Ukrainische Flüchtlinge auf der Krim: Angefeindet von beiden Seiten

Viele Ukrainer sind mangels Alternativen nach Russland geflohen. Zum Unmut anderer Ukrainer, aber auch vieler Russen. Unterstützung gibt es kaum.

Personen vor einem zerstörten Haus

Menschen im ostukrainischen Bakhmut vor ihrer Evakuierung Foto: Marko Djurica/reuters

Viele Menschen, die aus der Ukraine nach Russland kommen, sind in einer schrecklichen Lage: Ihre Häuser und Wohnungen wurden durch Raketenangriffe zerstört, und sie sind geflohen, irgendwohin, einfach, um ihr nacktes Leben zu retten. Viele von ihnen hatten keine Möglichkeit, innerhalb der Ukraine oder in den Westen zu fliehen. In Russland angekommen, sind diese Menschen nicht nur mit den bürokratischen Abläufen eines ihnen unbekannten Landes konfrontiert, sondern auch mit einer nicht eindeutigen Haltung vieler Russen zu ihrer großen Not.

Schon vor einigen Monaten habe ich erfahren, dass Menschen, die aus dem Gebiet Donezk fliehen mussten, auf die Krim gekommen sind. Dort befinden nach offiziellen Angaben 4.788 Geflüchtete aus den von Russland anerkannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk und aus der Ukraine.

544 von ihnen leben in der Stadt Sewastopol, dem Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte. Menschen, die humanitäre Hilfe leisten, berichten von erheblichen Schwierigkeiten. Die staatlichen Hilfsstellen seien so eingerichtet, dass sie Lebensmittel nur an diejenigen verteilen, die sie selbst abholen können. Essen gebe es dort aber nur unregelmäßig.

In Chats wird täglich darüber diskutiert, ob und wo Essen ausgegeben wird und wo man Hilfe und Unterstützung bekommen kann. Das klingt dann so:

Чтобы как можно больше людей смогли прочитать о последствиях войны в Украине, taz также опубликовал этот текст на русском языке: here.

Igor: „Wir kommen aus Mariupol. Wir sind zu fünft: Oma, Opa, die sechsjährige Tochter, meine Frau und ich (Ehemann). Wir brauchen humanitäre Hilfe.“

Tatjana: „Hat jemand die Telefonnummer vom Immigrationsdienst, Abteilung für die Arbeit mit Flüchtlingen? Mein Kind ist krank geworden (wir haben eine onkologische Diagnose erhalten).“

Swetlana: „Ich bin mit zwei Kindern aus dem Gebiet Donezk gekommen. Vielleicht hat jemand einen einfachen Wasserkocher, 2–3-Liter-Kochtöpfe und eine Bratpfanne (am liebsten mit Deckel)“.

Viele Russen bringen nur wenig Verständnis für die Unterstützung dieser Menschen auf. Stattdessen fordern sie, die Flüchtlinge sollten in ihrer verzweifelten Situationen klar und deutlich ihre politischen Meinungen äußern. Ukrainer fordern sie auf, dass sie schnellstens von der Krim in ein EU-Land reisen sollten (obwohl viele von ihnen diese Möglichkeit gar nicht haben und es nicht einmal jemanden gibt, der solche Fahrten organisiert). Sie werden als Verräter gebrandmarkt, weil sie, um ihr Leben zu retten, auf die Krim gekommen sind und nicht etwa nach Berlin.

Niemand hat sich Gedanken über die Ethik solcher Forderungen gemacht oder gar über die Botschaften, die damit bei verzweifelten Menschen ankommen.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.

Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA im September heraus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

die Autorin arbeitet als Journalistin in Moskau. Sie war Teilnehmerin eines Osteuropa-Workshops der taz Panter Stiftung.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

Diese Kolumne ist nur möglich dank Ihrer finanziellen Hilfe. Spenden Sie der taz Panter Stiftung und sorgen Sie damit für unabhängige Berichterstattung von Jour­na­lis­t:in­nen vor Ort.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.