Hallo, Verfassungsschutz!: Überwacht uns auch!

Der Verfassungsschutz beobachtet Bundestagsabgeordete der Linkspartei. Die Mitte der Gesellschaft fühlt sich ignoriert. Politiker, Künstler und Journalisten fordern Gerechtigkeit.

Martin Sonneborn, Maren Kroymann, Rainer Langhans wollen auch überwacht werden. Bild: ap, dpa (2)

Es ist ein Skandal! Der Verfassungsschutz überwacht 27 Abgeordnete der Linkspartei. Warum nur die? Warum nicht mich? Das fragte Tabea Rößner, die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, in einem offenen Brief an den Verfassungsschutz.

Und das können Sie auch. Die taz hat für Sie bereits ein Formular vorbereitet. Mit 14 guten Gründen zum Ankreuzen. Laden Sie sich einfach das PDF zum Selbstausfüllen runter und dann schnell an den Verfassungsschutz geschickt. Die freuen sich schon.

Bereits der Forderung angeschlossen haben sich Rainer Langhans, Thees Uhlmann, Martin Sonneborn und sieben weitere Prominente. Und sie alle haben gute Gründe!

Tabea Rößner, Bundestagsabgeordnete der Grünen

Beobachten Sie mich auch! Nicht alles, was die Linke fordert, ist sinnvoll, aber aus unsinnigen Ideen gleich eine Gefährdung der Demokratie machen? Dann müssten Sie ja den halben Bundestag beobachten. Wenn Sie einen Termin vereinbaren, schließe ich Ihnen das Büro zwecks Verwanzung auf.

Martin Sonneborn, "Titanic"-Autor & "Partei"-Chef

Wir wollen schon lange beobachtet werden, um nach der Machtübernahme über eine seriöse Dokumentation unserer Tätigkeit zu verfügen. Deshalb haben wir 2009 eine "Verfassungsfeindliche Plattform" in der PARTEI gegründet. Die erschütternde Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage, wie gefährlich wir sind: Wir seien eine Satire-Partei.

Thees Uhlmann, Sänger von "Tomte"

Die besten Songzeilen fallen in Telefongesprächen. Zum Beispiel antwortete ich neulich auf den Satz: " Ich wünschte es wäre anders!" mit "Aber es ist anders als gedacht"! Fand ich gut! Habe ich nicht vergessen und einen Song draus gebaut! Die anderen 20 guten Ideen habe ich vergessen. Ich hätte gerne ein Gesprächsprotokoll. Überwacht mich endlich!

Andreas Rüttenauer, DFB-Präsidentschaftskandidat

Mir geht es dabei auch um eine Solidarisierung mit Tausenden Fußballfans, die Woche für Woche gefilmt werden, deren Kurven mit Kameradrohnen überwacht werden, die von schwer gepanzerten Polizisten begleitet werden, als seien sie Schwerverbrecher. Ein Nacktbild von mir geht noch heute an das Bundesamt. Vielleicht gefällt es ja.

Christopher Lauer, für die Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus

Durch die Transparenz der Piraten ist es natürlich viel kostengünstiger einen Piraten zu überwachen als das Mitglied einer Partei, die moderne Kommunikationsmedien weniger nutzt. Außerdem würde ich mich als stellvertretendes Mitglied des Verfassungsschutz-Ausschusses natürlich dafür interessieren, die Ergebnisse dieser Überwachung meiner Person zu überprüfen und zu berichtigen.

Leda Forgo, ungarische Schriftstellerin, lebt in Norddeutschland

Um aus unserem selbstauserwählten Landesexil im hohen, raren Norden herauszukommen, um aus nostalgischen Gründen die Kindheitsatmosphäre wieder zu erleben, zur Erfolgsergänzung, um unsere immer wieder sterbende Telefonleitung wiederzubeleben, bitte ich den Verfassungsschutz um ein wenig Beobachtung. Des weiteren bitte ich Sie darum, die Hörspieltantiemen bei VG Wort auch anzumelden. Muss ich dazu diesem Antrag die Staatsbürgerschaft annehmen, oder bei den Linken eintreten? Bisher war es keine Option, aber so denkt man gerne darüber nach.

Lassen auch Sie sich überwachen: Füllen Sie das PDF mit dem Antrag aus. Bild: taz

Friedrich Küppersbusch, Produzent und Kolumnist

Ohne offizielle Überwachung habe ich keine Chance, mein Recht auf Akteneinsicht einzuklagen. Wir sind ja hier nicht im Hippie-Staat DDR, wo alles drunter und drüber ging und am Ende jeder mal gucken durfte. Wer einmal vom VS überwacht wurde, hat ja zwangsläufig Kontakte mit bedenklichen Elementen - etwa den Nazi-Freunden beim Verfassungsschutz.

Ines Pohl, taz-Chefredakteurin

Im Jahr 23 nach dem Mauerfall werden Wessis noch immer in einer Art diskriminiert, die uns beschämen sollte. Es darf nicht länger sein, das Ossis für die Vergehen ihrer Großväter für teures Staatsgeld bewacht werden, meine Vergangenheit als Berufsdemonstrantin aber in keinster Weise honoriert wird. Jungs, da ist ja der CIA näher an der taz dran als ihr!

Uli Hannemann, Autor

Es ist mir fast peinlich, aber wir sind hier ja unter uns: Der Gedanke, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, erregt mich ungemein. In meiner Vorstellung bin ich dabei meistens nackt, trage höchstens einen rasch zu öffnenden Mantel. Klar sind auch Frauen dabei, doch ich finde, wer selbst noch seine geheimsten Fantasien heteronormativ zensiert, schläft auch mit den Händen auf der Bettdecke.

Maren Kroymann, Schauspielerin

Ich möchte mich in aller Form beschweren, dass ich nicht auf der Liste der zu überwachenden Personen dieses Landes stehe. Was habe ich falsch gemacht? Ich bitte um sofortige Überwachung (Kochrezepte, sexuelle Praktiken, Freundeskreis) mit anschließender Veröffentlichungsgarantie in Bunte und Gala - Organe, in die ich nie reinkomme, schon weil mir intime Kontakte zu wichtigen Männern des Landes fehlen.

Rainer Langhans, Exkommunarde

Natürlich will ich observiert werden. Denn ich seit 68 und heute die Piratenpartei sind für völlige Transparenz. Also beobachten - und dann aber veröffentlichen, was herausgefunden wurde. So wie das im "Dschungelcamp" passiert oder bei Facebook, oder wie es Marina Weisband (Politikerin der Piraten, die eine Auszeit nehmen will - Anm. der Red.) tut. Damit der Verfassungsschutz uns allen dient …

Konzept und Umsetzung: Michael Brake / Meike Laaff

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