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USA-ChinaKurz vor dem Deal

Nach Handelsgesprächen zwischen Peking und Washington scheint der Weg frei zu sein für einen großen Deal. Deutschland wählt eine andere Strategie.

Eigentlich nicht überraschend: Ji Xinpin und Donald Trump haben ähnliche Interessen Foto: Damir Sagolj/reuters
Fabian Kretschmer

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Fabian Kretschmer aus Seoul

Als Chinas Unterhändler Li Chenggang von einer „vorläufigen Einigung“ sprach, reagierten viele Nachrichtenredaktionen mit Skepsis. Kann es wirklich sein, dass die fünfte Runde der US-amerikanisch-chinesischen Handelsgespräche, die dieses Wochenende im malaysischen Kuala Lumpur stattfanden, so positiv verliefen?

Eine halbe Stunde später bestätigte auch US-Finanzminister Scott Bessent zuversichtlich, dass man „erfolgreiche Rahmenbedingungen“ für das bevorstehende Gipfeltreffen zwischen Xi Jinping und Donald Trump geschaffen habe.

Und tatsächlich: Die von Trump angekündigten zusätzlichen Strafzölle in Höhe von 100 Prozent seien „effektiv vom Tisch“, sagte Bessent. Im Gegenzug werde China offenbar seine Exportkontrollen bei Seltenen Erden aussetzen und auch verstärkt Sojabohnen aus den Vereinigten Staaten importieren.

Auch beim Kampf gegen Fentanyl – jenes hochpotente Opiat, dessen Vorprodukte oft aus chinesischen Labors stammen und das in den USA zu einer furchtbaren Drogenepidemie geführt hat – habe man sich auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Kurzum: In praktisch allen Streitfragen scheinen die zwei Seiten Kompromisse gefunden zu haben.

Die Details bleiben noch vage, dennoch dürfte die Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen sein, dass die zwei Staatschefs Xi und Trump bei ihrem geplanten Treffen am Donnerstag in Südkorea einen großen Deal verkünden werden. Die Börsen werden bis dahin sicherlich vor Euphorie überschäumen.

Wie die USA bisher mit China umgingen

Ein Rückblick: Als US-Präsidenten Barack Obama 2011 seinen „strategischen Schwenk“ nach Asien einleitete, begannen die US-amerikanisch-chinesischen Beziehungen allmählich ungemütlich zu werden. Sein Nachfolger Donald Trump brach schließlich während seiner ersten Amtszeit einen handfesten Handelskrieg vom Zaun – als Reaktion auf die massiven Wettbewerbsverstöße des chinesischen Staatskapitalismus.

Joe Biden verschärfte den harten China-Kurs noch zusätzlich, indem er seinen wirtschaftspolitischen Werkzeugkasten um Tech-Sanktionen erweiterte: Chinas Volkswirtschaft ist mittlerweile von der führenden Chip-Technologie des Westens abgeschnitten.

Während der letzten Monate holte Trump schließlich die Zollkeule heraus – und drohte der Volksrepublik China mit immer absurd höheren Strafzölle. Die chinesische Staatsführung reagierte jedoch konsistent mit Gegenmaßnahmen – und spielte zuletzt mit einem De-facto-Exportstopp von Seltenen Erden seinen ersten Joker aus. Davon ist die gesamte Weltwirtschaft abhängig, und die Rohstoffe werden zu großen Teilen in China gewonnen und zu noch größeren Teilen dort verarbeitet.

Nun also dürfte es zumindest zu einer verlängerten Feuerpause im Handelsstreit zwischen den zwei Weltmächten kommen. Am 30. Oktober werden sich Trump und Xi in Südkorea treffen. Und wahrscheinlich wird der US-Präsident bei dieser Gelegenheit seinen „vollständigen Deal“ verkünden, den er der Weltöffentlichkeit zuvor bereits versprochen hatte. Wie weitreichend die Einigung schlussendlich ausfallen wird, lässt sich noch nicht sagen. Und ebenso offen ist, ob sie dauerhaft halten wird.

Die Weltwirtschaft dürfte davon profitieren, dass die USA und China wieder zu einem konstruktiven Miteinander finden. Dennoch machen die Verhandlungen zwischen den zwei Weltmächten auch die schwindende Bedeutung der Europäischen Union deutlich. Ganz offensichtlich verhandelt die Volksrepublik nur mit den Vereinigten Staaten auf Augenhöhe. Selbst Deutschland, immerhin Chinas größter europäischer Handelspartner, bekommt vor allem die machtpolitische Peitsche des Einparteienstaats zu spüren: Eigentlich hätte nämlich am Sonntag Außenminister Johann Wadephul (CDU) seinen Antrittsbesuch nach Peking beginnen sollen, doch er bekam bis zuletzt – abseits des Treffens mit seinem Amtskollegen Wang Yi – keine weiteren Termine zugesichert.

Warum China Wadephul zappeln ließ

Dass die Chinesen Wadephul zappeln ließen, hatte offensichtlich mit seiner – wie Peking finden dürfte – „falschen Sicht“ auf die Taiwan-Frage zu tun. Die chinesische Staatsführung wollte wohl Vergeltung dafür ausüben, dass der deutsche Spitzendiplomat sich nicht explizit gegen eine Unabhängigkeit der demokratisch regierten Insel ausgesprochen hatte. Insofern war Wadephuls Verschiebung seiner Dienstreise ein richtiger und mutiger Schritt, um Peking zu zeigen, dass man sich nicht dem willkürlichen Druck einer Autokratie beugt.

Gleichzeitig hat das Reich der Mitte deutlich gemacht, dass es gar nicht daran denkt, irgendwelche Zugeständnisse an die Europäer zu machen. Denn die USA haben aufgrund ihres überlegenen Finanzsystems und der Technologieführerschaft in vielen Bereichen Asse im Ärmel. Die EU ist zwar auch ein wichtiger Absatzmarkt für China. Vergleicht man die gegenseitige Abhängigkeit, liegt der Vorteil jedoch auf Pekings Seite.

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