USA-Tour von Bayer Leverkusen: Botschafter aus dem Mittelzentrum
Bayer Leverkusen ist mit seinen drei Trophäen in den USA unterwegs – für den Konzern und die Liga und das späte Glück von Jens Nowotny.
V ielleicht muss man etwas Milde walten lassen. Es ist schließlich die allererste Trophy Tour in der Vereinsgeschichte von Bayer Leverkusen. Ziel sind die USA. Und ja, etwas mehr Sorgfalt bei der Auswahl des Termins, um die Einwohner von New York an die drei großen Triumphe des Werkklubs aus dem „Mittelzentrum im südlichen Nordrhein-Westfalen“ (Wikipedia) zu erinnern, wäre möglich gewesen. Seit den Terroranschlägen von 2001 ist der 11. September in New York anderen Erinnerungen vorbehalten.
So gab es einen kleinen Shitstorm, als Bayer Leverkusen über seine Social-Media-Kanäle bekannt gab, just am 11. September in New York mit der Meisterschale, dem DFB-Pokal und der Super-Cup-Trophäe im Gepäck aufzukreuzen. „Pietätlos“ und „unsensibel“ lauteten die noch harmloseren Vorwürfe. Möglicherweise bucht die Reisegruppe aus Leverkusen noch schnell einen Termin an der zentralen Gedenkstätte mit angeschlossenem Museum im neuen World Trade Center.
Die Kritiker von Bayer Leverkusen verbindet indes etwas mit den Organisatoren dieser Trophy Tour. Sie überschätzen etwas die Wellen, welche die Reise des Fußball-Bundesligisten in den USA schlagen könnte. Die Aufregung über das schlechte Timing könnte eine deutsche Angelegenheit bleiben. In den New Yorker Medien war der hohe Besuch aus Leverkusen bislang noch kein Thema. Wer etwas von der „Champions Night mit hochkarätigen Gästen in Manhattan“ erfahren will, muss sich schon auf der Website von Bayer Leverkusen informieren.
Geschäftsführer Fernando Carro, der zugleich der Reiseleiter ist, spricht zwar von einer „wachsenden Fangemeinde“ in den USA, aber auch Zuwachsraten müssen in Relation gesehen werden. Es würde nicht verwundern, wenn der 60-Jährige nach der Tour die meisten von diesen Fans persönlich kennt.
Der USA-Ausflug soll nicht nur der Fußballabteilung in Leverkusen dienen. Carro unterstrich, dass man auch als „Botschafter und Repräsentant der Bundesliga“ vor Ort sei. Und die Firmenangestellten von Bayer sollen obendrein Anteil nehmen können an den großen Erfolgen der Fußballprofis in Deutschland. Deshalb ist ein Besuch in der Nordamerika-Zentrale der Bayer AG in New Jersey geplant. Bei einem „Townhall Meeting“ soll den Mitarbeitenden die Gelegenheit geboten werden, „die drei Trophäen unter die Lupe zu nehmen und Erinnerungsfotos zu schießen“. So ist es auf der Website von Bayer Leverkusen nachzulesen.
Gut möglich, dass sich die Angestellten des Chemie- und Pharmakonzerns in den USA etwas wundern werden über diesen drolligen Verein aus Deutschland, der über so viele Wettbewerbsvorteile verfügt, wie sie im US-Sport nicht denkbar sind, und dennoch so lange warten musste, um endlich einmal irgendwelche Trophäen zu gewinnen. Und das obwohl Bayer Leverkusen der Konkurrenz die besten Talente und Spitzenspieler wegkaufen kann, weil es in Deutschland anders als in den USA kein Draft-System oder einen Maximalbetrag (Salary Cap) gibt, den alle Vereine gleichermaßen für Spielergehälter aufwenden dürfen.
Weitere Bayer-Spazierfahrten mit den drei Pokalen sollen in dieser Saison noch nach Mexiko und Brasilien folgen. Beim FC Bayern wird man sich vielleicht wundern, was dieser ganze Zinnober soll, nur weil man mal in einer Saison drei Pokale gewonnen hat. Aber schon allein wegen Jens Nowotny muss man diese Trophäentour begrüßen. Der Ehrenspieler von Bayer Leverkusen wird nämlich in den USA dabei sein. Endlich kann der vierfache deutsche Vize-Meister, einmalige Vize-Pokalsieger und Vize-Champions-League-Sieger einmal Trophäen vorführen.
Ein Höhepunkt des Ausflugs wird dann die „Watchparty“ am Samstag im Radegast Hall & Biergarten in Brooklyn sein. Der deutsche Firmenclassico zwischen SAP und Bayer, zwischen der TSG Hoffenheim und Leverkusen, kann um 9.30 Uhr (Ortszeit) live auf einer großen Leinwand verfolgt werden. Hochkarätige Gäste sind für dieses besondere Spektakel noch nicht angekündigt worden.
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