Überraschender Protest in Südchina: Die mutigen Muslime von Najiaying
In der Provinz Yunnan wehren sich in einem Dorf Muslime gegen Peking. Ihre Moschee soll brachial zwangsrenoviert werden.
![Männer beten Männer beten](https://taz.de/picture/6297943/14/32950844-1.jpeg)
Auch eine Einheit der Volksbefreiungsarmee zeigte vor der Moschee Präsenz. Der Auftrag: Die Moschee in der südlichen Provinz Yunnan zu „säubern“: Alle vier Minarette und die Eingangskuppel sollten entfernt werden.
Schon im Frühjahr 2016 hatte Staatschef Xi Jinping eine landesweite Kampagne zur „Sinisierung der Religionen“ initiiert. Sie zielte vor allem auf den Islam ab. In vielen Provinzen wurden Moscheen entweder vollständig abgerissen oder in Teilen zerstört.
Stets wurde dabei arabisch anmutende Architektur durch Han-chinesische Elemente ersetzt. Das ist aber nur der äußerlich sichtbare Teil einer systematischen Umerziehung der Muslime, um potenziellen Extremismus im Keim zu ersticken und sozialistische Werte einzubläuen.
Frauen lösen bei Menschenkette ihre Männer ab
Erstaunlich ist der energische Protest der Bewohner von Najiaying vom letzten Wochenende. Zunächst rissen einige die Bauzäune nieder. Andere warfen schließlich Gegenstände auf die Polizei, die offensichtlich überrascht und überfordert den Innenhof der Moschee verließ.
Die Dorfbewohner formierten sich schließlich zu einer großen Menschenkette. Abgelöst wurden die Männer schon bald von ihren Ehefrauen, die sich ebenfalls laut den Sicherheitskräfte entgegenstellten und ihre Najiaying-Moschee beschützten.
Sie hat in der Region einen Sonderstatus. Denn in ihrer Gebetsschule werden viele Imame in Yunnan ausgebildet. Hier dürften auch keine Extremisten herangezüchtet worden sein, denn Najiayings Muslime gehören zur Hui-Minderheit, die als weitgehend assimiliert gilt.
Doch die immer repressivere Politik unter Xi hat in den letzten Jahren tatsächlich zu stillem Widerstand geführt. Ein junger Hui-Muslim, dessen Familie aus einem nordchinesischem Dorf stammt, erzählt mit Bitte um Anonymität: „Meine Familie hat sich in den letzten Jahren immer stärker in den Islam zurückgezogen.“
Kontraproduktive Wirkung der offiziellen Politik
Offen würde man in der Familie zwar nicht über Politik reden, doch für ihn sei es klar: Je weniger willkommen sich seine Eltern und ihre Nachbarn fühlen, desto stärker besinnen sie sich auf ihre islamische Identität. Hinzu kämen Gängelungen, Vorschriften und Verbote.
Auch in Najiaying scheint die völlig überzogene Reaktion der Staatsmacht das Problem, das sie eigentlich beheben möchte, erst kreiert zu haben. Dabei erteilte die Zentralregierung in Peking lediglich eine vage Order, Moscheen „chinesischer“ zu gestalten. Die Umsetzung überlasst man den Kommunen, die darauf bedacht sind, ihren Vorgesetzten keinen Ärger zu bereiten.
In Najiaying formten sie ein Sonderteam, um die Dorfbewohner von den Renovationen ideologisch zu „überzeugen“. Doch wer dazu nicht schriftlich sein Einverständnis erklärte, dem drohten Gehaltskürzungen.
Auf die Proteste reagierte die Regierung dann mit einer von Drohnen überwachten Ausgangssperre, gekappten Internet- und Telefonverbindungen und Militärcheckpoints. Laut Zeugenaussagen wurden auch Dutzende Demonstranten verhaftet. Solche Informationen konnten nur unter höchster Gefahr an die Außenwelt gelangen. Denn Kontakte etwa zu Korrespondenten waren verboten.
Das Schicksal der Uiguren schreckt ab
Die Angst der Muslime von Najiaying hat auch damit zu tun, dass sie sehr genau um die Repression in der nordwestlichen Region Xinjiang Bescheid wissen: Dort wurden zunächst ebenfalls unzählige Moscheen dem Erdboden gleichgemacht, ehe die Regierung in den letzten fünf Jahren Hunderttausende ethnische Uiguren in Umerziehungslager steckte.
In Najiaying befürchtet man nun ebenfalls, dass die Abrissbirnen nur die ersten Vorboten für das sind, was in Zukunft noch folgen könnte.
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