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Ulf Poschardts Buch „Shitbürgertum“Willst du mein Freund sein?

In „Shitbürgertum“ erklärt Ulf Poschardt einem links-grünen Milieu vulgär den Krieg. Dabei wird deutlich, wie sehr er dieses eigentlich braucht.

Ulf Poschardt, der einsame Sisyphus Foto: Frederic Kern/imago

Berlin taz | Wir müssen uns Ulf Poschardt als einen unglücklichen Menschen vorstellen. Dabei läuft es für ihn nicht schlecht: Kürzlich wurde er vom Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt zum Herausgeber einer ganzen Axel-Springer-Dachmarke befördert. Außerdem hat er mindestens einen teuren Sportwagen und mehrere Bücher, auf denen sein Name steht.

Nur einen Verlag, den hat er aktuell nicht mehr. Mit den „Analysen“ in seinem jüngsten Band mit dem Titel „Shitbürgertum“ stimme man zwar „grundsätzlich“ überein, meinte der Verlag zu Klampen, aber „so“ wolle man das Buch nicht. Nun steht „Printed in Poland by Amazon Fulfillment“ im Einband, der schwache Druck auf den dünnen Seiten sieht billig aus und das anständig designte Cover präsentiert sich im Look and Feel einer studentischen Arbeit frisch vom Copyshop.

Das macht aber nichts, im Gegenteil, denn: Wann kann ein erklärter Porscheliebhaber sich sonst noch wie ein Punk, wann ein viel publizierter Autor noch mal wie eine rebellische, beinahe zensierte Stimme fühlen?

Bislang war es der Gegenstand seines Essays, der Ulf Poschardt den dafür nötigen Widerstand bot: sein Sozialcharakter des „Shitbürgertums“. Wer oder was das ist, bleibt im Buch nicht immer widerspruchsfrei: Mal ist es sächlich, mal weiblich (hätte ein Verlag vielleicht doch gutgetan?), mal eine Art Habitus, dann wieder die SPD, die Grünen und sämtliche Linke gleichermaßen wie Angela Merkel, der Ethikrat oder Günter Grass.

Giorgia Meloni als „Antifa“

Klarer bleibt, wer nicht zum verhassten Milieu gehört: Donald Trump etwa, Elon Musk natürlich, Giorgia Meloni, die laut Poschardt „Antifa“ verkörpere, oder Javier Milei.

Insbesondere das vulgäre Auftreten von Letzterem habe den Autor zu einer inner-ideologischen Reform hin zu mehr politischer Respektlosigkeit inspiriert: „Auch in der eigenen Denkbiographie des Autors ist dieses Büchlein das öffentliche Bekenntnis, endgültig aus dem Selbstverständnis gestolpert zu sein, dass man es mit dem kulturell dominanten Links-/Grün-Bürgertum noch irgendwie hinkriegen könne oder hinkriegen müsse.“

Den theoretischen Überbau für diese politische Konversion hat sich der Autor erarbeitet, durch Lektüre von Friedrich Nietzsches „Zarathustra etwa, den er ausgiebig zitiert, mit Joseph Schumpeter, Ernst Jünger, Martin Heidegger oder bei „South Park“ und „Batman“. Dort fand er Bestätigung für seine Idee, dass links von der eigentlichen Bürgerlichkeit ein Moloch voller scheißliberaler Untertanen liege – staatstreu, angepasst, dekadent und faul.

Die genüsslich Beschimpften seien oft verbeamtet, arbeiteten in Stiftungen, in Politik, Kultur oder der Wissenschaft – je der falschen freilich – und müssen sehr liberal „zerstört“ werden. Auf der anderen Seite der Bürgerlichkeit, die nicht rechts sein soll, gedeihen hingegen Authentizität, Rebellentum und Fleiß.

Er kopiert sich selbst

Wer Poschardts Werk bisher kannte, dem könnte das erstaunlich unfleißig vorkommen. Weite Teile des kurzen Buches entsprechen älteren Veröffentlichungen, zum Teil bis aufs Wort. „Der freie Mensch kann fliegen“, lautet etwa ein Kalenderspruch aus „Mündig“ (2020), und nun: „Ein freier Mensch kann fliegen.“

Ulf Poschardt: „Shitbürgertum“. Selbstverlag 2024, 164 Seiten, 18 Euro

Aber wer braucht Originalität, wenn er performen kann? Nur: Jetzt, da rechte, autoritäre Kräfte in den westlichen Gesellschaften dominant werden und den angespitzten Freiheitsbegriff als Waffe gegen Minderheiten richten; jetzt, da Elon Musk in der Welt zur Wahl der AfD aufruft, lässt sich die Inszenierung als liberaler Widerstandskämpfer gegen einen angeblich linken Mainstream nicht mehr ganz so authentisch aufrechterhalten.

Und irgendwie hat der Autor es doch genossen, sich im Glanze linksintellektueller Rebellion zu bewegen, als „Zögling und langjähriger Nutznießer des Shitbürgertums“, wie er es formuliert.

Orientierung im Widerhall

„Fledermäuse“ nannte ein kluger Kollege solche exlinken Schreibtischrebellen einst, weil sie sich nur im Widerhall orientieren können. Wo das enden kann, ist bekannt: Auch der ehemalige Maoist Matthias Matussek schwor einst feierlich seiner politischen Sozialisation ab und endete in der Fußgängerzone, zusammen mit Rechtsextremen über „Islamisierung“ fabulierend.

Von einer solchen Ideenkarriere trennt Poschardt nicht mehr allzu viel, insbesondere da, wo er die Deportationspläne von Trump und der AfD verharmlost oder „Grünen-Wähler“ als eine „unerschütterlichere Parallelgesellschaft als Menschen muslimischen Glaubens“ bezeichnet.

Eigentlich möchte man ihn doch beglückwünschen, denn nach Jahren des Klagens gegen sein herbeigeschriebenes Feindbild befindet sich Ulf Poschardts politische Wahnvorstellung offenbar auf dem Rückzug. Aber wo Freude sein müsste, jammert es. Es bleibt nichts, als ihn zu bedauern, den einsamen Sisyphus, dem das Abarbeiten an einem immer wiederkehrenden Widerstand so viel Sinn verlieh. Eigentlich war ihm sein Shitbürgertum doch längst ein Freund geworden.

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14 Kommentare

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  • Super Buch, und schon das Vorwort ist eine mehr als treffende Analyse!

  • Ich würde mir wünschen, dass auf die Wiedergabe einer so großen Ablichtung von Herrn Poschardt verzichtet worden wäre, da ich dessen Anblick verstörend und, naja, zum Kotzen finde.

  • Pickelige Musterknaben



    werden leicht zu Zynikern,



    weil sie keine Freunde haben.

  • Aber wenn man ganz ehrlich ist, braucht das Linke Lager auch die FDP. Was wäre die Welt ohne FDP-Bashing? Ohne "Porsche-Fahrer" macht das linke Leben keinen Spaß.

  • Na ja, wie so einige "shitstormbürger", beginnt auch Ulf Porschard sich zu radikalisieren. Vielleicht eine Aufarbeitung seiner Kindheit mit linken Eltern. Man kann an so vielem Anstoß nehmen und die klassische Literatur zur Legitimation heranziehen ... Aber eigentlich wüßte ich nur eines von Herrn Porschard gerne: Zerstört unsere Zivilisation, unsere Art zu Leben, die Lebensgrundlagen von unzähligen Spezies auf unserem Planeten? Einschließlich vielleicht auch der unseren? Ja oder Nein?!

  • Interessanter Werbeslogan des Schreibtischrebellen: "Das Buch, das kein traditioneller Verlag publizieren wollte." Offenbar hat ja nur ein Verlag (gut 40 Jahre am Markt) abgelehnt...

  • Die Sache ist nur die: Außer für irgendwelche Medienblasen ist das Ulf bedeutungslos. Die Relevanz im Alltagsleben liegt weit unterhalb der Bagatellgrenze.

  • Auch, wenn wir auf derselben Plattform Bücher veröffentlichen, auch ich mich manchmal an Sisyphus erinnere, trennen uns doch Welten. Wenn mich mal viel Zeit habe, dann schaue ich mir vielleicht das Buch mal an, weil man von allem etwas lernen kann, auch von Herrn Poschardt, der immerhin eine gesellschaftliche Leitfigur ist, und somit über nicht unerheblichen Einfluss verfügt. Der Titel des Buches begeistert mich nicht, erinnert mich eher einen schnöselhaften Rebellen aus Kindertagen, große Klappe, wenig bis nichts, dahinter. Vielleicht ist es nicht ganz so schlimm, das Buch. Aber nach der Besprechung sind die Befürchtungen groß. Frau Meloni - "Antifa"? - Elon Musk und Donald Trump, als Freiheitskämpfer? Da fragt man sich schon, wieviel Whiskey beim Schreiben des Buches im Spiel war? Nun, es sei dem Ulf gegönnt, dem armen Kerl..., der vielleicht auch zuvor über den Begriff "Geistige Armut" hätte nachdenken können. Ob es auch um Verwahrlosung geht, kann ich nicht behaupten, nur ahnen...

  • Niemand braucht Poschardt. Außer Poschardt.

  • Ulf Poschardt: gestrandet bei der "Welt", weil es für die "SZ" und andere Qualitätsmedien nicht gereicht hat. Deshalb ist er seitdem maximal angepisst und aggro gegen alle, die er irgendwie links von ihm einordnet. Mehr muss man zu der Person eigentlich nicht wissen. Buchkauf unnötig, Geld gespart. Oder doch. Gibt noch was: er hat die Haare schön und setzt hin und wieder eine Brille auf, um schlauer zu wirken. Dazu reicht aber die Google-Bildersuche.

  • Lasst uns den Bach runtergehn, einfach den Bach runtergehn...



    (Heinz-Rudolf Kunze)

  • *Willst du mein Freund sein?*

    Nein Ulf, das möchte ich nicht. Du magst ja auf den ersten Blick sehr sympathisch erscheinen, wer aber mit Donald Trump, Elon Musk, Giorgia Meloni und Javier Milei liebäugelt, von dem halte ich mich besser fern.

    Nun ja, wir kennen Ulf Poschardt. Journalistenschule und Philosophiestudium, da ist der berufliche Weg ja schon vorgezeichnet. Nur wollte Ulf natürlich auch ein Leben haben wo man nichts entbehren muss, wie zum Beispiel einen Porsche und ähnliche sinnlose "Spielzeuge für Männer". Folglich geht man dann natürlich nicht zur taz oder irgendeiner anderen Zeitung, sondern unterzeichnet bei Springer mit einem Tröpfchen Blut.

  • Ich kann auf diesen Artikel nur indirekt reagieren: Wer ist Ulf Poschardt?

  • Poschardt erinnert sowohl inhaltlich als auch vom Duktus an Rumpelstielzchen. Leider kann ich den Mann nicht mehr ernst nehmen. Seine Sottisen sind inhaltlich immer widersprüchlich, und selbst die Garnierung mit Begriffen aus der Bildungssprache kann die intellektuelle Misere nicht kaschieren. Der Mann arbeitet sich an einem Komplex an, der in immerzu beschäftigen zu scheint, den er aber nicht verarbeitet bekommt. Auf jeden Fall sind die „Woken“ (früher „Gutmenschen“) schuld! Leider kommen in seinen Texten auch immer wieder sehr unappetitliche und beleidigende Begriffe vor. Dass der Verlag das Machwerkchen (viele Seiten sind es ja nicht) abgelehnt hat, hätte ihm ja auch zur Reflektion dienen können – aber nein: Ist natürlich eine „Verschwörung“ des Establishment!

    Sein Buch und seine Texte sind populistisch, agitatorisch, polemisch, manichäisch und nicht zuletzt bis aufs gröbste simplifizierend. Den WELT-Lesern gefällt‘s anscheinend.