühlen!) und generell ein Maximum von jedem Haushaltsposten nach Bayern lenken.

Eigentlich könnte man Markus Söder die Reform des Länderfinanzausgleichs geben, wenn die CSU dafür ihre Sonderregierungsrechte abträte und mit der CDU fusionierte. Für die Republik insgesamt wäre es günstiger. Es müsste natürlich nach einem Plan der CSU aussehen, die Medien müssten von einer „Söderisierung der Union“ berichten. Die Grundlage für diese Erzählung jedenfalls wäre gerade schon da.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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