USA gegen Israels Siedlungsbau: 700 Häuser – und dann ist Schluss
Die USA entsenden gleich vier Politiker nach Israel, um ein Einfrieren des umstrittenen Siedlungsbaus zu erreichen. Ein Kompromiss sieht die Fertigstellung von 700 Häusern vor.

JERUSALEM taz | Das Tor zum Gelände des ehemaligen Shepherd Hotel in Ostjerusalem ist mit einer dicken Eisenkette verschlossen. "Hier darf keiner rein", sagt der Wachmann. Das Haus in dem arabischen Stadtteil Scheich Dscharrah ist ein langgestreckter dreistöckiger Bau mit einer verwahrlosten Gartenanlage. Seit Jahren steht es leer, die Fenster sind zerborsten und mit Planen notdürftig geflickt.
Das Grundstück ist riesig - Platz genug für 20 Wohnungen in dem ehemaligen Hotel. Doch wenn es nach dem Besitzer, dem amerikanisch-jüdischen Millionär Irving Moskowitz geht, dann sollen auf dem Grundstück 90 weitere Einheiten für israelische Siedler entstehen.
Genehmigt sind die Pläne bereits, aber das Vorhaben des Siedler-Mäzens hat bei den USA, dem engsten Verbündeten Israels, einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Sie laufen nach amerikanischer Lesart allen Bemühungen zuwider, eine Friedenslösung zu finden und den Palästinensern einen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt zu ermöglichen.
Diese Woche sind deshalb gleich vier US-Vertreter in Nahost, um die Israelis zu einem Einfrieren des Siedlungsausbaus zu bewegen: Nahost-Vermittler George Mitchell, US-Verteidigungsminister Robert Gates, Nahost-Berater Dennis Ross und Sicherheitsberater James Jones.
Washington verlangt von Israel einen sofortigen Baustopp - ohne Ausnahmen. Israel dagegen besteht darauf, dass der Staat dem "natürlichen Wachstum" der Siedler entsprechen müsse. Jerusalem als die "ewige und unteilbare" Hauptstadt sei ohnehin ausgenommen, denn der 1967 eroberte Ostteil wurde annektiert.
Hier soll, so haben es bisher alle israelischen Regierungen gesehen, jeder überall bauen und wohnen dürfen. "Ich kann mir ausmalen, was es für einen Aufschrei gebe, wenn jemand vorschlagen würde, Juden dürften in New York, London, Paris oder Rom in bestimmten Vierteln nicht leben", so Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu.
Doch die USA sind ein zu wichtiger Bündnispartner, um sich völlig zu verweigern. Außerdem hielt Gates den unwilligen Israelis "Zuckerbrot" bereit: Die USA würden "auch weiterhin dafür sorgen, dass Israel die modernsten Waffen zur Verteidigung erhält", sagte er nach einem Treffen mit Verteidigungsminister Ehud Barak. Einem Kompromiss beim Siedlungsstreit ist man Berichten zufolge schon sehr nah.
Danach verhandelt Mitchell derzeit mit den Israelis und Palästinensern über ein konkretes Angebot: Israel soll 700 Gebäude mit 2.480 Wohnungen für jüdische Siedler, deren Bau bereits weit fortgeschritten ist, fertig bauen dürfen. Dafür würden alle anderen Projekte für eine bestimmte, noch festzusetzende Zeit eingefroren. Außerdem sollen die Außenposten der regulären Siedlungen geräumt werden.
Der Regierung von US-Präsident Barack Obama geht es vor allem darum zu verhindern, dass Israel weiter Fakten schafft. Die Bauvorhaben sind an einem kritischen Punkt angelangt. Schon jetzt ist das arabische Ostjerusalem im Norden und Süden von jüdischen Siedlungen umgeben. Wenn die jüdische Siedlung Ma'ale Adumim weiter ausgebaut wird, dann wäre der Ostteil der Stadt vom Westjordanland praktisch abgeschnitten. Ein palästinensischer Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt wäre dann nicht mehr möglich.
Unrealistisch ist dieses Szenario nicht. Die Baupläne sind fertig und genehmigt. Eine sechsspurige Straße mit einer Verbindungsbrücke zu Ma'ale Adumin ist gebaut, die Infrastruktur angelegt. Für den Startschuss fehlt nur noch die Unterschrift des Verteidigungsministers.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren
Protestaktion gegen CDU-Chef Merz
Alle Tassen im Konrad-Adenauer-Haus?
USA in der Ukraine
Geheime Verhandlungen mit der Opposition
Afghan*innen nach Deutschland geflogen
Klägliches Ende der Evakuierungs-Pläne
Schuldenbremse und Sondervermögen
„Geht die Union auch heimlich kiffen?“
Trumps Kahlschlagpolitik
Forschende und Studierende protestieren gegen die US-Regierung