Überbleibsel aus den Weltkriegen: Viel Munition bleibt im Meer
50 Millionen Euro will die Bundesregierung bis 2026 für die Räumung von Munition im Meer locker machen. Das ist ziemlich wenig.
„Die rostende Munition ist ein Risiko für die öffentliche Sicherheit, für Fischerei, den Tourismus oder Bauunternehmungen im Küstenbereich“, so Jens Greinert, Leiter der Arbeitsgruppe Tiefseemonitoring am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Koordinator eines Projekts, bei dem mehrere Organisationen bis 2024 den Meeresgrund untersuchen und so die am stärksten betroffenen Gebiete ausmachen, um „dieses Wissen gebündelt für Politik und Wirtschaft nutzbar zu machen und Handlungsansätze für die Überwachung und die Sanierung zu erarbeiten“. 4,8 Millionen Euro gibt es vom Bund für dieses Projekt. Insgesamt will die Regierung in diesem und den kommenden vier Jahren rund 50 Millionen Euro für ein Sofortprogramm einsetzen.
Klingt viel, ist aber wenig: Der Prototyp einer schwimmenden Plattform, von der aus Munition geborgen und in einer „Delaborationskammer“ zerstört werden kann, werde rund 90 Millionen Euro kosten, sagt Eugen Witte, Sprecher der Kieler Werft Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS), die bereits intensiv an der Technik arbeitet. „Wir gehen in Vorleistung“, so Witte. „Wir können, wenn die Rahmenbedingungen geklärt sind, innerhalb von zwei Jahren eine Pilotanlage an den Start bringen.“
Allerdings sind die Rahmenbedingungen bisher keineswegs geklärt. Dabei soll die Plattform laut dem Zeitplan der Regierung im kommenden Jahr entstehen, erste Tests könnten demnach Ende 2024 stattfinden.
Keine rechtliche Verpflichtung?
Den gesamten Meeresgrund zu räumen, hält die Bundesregierung für unmöglich. Die Maßnahmen sollen sich daher auf Sprengstoffreste in „leicht zugänglicher Lage, in noch bergungsfähigem Zustand, mit hohen Erfolgsaussichten“ konzentrieren.
Eine rechtliche Verpflichtung, den explosiven Schrott zu bergen, sieht die Regierung laut ihrer Antwort allerdings nicht, weder beim Bund noch bei den Bundesländern, daher „existiert auch keine finanzielle Verpflichtung“, heißt es in dem Antwortschreiben. Diese Haltung habe ihn „überrascht und frustriert“, sagt Stefan Seidler. Der Flensburger, der der dänischen Minderheit angehört, vertritt als Einzelabgeordneter den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) in Berlin. Die Bundesregierung sei immerhin „Rechtsnachfolgerin sowohl des Deutschen Kaiserreiches als auch des NS-Staates und damit der Verursacher zweier Weltkriege“.
Immerhin bekennt sich die Regierung zum „Vorsorgeprinzip“, aus dem sich „Handlungsaufträge“ ableiten lassen. Daher soll es ab dem Jahr 2026 eine dauerhafte Lösung geben: Der laufende Koalitionsvertrag sieht die Einrichtung eines Bund-Länder-Fonds vor, der ab 2026 die Finanzierung übernimmt. Weiteres Geld könnte von der EU kommen, die im vergangenen Jahr beschlossen hat, die Bergung als gemeinsame Aufgabe zu behandeln.
Die „weltweit erste Erprobung konzertierter Beräumung munitionsbelasteter Flächen auf dem Meeresboden“ kann ein Modell für andere Kriegsregionen sein. Schließlich liegen auch vor anderen Küsten alte Sprengstoffe. Und es kommen täglich neue dazu – aktuell beispielsweise im Schwarzen Meer, in dem Russland und die Ukraine ihre Minen auslegen.
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