USA streiten mit Nachbarn: Mexiko will keinen Genmais aus dem Norden
Das Land muss ein Importverbot zurücknehmen. Nun strebt die Regierungschefin ein Anbauverbot des manipulierten Getreides an.
![Proteste Indigener in Mexiko City Proteste Indigener in Mexiko City](https://taz.de/picture/7504456/14/37581023-1.jpeg)
Nun hat Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum die alte Parole der Kleinbäuer*innen und Indigenen aufgegriffen, um für eine ungewöhnliche Reform zu werben. Die Staatschefin will das Verbot des Anbaus von genetisch manipuliertem Mais in der Verfassung festschreiben. „Mais ist ein Element nationaler Identität, dessen Aussaat frei von genetischer Manipulation sein muss“, soll demnach künftig in der Verfassung stehen. Bei der Kultivierung der Pflanze müsse besonderer Wert auf ökologisch sinnvolle Technologien gelegt werden, erklärte die Politikerin der linken Morena-Partei vergangene Woche. Die 59 endemischen Maissorten müssten durch die Verfassung vor dem Aussterben geschützt werden.
Mit diesen Vorschlägen reagierte Sheinbaum auf das Urteil eines Schiedsgerichts, das im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen Mexiko, Kanada und den USA (USMCA) geschaffen wurde. Das Gremium hatte vergangenen Dezember entschieden, dass die mexikanische Regierung ein von ihr verfügtes Importverbot für Genmais ab dem 4. Februar wieder aufheben muss und US-Firmen die umstrittene Ware wieder als Lebensmittel in das Nachbarland exportieren dürfen.
Sheinbaums Vorgänger und Parteifreund Andrés Manuel López Obrador hatte die Einfuhr von Genmais aus den Vereinigten Staaten für den menschlichen Verzehr 2023 verbieten lassen. Zudem wies er staatliche Stellen an, auf jegliche Nutzung von Genmais und Glyphosat in öffentlichen Programmen zu verzichten. Das manipulierte Korn gefährde die Gesundheit und zerstöre die Vielfalt einheimischer Pflanzen. Mit Blick auf Glyphosat, das beim Genmais-Anbau zur Abwendung von Plagen verwendet wird, verwies sie die Regierung auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die WHO stuft das Herbizid seit 2015 als wahrscheinlich krebserregend ein. Glyphosat schade zudem der Umwelt sowie Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren, so López Obrador.
USA und Kanada klagten gegen Importverbot
Die US- und die kanadische Regierung wollten sich mit dem Verbot nicht abfinden. Sie klagten vor der USMCA-Schiedskommission und bekamen nun Recht. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass das Importverbot nicht wissenschaftlich fundiert sei und den freien Marktzugang beeinträchtige, den das Land durch den Handelsvertrag garantieren müsse. „Mexiko ist in seinen Risikoeinschätzungen nicht nach internationalen Standards vorgegangen“, hieß es im Abschlussbericht, der am 20. Dezember veröffentlicht wurde.
Sheinbaum reagierte versöhnlich. Man werde das Urteil akzeptieren, erklärte sie. Ihre Regierung werde aber Wege suchen, um die Gesundheit und die Biodiversität zu schützen. Aktivist*innen bezweifeln jedoch, dass die Verfassungsreform hierfür ausreichend ist. Die Kampagne „Sin maíz no hay país“ kritisiert, dass in dem Vorschlag nur vom Anbau in Mexiko die Rede sei, nicht aber vom Import. Das sei ein großer Rückschritt gegenüber López Obrador, der den Konsum einbezogen hatte. „Für das Schiedsgericht und die US-Regierung war das Anbauverbot in Mexiko nie das Problem“, erläuterte Kampagnensprecher David Rivero Fragoso auf einer Veranstaltung an der Universität UNAM in Mexiko-Stadt. Der Vorwurf: Sheinbaum wolle Konflikte mit Washington vermeiden.
US-Unternehmen dürften sich jedoch weniger Sorgen über den Verkauf ihres umstrittenen Getreides für den Konsum machen. Schließlich exportieren sie vor allem gelben Mais, der als Viehfutter verwendet wird, während die Mexikaner*innen die weißen Körner für ihre Tortillas und andere Lebensmittel selbst anbauen.
Wenn jedoch der Schutz der mexikanischen Bevölkerung vor Genmais Verfassungsrang bekommt und öffentliche Stellen sowie Agrar-Produzent*innen ihn nicht mehr kaufen, träfe das die Hersteller aus dem Norden erheblich. Mexiko ist derzeit der größte Abnehmer des meist genetisch modifizierten US-Maises. Etwa fünf Milliarden Dollar nehmen US-Firmen jährlich durch diese Exporte in das Nachbarland ein.
Aktivist*innen freuen sich über Erfolg
Für Mexikos kleinbäuerliche und indigene Bewegungen ist das Vorgehen der Morena-Regierung trotz der Kritik ein großer Erfolg. Seit das Land nach dem Inkrafttreten des Freihandelsvertrags 1994 mit billigem und genmanipuliertem Mais aus den USA überschwemmt wurde, kämpfen sie für einen restriktiven Umgang mit den Einfuhren. Einen Schritt sind sie nun weiter: Angesichts der großen Mehrheit, über die Morena und ihre Alliierten im Kongress und im Senat verfügt, dürfte die Verfassungsreform in beiden Häusern durchgehen. Da Sheinbaums Partei auch 23 der insgesamt 32 Landesparlamente dominiert, wird sie auch dort die nötige Zustimmung erhalten.
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