Ukrainische Goldmedaille im Hochsprung: Den Druck weglächeln

Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich feiert ihre Goldmedaille auch als einen politischen Sieg. Die russische Invasion hat sie hautnah miterlebt.

Jaroslawa Mahutschich mit ukrainischer Fahne.

Jaroslawa Mahutschich feiert ihre Goldmedaille im Hochsprung in Paris Foto: Dylan Martinez/reuters

Da ist die pure Freude. Die muss ja raus, wenn man gerade Olympiasiegerin geworden ist wie Jaroslawa Mahutschich. Und da ist der bittere Ernst, den sie bei keinem ihrer zahlreichen Siegerinneninterviews ausstrahlt. Kein Wunder, dass es bei der 22-Jährigen, die am Sonntagabend die zweite Goldmedaille für die Ukraine bei diesen Spielen gewonnen hat, besonders lange gedauert hat, bis sie endlich alle Journalisten bedient hatte.

Die 100-Meter-Läufer, die sonst alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn sie ihr großes Finale gelaufen haben, waren viel schneller an den Medienschaffenden vorbeigezogen als Mahutschich. Im Gegensatz zu denen hatte Mahutschich zwei Themenfelder zu bedienen, über die sie ausgefragt wurde: zum einen ihren Erfolg als Hochspringerin und zum anderen die Ukraine im Krieg.

Gold geholt hatte sie nach einem engen Wettkampf mit übersprungenen 2,00 Metern. Über diese Höhe hat es auch die Australierin Nicola Olyslagers geschafft, aber mehr Versuche dafür gebraucht. „Meine Trainerin hat mir gesagt, ich solle nur ja alle Höhen im ersten Versuch überspringen, sonst könnte es eng werden. Sie hat recht gehabt“, sagte sie, als wäre es das leichteste der Welt gewesen, diesen nun wahrlich nicht originellen Tipp umzusetzen.

„Ich wollte Atmosphäre genießen“

Aber so ist es vielleicht bei einer, der derzeit alles gelingt. Sie ist Weltmeisterin, Europameisterin, jeweils im Freien und in der Halle, und seit einem Monat ist sie auch Weltrekordhalterin. Im Juli hatte sie 2,10 Meter übersprungen. Was soll da noch kommen? „Only the sky is the limit“, sagte sie und lächelte. Gelächelt hat sie auch im Wettkampf vor jedem Sprung. „Ich wollte einfach die Atmosphäre genießen, mich über die Olympischen Spiele freuen.“

Mahutschich musste zwei Themenfelder bedienen. Sie musste Auskunft zu ihrem Erfolg als Hochspringerin und zum Krieg in der Ukraine geben.

Vielleicht hat sie ja den Druck, unter den sie sich selbst gesetzt hat, einfach weggelächelt. Denn nichts weniger als die Goldmedaille zu gewinnen, hatte sie sich vorgenommen. Als Akt des Kampfs gegen die russischen Aggressoren hatte sie das bezeichnet. Wie sich Krieg anfühlt, hat Mahutschich schon am ersten Tag der russischen Invasion zu spüren bekommen.

Mitten in der Nacht wurde sie vom Bombenlärm geweckt und beschloss kurz darauf, im Auto mit ihrer Trainerin aus Dnipro zu fliehen. Ihr Ziel war auch ein sportliches. Die Hallen-EM in Belgrad im März 2022, die sie dann tatsächlich gewonnen hat. Sie weiß, dass sie gehört wird, wenn sie gewinnt. Ihre Botschaft war auch diesmal eindeutig. „Es ist ein Sieg für unser Land.“

Als Olympiasiegerin folgt sie nun auf die Russin Marija Lassizkene. Die beiden hatten in Tokio für ein Sportfoto gesorgt, das schnell als ikonisch bezeichnet wurde. Gemeinsam haben sie für die Kameras posiert, die eine mit ukrainischer Flagge, die andere mit der Flagge des russischen Teams. Nach Kriegsbeginn gab es keinen Kontakt mehr zwischen den beiden und bei Mahutschich kein Mitgefühl dafür, dass die Russin seither nicht mehr starten darf. „Ich will keine Mörder auf der Laufbahn sehen“, sagte sie bei der WM im Sommer 2022 in Eugene. Auch nach ihrem Olympiasieg wies sie auf die fast 500 im Krieg gestorbenen ukrainischen Sportler hin. Auf Lassizkene angesprochen fiel die Antwort kurz und klar aus: „Kein Thema!“

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