Überraschungsteam Union Berlin: Eingepreistes Unvermögen
Der Erfolg vom 1. FC Union Berlin ist so überraschend wie konventionell. Eklig wollen doch alle Außenseiter sein.
W as für den 1. FC Union Berlin noch möglich ist, mag eine spannende Frage sein. Die Qualifikation für die Europa League oder gar für die Champions League, wie die noch Verwegeneren fantasieren? Fußballfans beschäftigt die Zukunft fast immer mehr als die Gegenwart. In ihr liegt das Versprechen, dass alles besser wird, selbst dann, wenn es schon so gut läuft wie bei den Unionern.
Es ist aber an der Zeit, das Tabellenbild nach dem Remis der Berliner gegen Wolfsburg einmal festzufrieren und sich der Frage zuzuwenden, wie das möglich sein kann. Denn hier kommt zu viel zusammen, was eigentlich überhaupt nicht zusammenpasst. Nach knapp der Hälfte der Saison steht der Kiezklub aus Köpenick, der sich zum Nischenverein für Fußballromantiker gemausert hat, als Tabellenfünfter ganz knapp vor den ganz großen Geldtöpfen der Liga.
Der Verein, dessen Team einen Marktwert hat, der nur von Arminia Bielefeld unterboten wird, und der nun hinter Bayern München die zweitmeisten Tore erzielt hat. In einer Zeit, da Union auf sein vermeintlich größtes Kapital, auf seine besonderen Fans, verzichten muss, von deren Leidenschaft und mitunter rebellischer Lebensader der Klub über viele Jahre gut lebte. Und gerade jetzt in dieser klinisch reinen, publikums- und emotionsfreien Profifußballwelt, in der es ausschließlich noch um die Aufrechterhaltung des Geschäfts geht, blüht dieses Team auf wie kein zweites.
Klar rechnet sich der 1. FC Union wie jeder Außenseiter gerne arm. Mit den Verpflichtungen von Max Kruse und Loris Karius schienen die Köpenicker zumindest einen Fuß in die Tür zur großen Fußballwelt stellen zu können. Aber Torhüter Karius muss sich mit seiner Rolle als Ersatzkeeper abfinden, und der häufig verletzte Kruse bewies zwar sein Können, konnte aber im Vollbesitz seiner Kräfte bislang nur die Hälfte aller Spiele mitmachen.
Ein Spezialist für Effizienz
Den 1. FC Union Berlin macht nicht die Folklore stark, der etwas andere Verein mit den etwas anderen Anhängern zu sein, oder der ein oder andere exklusive Einkauf. Der Erfolg ist völlig konventioneller Natur. Wie alle versuchen die Berliner, aus ihren Mitteln das Beste zu machen. Der individuell höheren Qualität der Gegner begegnen sie mit mannschaftlicher und taktischer Disziplin, mit Zweikampfstärke und mit der größten Laufbereitschaft in der Liga.
Ein Rezept, von dem man schon viele Trainer hat reden hören. Union jedoch verfügt mit dem Schweizer Trainer Urs Fischer über einen der besten Effizienzspezialisten für minderbemittelte Klubs. Schon als Spieler war er gezwungen, im Wettbewerb mit Talentierteren eigene Strategien zu entwickeln. Eklig sein, das ist seine Lieblingsparole. Und bloß sich hinterher nicht aufplustern! Er freue sich über das Ergebnis, sagte er nach der Partie gegen Wolfsburg – trotz Überzahl und eines leichten Chancenübergewichts. „Wieder ein Punkt mehr.“
Seine Stärke dürfte vor allem in der Vermittlung dieser Haltung liegen. Das dafür möglichst aufnahmefähige Personal hat auch Geschäftsführer Oliver Ruhnert in die Hauptstadt gelotst. Noch so ein Mann, der immer zurückhaltend formuliert und der sein Geschick als Planer von kostengünstigem Erfolg bewiesen hat. Bei seinem alten Verein Schalke 04 wünschen sie ihn sich wohl sehnlichst zurück.
Bei aller Effizienz lässt auch Union so manche Chance liegen. Sheraldo Becker etwa traf gegen Wolfsburg das leere Tor nicht. Das ist kein Widerspruch, sondern eingepreistes Unvermögen, das keinen entmutigt. Das Besondere ist eben, dass Union trotz dieses Unvermögens so gut ist.
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