USA wollen die IS-Miliz bombardieren: Eine unausgegorene Strategie
US-Präsident Obama will die IS im Irak und auch in Syrien bombardieren lassen. Doch davon würde vor allem die Islamistenmiliz Nusra-Front profitieren.
ISTANBUL taz | Nur keine Truppen am Boden – das ist das Credo von Barack Obama seit er amerikanischer Präsident ist. Das hat er auch in seiner Rede an die Nation am Mittwochabend noch einmal betont. Der Kampf gegen die Extremisten vom Islamischen Staat (IS) werde anders geführt als die Kriege im Irak und in Afghanistan, sagte Obama. Die Kriege beendet hat freilich auch er nicht. Stattdessen setzt Obama nur auf eine andere Taktik: Antiterror-Operationen, vornehmlich aus der Luft mit Kampfjets und Drohnen. So will er jetzt auch den Krieg gegen den IS – auch Isis oder Isil genannt – gewinnen. Dabei schloss er auch eine Ausweitung der Luftangriffe vom Irak auf Syrien aus.
Die vom Westen unterstützte syrische Opposition hat dies am Donnerstag begrüßt. Sie habe das lange gefordert und vor dem IS gewarnt, erklärte Hadi al-Bahra, Präsident der Nationalen Koalition. Gleichzeitig forderte al-Bahra militärische Unterstützung für die Rebellen von der Freien Syrischen Armee, aber auch eine Strategie, die zum Sturz des Regimes von Bashar al-Assad führt. Genau hier liegt ein Teil der Krux von Obamas Syrien-Plan.
Ein Großteil der inzwischen mehr als 191.000 Opfer des Kriegs gehen auf das Konto des Regimes. Bombardements mit Fassbomben sind an der Tagesordnung. Obama sagte nur, Assad könne kein Partner im Kampf gegen IS sein. Um Ziele in Syrien zu bombardieren, brauchen die Amerikaner aber die Zustimmung oder zumindest Duldung des Regimes – denn die syrische Armee ist zwar ausgezehrt, doch die Luftabwehr ist intakt. Oder will Obama das Risiko eingehen, dass seine Piloten von den Syrern abgeschossen werden?
Sollte Assad US-Luftangriffe dulden, dann sicher nur, weil er sich davon einen Vorteil versprechen würde. Der Despot glaubt noch immer, dass er den Krieg gewinnen wird, den Kampf führt er dabei aber weniger gegen den IS, sondern gegen die einheimischen Aufständischen. Obama hat hingegen angekündigt, dass er die sogenannten Moderaten stärken will.
Rückhalt in der Bevölkerung
Im vierten Jahr des Kriegs in Syrien haben sich freilich auch die Rebellen radikalisiert, die Moderaten sind längst unter die Räder gekommen. Neben dem IS ist heute die Al-Nusra-Front eine der schlagkräftigsten Organisationen. So könnte es passieren, dass nicht die Moderaten, sondern am Ende dieser syrische Al-Qaida-Ableger von den US-Luftangriffen profitiert.
Darüber hinaus läuft Obama Gefahr, dass sein Antiterrorkampf den IS eher stärkt als schwächt. Denn der IS ist nicht nur eine Terrororganisation, sondern auch eine klassische Aufstandsbewegung. In Rakka, der faktischen Hauptstadt des IS in Nordsyrien, enthaupten die Fanatiker nicht nur, sie zahlen auch Löhne und sorgen für eine funktionierende Verwaltung.
Sie genießen teilweise Rückhalt in der Bevölkerung, weil sie von den Sunniten im Vergleich zu Assad, den Rebellen der irakische Armee oder den schiitischen Milizionären als das geringste Übel betrachtet werden. Sollten die US-Angriffe den Eindruck erwecken, sie richten sich gegen Sunniten, könnte das dem IS erst recht Zulauf bescheren.
Um diesen Eindruck zu vermeiden, sucht US-Außenminister John Kerry im Nahen Osten Bündnispartner für die Anti-IS-Koalition. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate verfolgen in Syrien jedoch andere Ziele als Katar und die Türkei. Nicht zuletzt daran ist bisher jeder Versuch gescheitert, die Assad-Gegner zu einen.
Faktisches Bündnis zwischen USA und Iran
Im Zentrum von Obamas Strategie steht der Irak. Seit Anfang August haben die Amerikaner mehr als 200 Luftangriffe geflogen und den IS-Vormarsch erst einmal gestoppt. Den Kampf am Boden führte freilich nicht die irakische Armee, sondern entweder die kurdischen Peschmerga oder schiitische Milizionäre. Die Milizionäre haben wie die IS-Extremisten Massaker an Zivilisten verübt.
Sie, aber auch die Peschmerga hindern Sunniten daran, in ihre Häuser zurückzukehren. Darüber hinaus hat der schiitisch geprägte Iran Militärberater geschickt, die die Kämpfe am Boden koordinieren. Faktisch besteht zwischen den beiden Erzfeinden Irak und USA nun ein taktisches Bündnis – die Sunniten wird Obama so wohl kaum gewinnen.
In seiner Rede hat er Somalia und den Jemen als Beispiele für erfolgreiche Antiterroreinsätze genannt. Nach 13 Jahren Drohneneinsätzen ist al-Qaida im Jemen weiterhin nicht geschlagen, im Norden gibt es immer wieder Kämpfe mit schiitischen Aufständischen. Und Somalia ist ein gescheiterter Staat. Erfolg stellt man sicher anders vor.
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