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Überwachung mit und ohne PegasusWillkommen im Panopticon

Kommentar von Jan Schroeder

Nicht zuletzt die Enthüllungen über die Spähsoftware zeigen, dass wir jederzeit unter Beobachtung stehen könnten. Massenüberwachung macht befangen.

Big brother is watching you: auch schon 1928 in diesem Gefängnis in Illinois Foto: Imago

E s schockiert niemanden mehr wirklich. Die Liste der weltweit mit der Pegasus-Spyware Ausspionierten wird immer länger: Wie diese Woche bekannt wurde, soll die spanische Regierung mindestens 65 katalanische Politiker überwacht haben. Auch demokratische Regierungen spionieren mitnichten nur Terroristen aus. Skandalös daran ist einzig noch, wie selten solche Meldungen Skandale auslösen.

Wie die Enthüllungen von Edward Snowden gezeigt haben, muss jeder jederzeit damit rechnen, beobachtet zu werden. Die kleinlaute Reaktion der damaligen Bundesregierung gegen ihre eigene Überwachung – und die der Bürger dieses Landes – durch die NSA signalisierte ihre Unfähigkeit, irgendetwas zu tun, also ihr Einverständnis. Es wäre naiv, Konsequenzen von denen zu fordern, die offenbar kein grundsätzliches Problem mit Massenüberwachung haben.

Wo aber Kritik an politischen Akteuren zu kurz greift, bedarf es tiefer gehender Gesellschaftskritik. Die übte beispielsweise der Philosoph Michel Foucault mit seiner Theorie des Panopticon. Ursprünglich ein Bauplan des Utilitaristen Jeremy Bentham für Gefängnisse und Fabriken, ermöglicht das Panopticon die gleichzeitige Überwachung aller Insassen, ohne dass umgekehrt die Überwacher sichtbar sind. Die Insassen müssen sich so jederzeit auf die Möglichkeit der Überwachung einstellen.

Die vielfältigen Formen menschlichen Ausdrucks reduzieren sich unter Beobachtung drastisch. Wer würde schon in aller Öffentlichkeit so singen wie unter der Dusche oder so offen sprechen wie im vertrauten Bekanntenkreis. Für Foucault steht das Panopticon paradigmatisch für die Disziplinierung in modernen Gesellschaften: Überwachung ist rationaler und effektiver als rohe Gewalt.

Die relativierende Beschwichtigung, dass nur, wer etwas zu verbergen hat, etwas zu befürchten hat, ist unwahr. Niemand, der so redet, würde freiwillig seine Passwörter oder Schlüssel aushändigen. Auch wer langweilig und konformistisch genug ist, verzichtet auf die Freiheit, es sich anders zu überlegen.

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4 Kommentare

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  • Die Seuche ist schon längst in Deutschland angekommen, fehlt nur noch ein kleiner Zwischenfall mit einem gewissen Aufmerksamkeitspotential.

    www.sueddeutsche.d...trojaner-1.5403678



    www.sueddeutsche.d...endienst-1.5433974

  • Ohne Handy geht doch nichts mehr!

    “Under the spreading chestnut tree I sold you and you sold me:



    There lie they, and here lie we



    Under the spreading chestnut tree.”

    ― George Orwell, 1984

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Eine sehr bildhafte Beschreibung der Situation.



    Die warum-Frage lässt sich wie so oft beantworten mit: Weil man es kann. Alle machen immer Alles - was ihnen möglich ist.



    Eine redliche, politische Kultur könnte dagegen eingreifen, solange sie nicht selber verstrickt ist.

  • Naja, im jetzt "entdeckten" Fall in Spanien war die Überwachung sicherlich angemessen. Eine Bande von Verschwörern (teilweise in Regierungsämtern) hat den Versuch unternommen die Integrität des Landes gegen die Verfassung anzugreifen; Hochverrat im Vorfeld nicht ausgeschlossen.