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Übersterblichkeit während CoronaMehr Tote auch in Deutschland

Statistiker haben erstmals auch für Deutschland überdurchschnittlich hohe Todesfallzahlen errechnet. Europaweit scheint die Spitze überschritten.

Es trifft vor allem die Alten: Abtransport eines Verstorbenen aus einem Altenheim in Wolfsburg Foto: Peter Steffen/dpa

Wiesbaden dpa/taz | Während der Corona-Pandemie sind laut Statistischem Bundesamt überdurchschnittlich viele Menschen in Deutschland gestorben. Das geht aus einer am Freitag in Wiesbaden veröffentlichten Sonderauswertung hervor. Für die jüngeren Daten nutzen die Statistiker die Sterbefallmeldungen der Standesämter. Derzeit liegen damit vorläufige Daten bis 12. April vor.

Demnach liegen die Sterbefallzahlen in Deutschland seit 23. März „über dem Durchschnitt der jeweiligen Kalenderwochen der Jahre 2016 bis 2019“. In der letzten Märzwoche seien mindestens 19.385 Menschen gestorben, zwischen 30. März und 5. April mindestens 20.207 und zwischen 6. und 12. April mindestens 19.872.

Im Vergleich starben in der letzten Woche, für die Daten vorliegen, knapp 2.000 Menschen beziehungsweise elf Prozent mehr als im vierjährigen Durchschnitt für diese Woche. Vergleicht man einzelne Jahre, waren es zwischen 6. und 12. April 18 Prozent mehr Tote als 2017 und 4 Prozent mehr als 2018.

„Die aktuelle Entwicklung ist auffällig, weil die Sterbefallzahlen in dieser Jahreszeit aufgrund der ausklingenden Grippewelle üblicherweise von Woche zu Woche abnehmen“, urteilen die Statistiker. „Dies deutet auf eine Übersterblichkeit im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie hin.“ Das ist neu. Denn in den zuletzt veröffentlichten Berichten des Bundesamtes, die Zahlen bis Anfang April ausgewertet hatten, hatte es noch geheißen, dass eine Übersterblichkeit für Deutschland nicht festgestellt werden könne.

Trendwende in Europa in Sicht

In anderen europäischen Länder, die mit wesentlich aktuelleren Sterbezahlen arbeiten, sind die dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie wesentlich deutlicher. Laut am Donnerstag vom European Mortality Monitoring (Euromomo) veröffentlichten Zahlen, sind europaweit seit Anfang März rund 150.000 Menschen mehr gestorben als saisonal üblich. Besondes extrem trifft es die Älteren. Bei den über 75-Jährigen wurden in den ersten beiden Aprilwochen rund 60 Prozent mehr Tote als normalerweise registriert.

Allerdings gibt es einen Hoffnungsschimmer. Zwar müssten vor allem die vorläufigen Zahlen der letzten Woche mit Vorsicht bewertet werden. Dennoch, heißt es in dem Wochenbulletin, scheine die von Euromomo in den letzten Wochen geschätzte Übersterblichkeit „inzwischen in allen Ländern ihren Höhepunkt erreicht zu haben.“

Auch die jetzt für Deutschland errechneten Zahlen liegen deutlcih unter denen etwa aus Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz und Spanien. „Im europäischen Vergleich ist der Umfang der Übersterblichkeit in Deutschland bislang gering“, rechnet das Statistische Bundesamt vor.

Aussagekraft begrenzt

Tim Friede, Leiter des Instituts für Medizinische Statistik der Universitätsmedizin Göttingen, hält die Aussagekraft solcher Wochenvergleiche für begrenzt. Generell gebe es bei den Sterbefallzahlen „eine hohe Varianz“, sagte Friede. Auch wenn die Zahlen seit Beginn der Corona-Krise höher seien, so sei man doch „deutlich unter den Maxima anderer Jahre. Die Mortalitätszahlen liegen im Rahmen dessen, was wir auch in den vergangenen Jahren gesehen haben.“

Es sei nicht möglich, anhand der Zahlen die zur Eindämmung der Pandemie eingeleiteten Maßnahmen zu bewerten. „Das wäre erst im langfristigen Verlauf nach mehreren Lockdown- und Lockerungsphasen möglich.“ Erste Hinweise könne man aber aus dem internationalen Vergleich ziehen. Dieser zeige ganz klar, „dass im Gegensatz zu anderen Ländern die Mortalitätszahlen in Deutschland nicht durch die Decke gegangen sind.“

In der aktuellen Diskussion würden bisweilen Ursache und Wirkung verkehrt: Wenn die Zahl der Todesfälle gering ist, sei das vermutlich die Folge der eingeleiteten Maßnahmen – aber keinesfalls ein Argument, dass die Maßnahmen unnötig waren. „Die Frage der Kausalität ist ohnehin schwierig“, sagte Friede: Bei den nun vorliegenden Zahlen gebe es keine Angaben zur Todesursache und „ich wüsste aber auch nicht, wie man das zeitnah vernünftig abbilden könnte“.

Das Statistische Bundesamt will als Lehre aus der Corona-Pandemie krisenrelevante Daten künftig schneller liefern, wie Präsident Georg Thiel der „Frankfurter Rundschau“ (Freitag) sagte. „Wir brauchen monatliche und vierteljährliche Daten, ältere Statistiken sind zum Krisenmanagement schlicht nicht geeignet“, so Thiel. „Das packen wir an. Daten, die in Krisensituationen dringend benötigt werden, wollen wir künftig schneller bereitstellen können.“

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4 Kommentare

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  • Ohne COVID19 klein reden zu wollen: in Deutschland ist die Zahl der Toten zum Glück sehr gering: momentan etwas über 7000. Da statistisch in Deutschland pro Jahr ca. 1 Mio Menschen sterben, sind das 7 Promille. In diesem Bereich kann man nur von statistischem Rauschen reden.



    In anderen Ländern mag man bereits eine echte Übersterblichkeit sehen können, aber in Deutschland gewiss nicht. Damit ist der Artikel schon eher Mumpitz. Man würde das auch schnell sehen wenn man diese April-Zahlen der letzten Jahre mal grafisch darstellt.

  • Interessant! Wie kann denn ohne Angabe der Todesursache (Zitat: „...ich wüsste aber auch nicht, wie man das zeitnah vernünftig abbilden könnte.“) plausibel darauf geschlossen werden, dass eine geringe oder gar nicht erst nachweisbare Übersterblichkeit „die Folge der eingeleiteten [Anm.: Corona-]Maßnahmen [ist] – aber keinesfalls ein Argument, dass die Maßnahmen unnötig waren“?

    Wenn es tatsächlich stimmt, dass „die Frage der Kausalität [...] schwierig“ ist, obwohl auf jedem deutschen Totenschein eine Todesursache angegeben werden muss und jeder Tote posthum ärztlich untersucht wird, dann gibt es die erwähnten Schwierigkeiten ja wohl für jeden, nicht nur für die Regierungs-Skeptiker unter uns. Statistik ist schließlich ein Teilgebiet der Mathematik und keine Religion.

    Wer garantiert uns denn, dass es in den Monaten Februar bis April dank Home Staying nicht einfach weniger Unfall-, Herzinfarkt- oder Grippetote gab als sonst, dafür aber jede Menge statistisch nicht erfasste Corona-Tote, denen die von der Bundesregierung verordneten Maßnahmen gar nichts gebracht haben? Weil z.B. einfach viel zu wenig Leute getestet worden sind, damit Deutschland gut dastehen konnte im Vergleich?

    Tut mir leid, Leute, aber wenn ich die Obrigkeit als Freund und Retter feiern soll, dann muss sie mir schon mehr bieten als das Recht, an sie zu glauben wie an eine mir vom Hörensagen bekannt gewordene Marienerscheinung. Die Mittel, belastbare Statistiken vorzulegen, hat die deutsche Regierung allemal. Wenn sie diese Mittel nicht nutzt, braucht sie sich nicht zu wundern, wenn ich mich frage, ob sie zu dumm ist dafür oder ob sie einfach keine Lust hat.

    In beiden Fällen ergibt sich für mich die Frage, wieso sie eigentlich noch nicht zurückgetreten ist. Ich meine: Gleich, nachdem sie sich entschuldigt hat bei ihren Untertanen. Wobei entschuldigen nicht einfach meint, dass sie sagt: „Tut uns leid, Leute“, sondern heißt, dass sie erklärt, was sie, verdammt noch mal, „geritten“ hat.

  • Im Februar und März hatten wir eher Untersterblichkeit, in der ersten Aprilwoche aber eine Übersterblichkeit gemessen am Schnitt der letzten 4 Jahre. Durchschnitt der letzten 4 Jahre besagt, es gab auch in diesem Zeitraum mindestens ein Jahr, das über dem Schnitt lag. Es fällt mir schwer, die Message zu erkennen.

    • @Nikodemus:

      Die Message besteht darin, das wir hier in Deutschland durch die Maßnahmen die Übersterblichkeit deutlich begrenzt haben, während viele andere Länder aufgrund schlechterer oder zu später Maßnahmen eine deutlich höhere Übersterblichkeit haben.



      Die Maßnahmen in Deutschland haben bisher 10000en Menschen das Leben gerettet.