Überziehungskredite sind zu teuer: Aigner schimpft über hohe Dispozinsen
Eine Studie wirft den Banken Abzocke bei den Dispozinsen vor. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner lehnt gesetzliche Zinsobergrenzen ab – mit einem obskuren Argument.
BERLIN taz | Bisher waren Banken um keine Ausrede verlegen, wenn es darum ging, ihre hohen Zinssätze für Dispokredite zu rechtfertigen: Wegen der kurzfristigen Nutzbarkeit seien sie besonders aufwendig zu verwalten, wegen ihrer breiten Nutzung sei das Ausfallrisiko besonders hoch. Beide Argumente haben Wissenschaftler jetzt widerlegt.
Eine Studie im Auftrag von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) ergab, dass die Ausfallquote bei Dispokrediten mit 0,3 Prozent deutlich geringer ist als etwa bei den wesentlich günstigeren Konsumentenkrediten. Von denen werden 2,5 Prozent nicht mehr zurückbezahlt, schreiben die Autoren vom Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen (iff) und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Weil die Vergabe und Abrechnung meist automatisch erfolge, sei auch der Bearbeitungsaufwand für die Banken nicht besonders hoch. Zumindest sei nicht plausibel, dass er sich in den letzten Jahren gesteigert habe.
Nur so aber wären die hohen Dispozinsen zu begründen. Denn die Kosten, zu denen sich die Banken selbst mit Geld versorgen, sind im Zuge der Finanzkrise deutlich gesunken. Der sogenannte Drei-Monats-Euribor-Satz, der oft als Referenzkurs genutzt wird, fiel seit 2007 von fünf auf 0,5 Prozent.
Die Dispozinsen sanken im gleichen Zeitraum im Schnitt nur leicht von zwölf auf 10,5 Prozent. Es liege also nahe, so die Autoren der Studie, dass mit Dispokrediten hohe Überschüsse erzielt werden, die „zur Quersubventionierung anderer Leistungen oder zur Gewinnsteigerung verwendet werden“.
Eine Untersuchung der Stiftung Warentest hatte im vergangenen Jahr ergeben, dass Banken und Sparkassen für ihre Dispokredite zwischen sechs und 15 Prozent Zinsen nehmen. Besonders häufig genutzt wird diese Kreditform von Menschen mit geringem Einkommen. Grüne und Linke hatten darum schon im Dezember im Bundestag eine gesetzliche Obergrenze gefordert. Die Linksfraktion hatte konkret einen Aufschlag von maximal fünf Prozentpunkte auf den EZB-Referenzkurs für Dispokredite und von acht Prozentpunkten für Überziehungskredite vorgeschlagen.
Auch die Sozialdemokraten sind dabei
Dispokredit: Wird mit dem Girokonto angeboten. Üblicherweise wird er in Höhe von bis bis zu drei Monatsgehältern gewährt. Im Schnitt werden je nach Studie rund elf Prozent Zinsen fällig.
Überziehungskredit: Fällt an, wenn der Dispo ausgereizt ist. Dann wird es richtig teuer: im Schnitt fast 16 Prozent.
Rahmenkredit: Wird auch Abrufkredit genannt und funktioniert genau wie ein Dispokredit – aber auf einem Extrakonto mit günstigeren Zinsen zwischen fünf und zehn Prozent. Laut einer Erhebung von Finanztest im Juli 2011 boten nur elf von 139 Banken diese Variante an.
Ratenkredit: Wird auch als Anschaffungsdarlehen bezeichnet und muss in gleichbleibenden monatlichen Raten, die vorher individuell vereinbart werden, abgezahlt werden. Der Zinssatz hängt stark von Höhe und Laufzeit des Kredits ab.
Diese Forderungen bekräftigten beide Parteien nach Veröffentlichung der neuen Studie. Auch die SPD, die auf die Anträge von Grünen und Linken im letzten Jahr noch mit Enthaltung bzw. Ablehnung reagiert hatte, sprach sich am Donnerstag für eine gesetzliche Zinsgrenze aus.
Davon will Ministerin Aigner jedoch nichts wissen. „Eine gesetzliche Obergrenze hätte das Risiko, dass es unterm Strich für alle Kunden teurer wird, weil auch bisher günstige Banken die Obergrenze voll ausschöpfen würden“, erklärte sie am Donnerstag. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich „teure Banken das entgangene Geld über Gebührenerhöhungen wieder hereinholen“.
Auch die Autoren der Studie sehen eine starre gesetzliche Obergrenze, wie es sie etwa in den Niederlanden und der Schweiz gibt, skeptisch. Für bedenkenswert halten sie aber, die sogenannte Wuchergrenze, ab der Zinssätze als sittenwidrig gelten, abzusenken und an Durchschnittswerte zu koppeln. Dies hätte eine ähnliche Wirkung wie Zinsobergrenzen.
Aigner jedoch setzt vor allem auf die in der Studie ebenfalls aufgeführten verstärkte Transparenz. Kunden müssten in der Werbung und auf ihren Kontoauszügen leicht sehen können, wie hoch die Zinsen sind, forderte sie. „Es kann nicht sein, dass man eine Stunde lang auf der Internetseite einer Bank suchen muss, bis man die Höhe des Dispozinses findet“, sagte die Ministerin. Die Studie nennt mögliche gesetzliche Regelungen zur Steigerung der Transparenz. Aigner jedoch will auch dabei zunächst auf Freiwilligkeit der Banken setzen.
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