USSAMA BIN LADEN WIRD ZUR IKONE – UND DIE USA HELFEN IHM DABEI: Terror ist bewaffnete Propaganda
Ein hilfloser Appell: Die US-Regierung fordert die Medien auf, al-Qaida-Videos nicht mehr ungeprüft zu senden. Die offizielle Begründung: Womöglich enthielten die Videos versteckte Hinweise an die weltweit verstreuten Terrorzellen. Dies erscheint denkbar – und doch vorgeschoben. Denn im „Krieg gegen den Terrorismus“ läuft für die USA einiges schief. Nicht militärisch, sondern ideell: an der Propagandafront.
Terrorismus ist, so die meisten Experten, vor allem bewaffnete Propaganda. Eine der wichtigsten Anti-Terror-Maßnahmen ist insofern, den Terroristen die beanspruchte Legitimation zu verwehren und sie zu gewöhnlichen Mördern zu degradieren. Die Rote Armee Fraktion etwa hat stets argumentiert, ihre Aktionen seien Kriegshandlungen. Die inhaftierten RAFler seien demnach nach der Genfer Konvention zu behandeln und nicht nach dem deutschen Strafgesetzbuch. Indem die Bundesregierung dies stets ablehnte, wahrte sie die ungleiche Augenhöhe: ein Staat verfolgte Kriminelle.
Anders die Regierung Bush, die sofort nach den Anschlägen von einem Krieg sprach. Mehr Anerkennung kann Terroristen nicht zuteil werden. Die USA, so die Message, betrachten Bin Laden nicht als Verbrecher, sondern als Feind. Ein Fehler. Denn mit einem Kriegsgegner kann man sich leichter solidarisieren als mit einem Mörder.
Jetzt spielt al-Qaida das Spiel weiter: Gegen die hochgerüsteten Flugzeugträger, Bomber und Spezialeinheiten Großbritanniens und der USA stehen einfach gekleidete Leute, die mit einer Kalaschnikow irgendwo im Gebirge auf dem Boden sitzen, zum Kampf gegen einen übermächtigen Gegner aufrufen und jetzt auch noch klare Kriegsziele formulieren: Befreiung Palästinas, Rückzug der USA aus Saudi-Arabien, Ende der Sanktionen gegen den Irak. Das sind Ziele, die von sehr vielen Menschen in der islamischen Welt geteilt werden. Der Schritt, den Feind des Feindes als Freund zu betrachten, ist da nicht mehr weit. Bin Laden hofft darauf.
Es hätte auch an den USA gelegen, die Ikonisierung Bin Ladens zu verhindern. Der Druck, der jetzt auf die Medien ausgeübt wird, weist seinen Worten nochmals größere Bedeutung zu. Er gewinnt schon wieder. BERND PICKERT
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