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Ulf Poschardt über Porsche Cayenne„Ein rollender Hochsicherheitstrakt“

Der Chefredakteur der „Welt“ und Sportwagenfan würde das Ende des Cayenne nicht bedauern. Er betont aber die Freiheit des Konsums.

Eine Trutzburg auf Rädern und mit Dieselmotor Foto: reuters
Interview von Philipp Gessler

taz: Herr Poschardt, Sie haben ein Buch über Sportwagen geschrieben und fahren selbst einen – stimmen Sie zu: Der Porsche Cayenne ist nicht wirklich ein Sportwagen und sieht auch noch scheiße aus?

Ulf Poschardt: Der Cayenne kommt vom Sportwagenhersteller Porsche, ist ein SUV, da kommt ja das Wort „Sport“ vor – aber es ist natürlich kein Sportwagen. Ein Cayenne Turbo S ist trotzdem extrem schnell und versägt viele kleinere und größere Sportwagen auf der Autobahn. Und „scheiße aussehen“ ist ganz schön hart formuliert, kann man aber so sehen. Ich bin überhaupt kein Fan von SUVs.

Welche Sportwagen fahren Sie denn?

Ich fahre klapprige alte, verglichen mit einem Cayenne geradezu winzige 911er von Porsche. Neben einem alten 911er sieht selbst ein VW Beetle oder VW Fox richtig groß aus. Meine Autos sind winzig, leicht und schnell. Das ist das Gegenprinzip.

Aber die alten 911er haben Stil – und das ist bei Sportwagen ja wichtiger als Schnelligkeit, oder?

Ja, Schnelligkeit ist es nicht. Die reinen Zahlen sind längst uninteressant geworden, weil mittlerweile jeder asiatische Mittelklassewagen in der Sportausführung so schnell ist wie früher nur ein Porsche. Aber es geht bei einem richtigen Sportwagen um das Gefühl – und was es mit einem macht. Dazu gehören Geräusch und Gerüche, auch das extrem Unbequeme an diesen alten Autos. Das ist ein ganz anderer Angang an das Thema.

Außerdem: Diesel und Sportwagen/SUV – das ist doch ein Widerspruch in sich, denn Diesel zieht doch gar nicht richtig. Oder liege ich da falsch?

Naja, mit Diesel kriegen Sie mittlerweile auch Le-Mans-taugliche Geschwindigkeiten hin. Aber gesoffen haben SUV oder Geländewagen, wie man früher sagte, ja immer wie verrückt.

Bild: dpa
Im Interview: Ulf Poschardt

Jahrgang 1967. Promovierte über DJ-Kultur. Arbeitete für Süddeutsche, Welt am Sonntag und Vanity Fair. Seit 2016 Chefredakteur der Welt.

Jetzt sieht man ja einige Porsche Cayennes vor Waldorf-Kindergärten mit Ökomuttis, die grün wählen – stimmt das Klischée?

Ab und zu sehe ich SUVs vor Waldorf-Kindergärten – und wie bei allen Klischées ist da ein wahrer Kern dran. Aber das ist ja banal, dass in urbanen, wohlhabenden Gebieten auch grün wählende reiche Menschen mit einem bizarren Lebenswandel leben.

Wenn jetzt die Rückrufaktion für die 22.000 Porsche Cayenne mit Dieselmotor und das gerichtlich bestätigte Fahrverbot in Stuttgart das Ende dieses Models Cayenne einleiten sollten, gerade bei diesem Auto, das ein Symbol ist: Wäre das nicht ein Fortschritt, in ästhetischer, aber natürlich auch in ökologischer Hinsicht?

Ich bin ja ein Freund der Marktwirtschaft und der freien Entscheidung der Menschen. Wir, die wir es gerne leicht und ökologisch korrekt haben, sollten uns fragen, warum so viele Menschen, ja viele Familienmenschen sogar so eine große Verpanzerung und so ein großes Sicherheitsbedürfnis haben. Das ist ja ein Trutzburg, ein rollender Hochsicherheitstrakt. Solange das Bedürfnis nach so etwas, einer physischen Überlegenheitsgeste durch Blech, als Hülle und Stärke, da ist, werden diese Autos bleiben. Solche Autos müssen allerdings nicht mit Diesel oder Benzin angetrieben werden. Porsche hat ja neulich angekündigt, dass man das Modell Macan ab 2019 nur noch als Elektrowagen wird kaufen können.

Und ein Cayenne mit E-Antrieb wäre das dann wieder cool?

Cool finde ich SUVs überhaupt nicht. Die große Frage beim E-Antrieb – darauf kann ich alle Simone Peters dieser Welt nur immer hinweisen – ist ja, ob der Strom dann nicht von einem Kohlekraftwerk kommt. Denn dann ist die Ökobilanz noch viel beschissener als mit jedem Diesel dieser Welt. Ziemlich sinnvoll ist schon, dass alle Wagen einen Elektroantrieb haben. Aber ich habe mal gehört, dass Berlin bisher nur die Stromversorgung für 6.000 E-Wagen bewerkstelligen kann. Aber unsere Hauptstadt kriegt das ja mit ihrer ausgewiesenen Brillanz in Sachen Infrastruktur bestimmt hin.

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10 Kommentare

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  • Was ist denn in die taz gefahren, dass sie sich mit einem neoliberalen Herrn Poschardt über PORSCHE unterhält? Die Fa. Porsche wäre bestimmt auch ein guter Anzeigenkunde..... . Prosit Neujahr

  • Immer das SUV Bashing... Die Autos waren erst gross und wurden dann, im Zuge der Massenmotorisierung, zu Schrumpfausgaben.

     

    Selbst in den guten alten Ford T-Modell konnte man noch aufrecht und mit etwas Würde einsteigen. In eine Isetta, auch in einen Käfer passten dann vielleicht kriegsausgemergelte Leute hinein.

     

    Wir alle sind seitdem nicht nur dicker, sondern auch grösser geworden. Ein Käfer-Erstkäufer 1956 ist 8 Zentimeter kleiner gewesen als ein Auto-Erstkäufer im gleichen Alter heute.

     

    Der Standard-Autofahrer (Normfahrer) wird mit 75 kg angegeben. Der deutsche Durchschnittsmann (Teenager aussen vor) wiegt hingen etwa 1/6 mehr, ungefähr 86 kg.

     

    Fazit: *Natürlich* kommen die Autos zurück in Proportionen, die ein einigermassen aufrechtes Sitzen (statt halbem Liegen) ermöglichen.

    • @TurboPorter:

      kennen sie schon das modell fahrrad? irre geil, unendlich viel platz nach oben

  • Land Rover Defender? Pff...Spießer! Wer in Wald oder Wüste will nimmt den Mercedes Wolf und trägt beim Fahren Flecktarn, so muß das! ;-)

  • Es wird höchste Zeit, dass automobile Missgeburten wie der Cayenne von den Straßen verschwinden, ebenso wie die Nachahmerprodukte von BMW, Mercedes und VW! Wenn ich auf dem örtlichen Rewe-Parkplatz diese unförmigen Riesenautos umeinander kübeln sehe, oft gelenkt von winzigen Mädchen, die kaum über das Armaturenbrett gucken können, bekomme ich es regelmäßig mit der Angst zu tun: sieht sie mich noch oder werde ich über den Haufen gemangelt? Und überhaupt: wozu ist ein SUV (in Anbetracht des Spritverbrauchs eher SUFF) eigentlich nütze? Wirklich geländegängig sind die wenigsten, viele haben ja nicht einmal Allradantrieb - wer ernsthaft Waldwege oder Wüstenpisten befahren will, kauft sich einen Land Rover Defender. Geräumiger als 08/15-Autos sind die Dinger auch nicht - wie auch, wenn der üppige Seitenaufprallschutz seinen Tribut an Platz fordert? Das einzige Argument, was mir einleuchtet, ist die größere Kopffreiheit beim Einsteigen (heutige Limousinen oder Coupés sind da wirklich eine Qual!) - aber das kann man mit jedem Kleinbus haben, der hat außerdem den Vorteil, wesentlich vielseitiger verwendbar zu sein als so ein XXXL-Rollator! Und, nein, mit ökologisch einwandfreiem Elektroantrieb würde das auch kaum besser werden - SUVs sind einfach grobschlächtige Arroganz in Blech.

    • @Yadgar:

      "Geräumiger als 08/15-Autos sind die Dinger auch nicht "

      Das stimmt nicht. Viele Besitzer dieser Dinger bringen darin ihre Surfbretter, ihre Golfausrüstung oder andere raumgreifende Sportausrüstung unter.

      Und die erwähnten Öko-affinen Familien fahren mit ihren auch erwachsenen Kindern in den Urlaub. Eine mir befreundete Familie mit 4 Kindern fuhr vor kurzem mit ihrem Riesen-Volvo (Siebensitzer) nach Italien (älteste Tochter ist 21).

       

      Für diese Art Auto gibt es einen echten und ernsthaften Bedarf.

  • Grundsätzlich stimme ich dem Herrn Poschardt ja zu, aber immer noch hört man diese dubiose, oft unrichtige Kritik am E-Auto, auch bei ihm. Denn reden wir nicht von der schlechten Möglichkeit - Strom aus Kohlekraft - sondern sorgen einfach dafür, dass dieser Strom von Wind, Sonne und Meer kommt, ok? Lasst uns doch endlich vorwärts schauen und nicht kritisieren, was sowieso weg nuss.

  • Es gibt vielleicht 3-5 Menschen auf der Welt deren Anblick in mir fast automatisch Aggressionsgefühle auslöst.

    Dabei sieht er mir zufriedener und weniger gehetzt als z.B. Kai Diekmann aus - dann wird bei ihm wahrscheinlich das Klischee des Porschefahrers nicht ganz zutreffen...

  • der letzte Satz gefällt mir besonders gut, Berlin hat es verdient, verspottet zu werden.

    • @Dr. McSchreck:

      bis auf ein paar wenige hinlaengliche ausnahmen haben fast alle deutschen staedte und auch ganz deutschland es verdient, in bezug auf die infrastruktur verspottet zu werden, da macht berlin nun echt nicht die grosse ausnahme.

      kennen sie die geschichte von dem dorf in schleswig-holstein, die einen fahrradweg haben wollen, weil sie keine lust mehr haben, auf der engen landstrasse bei tempo 70 oder 100 oder 130 umgnietet zu werden, geschweige denn ihre grossen kinder dort fahren zu lassen? wurde nach endlosem kampf abgelehnt, weil ´ja sonst jeder ankommt und einen radweg haben will´ - geiles deutschland, oder? wer kein auto hat, der bleibt eben zuhause hocken in seinem kaff http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/Der-Fahrradkrieg-Kampf-um-die-Strassen,sendung631726.html