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Überwachung von Linke-AbgeordnetenDie Hälfte der Fraktion wird verdächtigt

Parteichef Ernst zufolge sollen nicht 27 sondern mindestens 42 Abgeordnete der Linkspartei vom Verfassungsschutz überwacht worden sein. Sogar Unionspolitiker sind inzwischen verärgert.

Jeder zweite wird überwacht: Die Linksfraktion im Bundestag. Bild: reuters

BERLIN dpa | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) überwacht die Linksfraktion im Bundestag offenbar stärker als bisher bekannt. Das Bundesamt habe eingeräumt, dass bei einigen Landesämtern "nachrichtendienstliche Mittel" eingesetzt würden, schreibt der Spiegel. Auch die Anzahl der beobachteten Abgeordneten könnte größer sein als bisher berichtet.

Informationen, die mit Geheimdienstmethoden beschafft worden sein könnten, finden sich laut Spiegel beispielsweise in der BfV-Akte des Linke-Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi. Mehrere Seiten von Gysis Akte seien für ihn aus diesem Grund nicht einsehbar. Das Innenministerium hatte bisher betont, dass das BfV nur öffentlich zugängliche Quellen zur Linken auswerte.

Auch sind nach Einschätzung von Parteichef Klaus Ernst mehr als die bisher bekannten 27 Parlamentarier vom Verfassungsschutz beobachtet worden. Die Landesämter in Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg hätten bereits eingestanden, dass auch sie Abgeordnete ausforschten, sagte Ernst dem Tagesspiegel. Insgesamt stünden dadurch mindestens 42 Bundestagsabgeordnete der Linken im Visier des Verfassungsschutzes. Das wäre mehr als die Hälfte der Fraktion.

Unterdessen regt sich auch in der Unionsfraktion Unmut über die Arbeit des Verfassungsschutzes. "Der Weg, auf dem die Linke beobachtet wird, ist nicht in Ordnung", sagte der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU).

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bekräftigte dagegen erneut seine Rückendeckung für das Vorgehen des Geheimdienstes. Teile der Linken hätten kein Problem damit, Straftaten, etwa bei Demonstrationen, zu rechtfertigen, sagte der CSU-Politiker.

Derweil verlangte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) eine Erklärung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zu ihrer Kritik an der Linke-Beobachtung. "Wenn die Justizministerin gegen eine Überwachung ist, sollte sie auch sagen, wie sie sich eine Alternative vorstellt", forderte die CDU-Politikerin. Leutheusser-Schnarrenberger hatte zuvor erklärt, sie empfinde die Abgeordneten-Beobachtung als "unerträglich".

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19 Kommentare

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  • H
    Hona

    Ist es nicht ein absolutes Unding, dass das Kontrollieren einer Partei von einer anderen Partei forciert wird?

    Die CSU hat ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie, weil sie dieses Land als ihr Eigentum betrachtet. Und wer weiß denn, ob Grüne und SPD nicht auch auf dem Überwachungszettel stehen? Das gab es schon.Und wer überwacht den rechten Rand der CSU?

  • E
    Echter-Bayerischer-Verfassungsschützer

    Müsste die CSU nicht eigentlich die -weitergehenden - Ziele der Bayerischen Verfassung in Berlin vertreten? z.B.

    Artikel 155 Bildung von Bedarfsdeckungsgebieten

    Zum Zweck einer möglichst gleichmäßigen Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse aller Bewohner können unter Berücksichtigung der Lebensinteressen der selbständigen, produktiv tätigen Kräfte der Wirtschaft durch Gesetz besondere Bedarfsdeckungsgebiete gebildet und dafür Körperschaften des öffentlichen Rechts auf genossenschaftlicher Grundlage errichtet werden. Sie haben im Rahmen der Gesetze das Recht auf Selbstverwaltung.

    Artikel 156 Kartell- und Konzernverbot

    Der Zusammenschluss von Unternehmungen zum Zwecke der Zusammenballung wirtschaftlicher Macht und der Monopolbildung ist unzulässig. ...

    Artikel 157 Kapitalbildung; Geld- und Kreditwesen

    (1) Kapitalbildung ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Entfaltung der Volkswirtschaft.

    (2) Das Geld- und Kreditwesen dient der Werteschaffung und der Befriedigung der Bedürfnisse aller Bewohner.

    Artikel 158 Sozialbindung des Eigentums

    Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit. Offenbarer Missbrauch des Eigentums- oder Besitzrechts genießt keinen Rechtsschutz.

    Artikel 160 Sozialisierung; Überführung in Gemeineigentum

    ... (2) Für die Allgemeinheit lebenswichtige Produktionsmittel, Großbanken und Versicherungsunternehmen können in Gemeineigentum übergeführt werden, wenn die Rücksicht auf die Gesamtheit es erfordert.

    Artikel 161 Bodenverteilung; Nutzung des Wertzuwachses von Grund und Boden

    (2) Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen,

    sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.

    Artikel 168 Arbeitslohn, Recht auf Fürsorge

    ...

    (2) Arbeitsloses Einkommen arbeitsfähiger Personen wird nach Maßgabe der Gesetze mit Sondersteuern belegt.

    usw. usw.

  • M
    manfred (60)

    Mit der Bespitzelung der Linken und der aus Bayern (woher sonst) kommenden Forderung nach einem Parteiverbot bleibt sich die "bürgerliche Mitte" in Deutschland treu. 1933 hat man erst per Dekret die Reichstagsmandate der Kommunisten für ungültig erklärt und die Abgeordneten verhaftet. Dann hat dieselbe "bürgerliche Mitte" (nein es waren nicht nur die Nazis) per "Ermächtigungsgesetz" das Parlament ausgeschaltet.

     

    Wie der Bundestag nach und nach ausgeschaltet und zunehmend übergangen wird, können wir aktuell miterleben. Auch, wie die Demokratie in anderen europäischen Staaten nach den Vorstellungen der deutschen "bürgerlichen Mitte" zunehmend "marktkonform" gemacht, also ausgehebelt wird. Da sins Bespitzelung und Verbot Andersdenkender doch nur die logische Konsequenz.

  • M
    MisterIgnorant

    ist schon interessant,das gerade diejenigen die alle zwei jahre das grundgesetz ändern (wollen),darüber urteilen können wer verfassungstreu ist und wer nicht.

    was ist eigentlich mit den guten kontakten zu china die die bundesregierung pflegt?gilt china nicht offiziell immernoch als kommunistisches land?habe dahingehend noch nie eine kritik von merkel gehört.ach so,an china traut man sich nicht ran.na dann..

    kann man die cdu eigentlich als nazipartei bezeichnen weil zur nachkriegszeit eine menge altnazis in dieser partei ihren platz fanden?

    nicht?

    warum ist dann die linke immernoch die ex-sed partei?

    gibt es eigentlich in der ost-cdu auch ehmalige stasi-mitglieder?würde mich mal brennend interessieren,ich glaube nicht daran das die alle geschlossen zur pds(nicht linkspartei!)gewechselt sind.

  • J
    Jueni

    Dazu passt:

    Alexander Drohblind, der Blicker!

    Schwarz Geld, nein Schwarz/Gelb sind die Farben der Durchblicker...oder?

  • F
    Fassunglos

    Ein Verfassungs"schutz", der offenbar nur noch das Ziel verfolgt die Interessen der Elite-hörigen Parteien zu schützen agiert nicht demokratisch - nämlich im Interesse aller Büger, sondern scheint zur Privatarmee einiger weniger geworden zu sein - allerdings bezahlt von a l l e n - d a s ist mit dem GG nicht vereinbar und erinnert an Nazideutschland oder die Stasi - das macht dann real keinen Unterschied!

    Und die seltsamen, nicht einmal ansatzweise mit irgendetwas belegten Äußerungen Dobrindts sind vergleichbar mit Nazi-Propaganda - einfach mal was so lange behaupten, bis die Öffentlichkeit es glaubt. Nach dem Motto: Irgendwas von dem Dreck wird schon hängenbleiben.

    Und - nach den Erfahrungen in diesem Land - war das bisher noch immer die realste Gefahr für unsere Demokratie.

    Für mich ist die Art wie Dobrindt auf Wählerfang am rechten Rand geht die Verleumdung einer demokratisch gewählten Partei und ich würde gegen Dobrindt einen Strafantrag stellen, wäre ich die Geschädigte!

    So geht's ja wohl nicht weiter mit dem politischen Niveau in diesem Land!

  • N
    Nordwind

    @Stefan

     

    Systemwechsel bezieht sich bei der Linken auf das Wirtschaftssystem und nicht auf die Demokratie. Deshalb redet man auch vom demokratischen Sozialismus. Diesen Begriff verwenden u.a. auch Sozialdemokraten.

     

    Welches Wirtschaftssystem in der BRD gültig sein soll ist im GG bewußt offengelassen.

     

    Sie scheinen Opfer einer jahrelangen Indoktrination geworden zu sein, die dem Volk weiss machen will nur der Kapitalismus sei GG-konform.

     

    Was die Linke vom GG hält ist durchaus nachlesbar. Aber bei derartiger Literatur könnte man ja zu dem Schluß kommen, dass die Linke fester auf dem Boden des GG steht als die neoliberalen Mainstream-Parteien.

     

    Die Folge: kongnitive Dissonanz der Mainstreamopfer.

  • F
    Frank

    Wie wenig sich geändert hat! Gerade seitens der CDU/CSU und der FDP wirft man der LINKEN vor, den Staat zu bekämpfen. Der Bundesinnenminister verteidigt die Bespitzelung der Bundestagsfraktion der LINKEN. Eigentlich könnte man sagen, wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. In der DDR wurden "Staatsfeinde" vom MfS beobachtet. Heute wird die LINKE als vermeintlicher Staatsfeind beobachtet. Man wendet die gleichen Methoden an, die man der DDR vorwirft. Viel scheinheiliger geht es schon nicht mehr.

    Wenn man mit der LINKEN als politischem Gegner nicht mit reellen Mitteln fertig wird, sollten sich die Damen und Herren der Bundesregierung langsam mal Gedanken machen. Die derzeitige Verfahrensweise ist jedenfalls ein Armutszeugnis für Merkel und Co.!

  • G
    Gelderlander

    "....Teile der Linken hätten kein Problem damit, Straftaten, etwa bei Demonstrationen, zu rechtfertigen, sagte der CSU-Politiker....."

     

    Soso, Herr Friedrich, sich NAZIS in den Weg zu stellen - also etwas, was die CDU nicht schafft, insbesondere der "Cerfassungsschutz" nicht - ist also eine Straftat.

     

    Erklären Sie doch bitte mal den Opfer rechtsextremer Gewalt, was daran eine Straftat ist.

     

    Im übrigen finde ich es ziemlich dreist von der CDU/CSU, sich selbst auf diese Art und Weise profilieren zu wollen, denn wiedereinmal zeigt diese Partei, wo sie ihre Wähler herholt: vom rechtsextremen Rand.

     

    Wer Nazis schützt, selbst die in den eigenen Reihen, sollte etwas vorsichtiger sein, wenn er über das Decken von straftaten spricht oder waren es etwa LINKE-Politiker, die den migranten die schuld am Naziterror gaben?

     

    Und wenn sich dann noch CDU-Politiker hinstellen und der Linken vorwerfen, das Leute aus der Fraktion Fidel Castro zum Geburtstag gratulieren, selber aber über jahrzente beste kontakte zu faschistischen Regierungen und Organisationen, sei es das Apartheidsystem in südafrika, die colonia dignidad in chile, Pinochet in Chile, Öcalan von der PKK, Gadaffi in Libyen und so weiter pflegt, dann wundert es mich schon sehr worauf diese Begründung fußt.

     

    Herr Dobrindt sollte sich auch am zaume reißen, denn wer nicht nur die überwachung aller linkenpolitiker, sondern auch die Überwachung aller Wähler fordert, fordert die beseitigung der Verfassung!

  • M
    mehrüberwachung

    was geht eigentlich ab in diesem land?eine weile glaubte ich daran das sich deutschland zu einem toleranten und offenen land entwickeln könnte,aber in letzter zeit kann einem angst und bange werden.

    da werden 10 morde von neonazis begangen und der VS schaut nur zu,ist aber vollauf damit beschäftigt eine demokratische partei zu bespitzeln,weil die nicht auf der CSu-linie ist.aber dann über das einparteien-sed regime herziehen.was darf man den noch wählen um nicht als extremistisch zu gelten?die cdu und die spd-danke!

    so stumpf kann doch niemand zu deutschen tagesordnung übergehen-nicht nach 10 nazimorden!!

  • S
    Stefan

    ??? Die SED-Nachfolge-Partei hat den "Systemwechsel" als Ziel formuliert. Unser System ist die Demokratie. Also wenn die Mauer-und-Stasi-Partei gegen die Demokratie ist, dann ist sie verfassundfeindlich.

  • FU
    Freidrich u7nd Schröder gegen Demokratie

    Damit haben mir Schröder und Friedrich eindeutig bewiesen, dass sie faschistischen Strukturen huldigen und diese in den alten Stand wieder einsetzen.

  • S
    sigibold

    Es entsetzt mich zutiefst, dass der sogenannte Verfassungsschutz Angeordnete des Parlaments überwacht. Überwachen der Opposition ist geradezu ein Kennzeichen von Diktaturen und halbseidenen Demokratien. Wenn unsere freiheitlich Grundordnung noch irgend etwas wert sein soll, ist dieses aus meiner Sicht verfassungsfeindliche Verhalten der Bundesstasi sofort und ohne Ausnahme zu untersagen. Die Verantwortlichen sollten sofort - und wirklich sofort! - freigestellt werden schon wegen der Verdunkelungsgefahr. Die Bundesstaatsanwaltschaft muss die Angelegenheit konsequent strafrechtlich verfolgen. Dieser sogenannte Verfassungsschutz kann doch nicht machen was er will! So langsam verliere ich endgültig mein Vertrauen in die Demokratiefähigkeit und den Willen unserer staatlichen Institutionen Demokratie zu leben.

     

     

     

     

    sigibold

  • IB
    Ingo Bernable

    Nach der Logik des VS müsste sich doch eigentlich die Frage stellen warum sie nicht auch die anderen Parteien unter Beobachtung stellt. Die Unionsparteien unterhalten nachgewiesenermaßen Kontakte zur neuen Rechten. Innerhalb der FDP tritt mit der Libertären Plattform eine Strömung offen für den Anarcho-Kapitalismus ein, wie das mit dem GG zusammenpassen soll versteht kein Mensch. Die SPD stellt sich auch weiterhin als politische Heimat für Rassentheoretiker und Eugeniker wie Sarrazin zur Verfügung. Und die Grünen machen jedes Jahr wieder im Wendland gemeinsame Sache mit den Autonomen.

  • V
    vic

    Jetzt muss man dem Geheimdienst ihrer Majestäten Friedrich und Schröder jeden überwachten Parlamentier enzeln aus der Nase ziehen.

    Der Umgang mit der Wahrheit erinnert an Wulff-Salamitaktik.

  • W
    Webmarxist

    Während Verfassungsschützern mit Nazis zusammenarbeiten, wird Engagement gegen Rechtsextremismus überwacht. Familienministerin Schröder hat dass, mit ihrer Extremismusklausel gezeigt.

  • I
    Inuit

    Ich möchte mal den Aufschrei hören,wenn Teile der CDU auf Veranlassung eine rot-roten Regierung vom Verfassungsschutz überwacht würden. Einsatz vom Verfassungsschutz, um den politischen Gegener zu diskreditieren?

  • DP
    Daniel Preissler

    Dass Frau Schröder doch tatsächlich immer noch ein bisschen ekliger werden kann...!

  • JR
    Josef Riga

    Einfach erschütternd Danke für diese Informationen. Es kann doch nicht angehen das die Hälfte der Fraktion nicht beobachtet! Ich bin sehr enttäsucht!