Überblick zu Steuersenkungen: Weniger ist nicht unbedingt mehr
Stromsteuer, Mehrwertsteuer, Erbschaftsteuer – sie sollen runter oder unten bleiben, fordert die Union. Doch es gibt gute Argumente dagegen.
Stromsteuer: Sie beträgt rund zwei Cent pro Kilowattstunde (kWh) Stromverbrauch. Das sind zurzeit weniger als 5 Prozent des durchschnittlichen kWh-Preises, der um die 45 Cent liegt. Die Senkung wird immer mal wieder verlangt, augenblicklich machen sich CSU und CDU dafür stark. Für eine Senkung spricht, dass die Strompreise ab Ende 2021, kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, um mehr als 10 Cent stiegen. Unter dieser Inflation leiden Privathaushalte und Firmen.
International tätige Unternehmen spüren auch einen Nachteil gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten, weil die Stromkosten etwa in Frankreich oder den USA deutlich geringer ausfallen. Gegen die Absenkung spricht, dass die Strompreise sowieso sinken. Wer jetzt den Anbieter wechselt, zahlt kaum mehr als vor der Inflation. Außerdem mindert ein niedriger Preis den Anreiz zum Stromsparen.
Mehrwertsteuer: Das Wiener Schnitzel oder die vegetarische Lasagne werden in Restaurants augenblicklich nur mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt. Seit der Coronakrise sollte das den Gastronomen helfen.
Eigentlich läuft die Regelung Ende 2023 aus. Dann würden die meisten Speisen wohl um etwa 10 Prozent teurer, da der normale Satz der Mehrwertsteuer 19 Prozent ausmacht. Das Schnitzel für 20 Euro kostete dann 22. Vor dem Hintergrund der Inflation würden dann wohl viele auf Restaurantbesuche verzichten. Viele Gaststätten könnten dichtmachen – das spricht für den niedrigen Satz. Gegenargument: Die Beibehaltung der niedrigen Steuer verzögert nur die Pleite derjenigen Betriebe, die sich sowieso nicht tragen.
Gewinnsteuer: In der momentanen Phase leichter Schrumpfung und schwachen Wachstums haben viele Firmen Probleme. Ihnen will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) unter die Arme greifen, indem er die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer um insgesamt 6,7 Milliarden Euro pro Jahr reduziert. Pro: Die Kosten der Firmen sinken, sie können mehr investieren. Contra: Die Städte und Gemeinden beschweren sich schon, weil ihnen dann Einnahmen verloren gehen.
Erbschaftsteuer: Im Rahmen eines Fünf-Punkte-Programms schlug CDU-Chef Merz kürzlich vor, „Elternhäuser“ grundsätzlich von der Erbschaftsteuer zu befreien. Vorteil: Erben von Immobilien in schlechter Lage oder mangelhaftem Zustand kommen nicht in finanzielle Bredouille, weil ihnen die Steuer erlassen wird. Nachteil: Erben teurer Grundstücke und Häuser erhalten ein ungerechtfertigtes Steuergeschenk.
Was grundsätzlich für Steuersenkungen spricht: Die Entlastung käme sehr vielen, bei der Stromsteuer sogar allen Privathaushalten und Betrieben zugute, darunter vielen, die wegen der Inflation echte Schwierigkeiten haben. Sie haben dann mehr Geld zur Verfügung und können mehr ausgeben. Diese Nachfrage stützt die Unternehmen und die Arbeitsplätze.
Was grundsätzlich dagegen spricht: Beispielsweise bei der Senkung der Stromsteuer ist die Frage, ob die Energieversorger sie an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben. Zweites Gegenargument: Steuersenkungen bedeuten weniger Einnahmen für den Staat, der dann bestimmte Leistungen zugunsten der Bürger nicht oder weniger erbringen kann.
Beispiel Stromsteuer: Die etwa 7 Milliarden Euro Einnahmen dienen heute zum guten Teil dazu, die Rentenkasse zu stabilisieren. Fallen sie weg, steigt auch der Druck zur Erhöhung der Rentenbeiträge der Arbeitnehmer. Drittes Argument: Von Steuersenkungen für alle profitieren auch die Wohlhabenden und Reichen. Das kann man als sozial problematische Verschwendung öffentlicher Mittel betrachten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance