USA lockern Sanktionen gegen Kuba: Erster Schritt zurück zu Obama
Nach 16 Monaten im Amt erfüllt die US-Regierung von Joe Biden einen Teil des Wahlversprechens, die verschärften Sanktionen gegen Kuba zurückzunehmen.
Im einzelnen wird angekündigt, das eingefrorene Familienzusammenführungsprogramm wieder einzuführen, das die legale Einreise von Kubaner*innen in die USA erleichtert. Außerdem soll die Deckelung der Überweisungen von Exilkubaner*innen an ihre Verwandten auf der Insel von derzeit 1.000 US-Dollar pro Vierteljahr aufgehoben werden. Ohne irgendwelche Restriktionen gegen kubanische Finanzinstitutionen zu lockern, sollen Wege der direkten Geldüberweisung gefunden werden – und es soll auch möglich sein, kubanische Privatunternehmer*innen direkt mit Kapital zu unterstützen.
Zudem sollen wieder Direktflüge aus den USA auch in andere kubanische Städte außer der Hauptstadt Havanna möglich werden. Gruppenreisen von US-Amerikaner*innen zu Bildungszwecken werden erlaubt.
Die US-Botschaft in Havanna, deren Personal 2017 nach den bis heute ominösen Fällen plötzlicher Erkrankungen mehrerer Botschaftsmitarbeiter*innen fast vollkommen abgezogen worden war, hat schon vor zwei Wochen wieder mit der Bearbeitung von Visa-Anträgen begonnen. Die Konsulabteilung soll wieder aufgestockt werden, wenngleich das State Department betont, dass weiterhin der Großteil der Anträge am US-Konsulat in Georgetown, Guyana, gestellt werden soll.
Zurück zur Obama-Politik?
Mit den Maßnahmen erfüllt die Bidenregierung erstmals seit ihrem Amtsantritt wenigstens einen Teil des Wahlversprechens, die von Trump verhängten Maßnahmen aufzuheben und zur Lockerungspolitik der Obama-Regierung zurückzukehren.
Präsident Barack Obama hatte 2014 die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit der damals noch von Raúl Castro geführten kubanischen Regierung vereinbart, hatte an Restriktionen gelockert, was er ohne Kongressbeschluss lockern konnte und schließlich selbst als erster US-Präsident seit mehr als einem halben Jahrhundert die Insel besucht.
Seine Botschaft damals: Sechs Jahrzehnte Sanktionspolitik sind gescheitert, die US-Regierung suche nunmehr Wandel durch Annäherung. In Kuba war dieser Kurs durch einen drastischen Anstieg der Zahl US-amerikanischer Tourist*innen und im Hafen von Havanna anlandenden Kreuzfahrtschiffen sichtbar geworden. Die Rolling Stones spielten vor fast einer Million Menschen ein Konzert, Havannas berühmte Uferpromenade Malecón war tagelang Drehort für eine Folge von „Fast & Furious“, die Insel veränderte sich.
All das nahm mit der Präsidentschaft Donald Trumps ein jähes Ende. Zwar beendete er offiziell die diplomatischen Beziehungen nicht wieder, nahm jedoch alle sonstigen Änderungen zurück und ergriff noch eine Reihe verschärfter Maßnahmen.
Floridas Latinos und Kubas Repression erschweren die Lockerung
Joe Biden hatte im Wahlkampf versprochen, zur Obama-Politik zurückzukehren, die er selbst als Vizepräsident mit verantwortet hatte. Aber nach einer krachenden Wahlniederlage im wichtigen Swing State Florida, wo Trump 2020 insbesondere unter exilkubanischen und venezolanischen Wähler*innen überdurchschnittlich gut abgeschnitten hatte, verschoben sich die Prioritäten.
Eine interne Auswertung des State Department zog sich hin. Dann kam der Juli 2021, die Demonstrationen in Kuba samt ihrer Niederschlagung mit Massenverhaftungen und politischen Schauprozessen. Und wiederum gab es für die Bidenregierung keinen Anlass, irgendwelche Lockerungen zu verkünden.
Der Zeitpunkt jetzt geht auch nicht einher mit kubanischen Menschenrechtsverbesserungen, im Gegenteil. Er dürfte einem anderen Faktor zu schulden sein: Einwanderungsdruck. Seit das von Daniel Ortega diktatorisch regierte und mit Kuba eng verbündete Nicaragua im vergangenen Jahr die Visapflicht für Kubaner*innen aufgehoben hat, gelangten zehntausende zehntausende Kubaner*innen über das mittelamerikanische Land in die USA. Dort sind sie wieder eine der größten Gruppen, die über die mexikanische Grenze ins Land kommen. Schon vor einigen Wochen hatten über das Migrationsthema erstmals seit langer Zeit wieder US-kubanische Regierungsgespräche stattgefunden.
Innenpolitisch bleibt es für Biden ein gewagter Schritt, mit den Lockerungen wieder bei Obama anzuknüpfen. Scharfe Kritik kam umgehend von Robert Menendez. Der demokratische Senator mit exilkubanischen Wurzeln ist einflussreicher Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses und erklärte: „Die heutige Ankündigung läuft Gefahr, die falsche Message an die falschen Leute zu schicken, zur falschen Zeit und aus vollkommen falschen Gründen.“
Er sei erschüttert darüber, dass der Tourismus wieder erlaubt werde. „Um ganz deutlich zu sein: Wer immer noch glaubt, dass verstärktes Reisen die Demokratie in Kuba hervorbringen könnte, verleugnet die Realität.“
Und Marco Rubio, ebenfalls kubanischstämmiger republikanischer Senator aus Florida, schrieb auf Twitter: „Das Regime in Kuba hat Biden mit Masseneinwanderung gedroht und hat Sympathisanten innerhalb der Regierung. Im Ergebnis sehen wir heute die ersten Schritte zurück zur gescheiterten Obama-Politik in Kuba.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“