USA: We need you!
Die Stimme aus dem Ausland
von Bethany Allen-Ebrahimian„Foreign Policy Magazine“ (Washington)
Wir Amerikaner beobachten die diesjährigen deutschen Wahlen intensiv wie nie. Was nicht viel heißt: Amerikaner sind chronisch selbstbezogen. Wenn wir nicht gerade in euer Land einmarschiert sind, wissen die meisten Amerikaner vermutlich nicht viel über euer politisches System. Dank Amerikas Hilfe ist Deutschland heute ein geeintes Land, so denkt man hier. Hurra, Job erledigt! Jetzt können wir euch wieder getrost ignorieren.
Diese Bundestagswahlen verfolgen Amerikaner sehr gründlich – nicht aus einer Position der Stärke heraus, sondern aus einer der Schwäche.
Falls Sie es noch nicht wissen: Unser Präsident ist ein unerfahrener, narzisstischer, impulsiver, autoritärer Rassist ohne konsistente Außenpolitik – abgesehen von seinem Hass auf die liberale Weltordnung. Sie wissen schon: dieses System aus Institutionen, Gesetzen und internationalen Menschenrechten, das die USA in den 60 Jahren zuvor stets hochgehalten haben.
Ein Drittel des Landes unterstützt Donald Trump nach wie vor. Der Rest ist entsetzt von dem Mann, der jetzt für unsere Nation spricht und handelt. Wir sehen zu, wie er systematisch unsere loyalsten Verbündeten entfremdet, mit Diktatoren kuschelt und unsere eigenen demokratischen Institutionen mit einem Egoismus und einer Bösartigkeit attackiert, die er schon im Wahlkampf zeigte.
Deshalb zählen die Amerikaner darauf, dass Deutschland die liberale demokratische Führungsrolle übernehmen, die wir am 8. November 2016 so töricht weggeworfen haben. Während andere rechtspopulistische Bewegungen sich über Europa ausgebreitet haben und die EU von einem Orkan nach dem anderen gebeutelt wurde, stand Deutschland fest und unerschütterlich. Es scheint, als habe die aufsteigende extreme Rechte hier nicht so an Boden gewinnen können wie anderswo.
Was auch immer ihr da tut, es funktioniert. Und am 24. September hoffen wir, dass ihr Führungsfiguren wählt, die weiter dafür stehen. Ich höre Deutsche manchmal sagen, sie verstünden nicht, wieso Amerikaner Merkel derzeit als Anführerin der freien Welt begreifen. Vielleicht versteht ihr unsere Verzweiflung nicht. Besonders die Linken unter uns, die Deutschlands Sozialstaat und fortschrittliche Umweltpolitik immer bewundert haben, bekommen immer mehr das Gefühl, sie bräuchten dringend ein neues Land.
Vielleicht versuchen wir auch nur, unser schlechtes Gewissen zu beruhigen. Wir haben Trump gewählt. Jetzt wollen wir glauben, dass der Schaden, den er anrichtet, begrenzt werden kann, dass unser Chaos im Inneren nicht den Ruf der liberalen Demokratie und ihrer Institutionen und Werte beschädigt.
Ob ihr wollt oder nicht – wir hängen von euch ab. Für immer. Oder so lang, bis Amerika wieder zur Besinnung gekommen ist. Übersetzung: Nina Apin
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