Überraschung bei Nachwahl: Rentnergang mischt England auf
Die konservative Abspaltung Ukip wird Zweiter bei einer Nachwahl zum Unterhaus – noch vor den Konservativen. Premier Cameron gerät unter Druck.
BERLIN taz | Die an der britischen Regierung beteiligten Liberaldemokraten haben bei einer Nachwahl zum Unterhaus ihren Wahlkreis Eastleigh behalten. Das ist eine Routinenachricht. Hinter ihr verbirgt sich aber eine politische Sensation: Die rechtspopulistische Ukip (United Kingdom Independence Party) kam auf den zweiten Platz, noch vor den Konservativen des Premierministers David Cameron.
Noch nie hat die nicht im britischen Parlament vertretene Ukip so gut abgeschnitten: 28 Prozent, gegenüber 3,8 Prozent in Eastleigh bei den Wahlen von 2010. Die Konservativen rutschten von 39 auf 25 Prozent. Die Liberaldemokraten verloren genauso heftig, mit einem Rückgang von 46 auf 32 Prozent.
Die Nachwahl in Eastleigh war nötig geworden, nachdem der bisherige Wahlkreisabgeordnete Chris Huhne von den Liberaldemokraten zurücktreten musste. Er hatte, nachdem er zu schnell gefahren war, seine Frau genötigt, die Punkte dafür zu kassieren.
Das brachte sie an die Öffentlichkeit, nachdem Huhne sie verlassen hatte. Huhne, einst als Hoffnungsträger des linken Flügels der Liberaldemokraten angesehen und 2010 zunächst Energieminister, hatte erst alles abgestritten und dann vor Gericht gestanden. Seine Familie und Karriere ist ruiniert.
Keine Vorwarnungen
Zunächst hatten sich die Konservativen Hoffnung gemacht, den Sitz zu holen – Eastleigh in Hampshire ist typisch für bürgerliche Regionen Südenglands, in denen sich Politik zwischen Konservativen und Liberalen abspielt. Kaum jemand hatte Ukip auf dem Schirm.
Ukip existiert seit 1993, gegründet von konservativen Euroskeptikern aus Protest gegen die Maastricht-Verträge der EU. Paradoxerweise für eine Anti-EU-Partei hat sie immer besonders bei Europawahlen gepunktet und sitzt seit 1999 im Europaparlament.
Sie ist inzwischen ein Sammelbecken für den rechten Tory-Flügel, vor allem die ältere Generation, die sich in Camerons Verjüngungs- und Modernisierungskurs nicht wiedererkennt.
Wichtige Wählerschicht
Da diese ältere Generation die Mehrheit der konservativen Basis darstellt, ist das für Cameron parteiintern sowieso ein Problem. Wenn er dann auch noch Wahlen verliert, wird es dramatisch. Erwartungsgemäß sorgt jetzt die Schlappe von Eastleigh für heftige innerparteiliche Debatten.
Und zwar nicht über die Europapolitik: Da ist Cameron den Skeptikern längst entgegengekommen. Sondern bei Alltagsthemen wie dem sinkenden Lebensstandard und Kampagnenthemen der Rechten wie die Einwanderungspolitik. In solchen Bereichen taucht Ukip als Vertreter eines Konservatismus alter Schule auf.
Bei den nächsten Europawahlen 2014 macht sich Ukip Hoffnungen darauf, in Großbritannien stärkste Partei zu werden – kurz vor den nächsten britischen Wahlen 2015.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“