US-Vorwahlen in Zeiten von Corona: Sieg für Biden und Corona

Nur in drei statt geplant sechs Bundesstaaten fanden am Dienstag Vorwahlen der Demokraten statt. Biden gewann alle. Aber das Thema ist die Pandemie.

Ein Mann und eine Frau mit Gesichtsmasken verlassen ein Wahllokal in Florida

Vorwahlen der Demokraten in den USA: Wahllokal in St. Petersburg, Florida Foto: rts

NEW YORK taz | Das Coronavirus hat die USA im Griff. Die anrollende Katastrophe, die bis Dienstag bereits 5.600 Menschen im Land infiziert und 101 getötet hat, machte die Vorwahlen, die am Dienstag ursprünglich in sechs, dann noch in vier Bundesstaaten geplant waren, zu einem Randereignis.

Georgia und Louisiana hatten ihre Vorwahlen schon vergangene Woche verschoben, in Ohio sagte der Gouverneur die Wahlen im letzten Moment wegen der öffentlichen Gesundheit ab. Übrig blieben für den Wahltag am Dienstag die Bundesstaaten Florida, Illinois und Arizona.

In Illinois sind jede Menge WahlhelferInnen aus Angst vor Ansteckungen zu Hause geblieben In Arizona blieben Wahllokale geschlossen, weil sie an Orten waren, die wegen des Virus für die Öffentlichkeit gesperrt sind. Altersheime vor allem. Überall blieb die Wahlbeteiligung bleibt weiter hinter den Erwartungen und weit hinter dem Enthusiasmus der vorausgegangenen Primaries in anderen Bundesstaaten zurück.

Aber das Ergebnis dieser ersten Vorwahlen, die komplett im Zeichen der Pandemie standen, ist eindeutig. Es bedeutet, dass die Demokratische Partei hinter einem Zentristen alter Schule in das Rennen um das Weiße Haus gehen wird. Der 77-jährige Joe Biden wird gegen Donald Trump antreten. Der demokratische Sozialist Bernie Sanders hat zwar noch nicht das Ende seiner Kandidatur erklärt. Aber seine Kampagne ist am Ende.

Das Misstrauen der jungen Linken gegen Biden

Biden hat alle drei Vorwahlen vom Dienstag gewonnen. In Arizona kam Biden auf knapp 44, Sanders auf 32 Prozent. In Illinois siegte Biden mit 59 Prozent gegen 36 von Sanders. Am schlimmsten erging es Sanders in Florida: In dem delegiertenreichen Swing State, der auch für den Wahlausgang im November eine entscheidende Rolle spielt, kam er nur auf knapp 22 Prozent der Stimmen, Biden auf 62.

Die Zahlen addieren sich nicht auf 100 Prozent – das liegt vor allem an vielen BriefwählerInnen, die zu einem Zeitpunkt abstimmten, als noch viel mehr KandidatInnen auf dem Stimmzettel standen.

Biden, der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama, hat den kompletten Apparat der Partei, die große Mehrheit der afroamerikanischen WählerInnen, die alten WählerInnen und die weißen Vorstadtfrauen aus der Mittelschicht hinter sich.

Bernie Sanders schaffte es nicht, an seinen eigenen Hochburgen von 2016 erneut zu gewinnen. Und er schaffte es auch nicht, die jungen WählerInnen massiv an die Urnen zu holen. Noch bevor alle Ergebnisse vorlagen, zeigte Sanders am Dienstagabend, dass er die Botschaft verstanden hat. Bei einer Konferenz konzentrierte er sich komplett auf das Vorgehen gegen die Pandemie – in seiner Funktion als Senator.

Corona in allen 50 Bundesstaaten angekommen

Biden muss nun die tief gespaltene demokratische Partei vereinen. Dabei muss er versuchen, die Sanders-Basis, die er seit Monaten als „zu links“ und „zu radikal“ kritisiert hat, zu gewinnen. Sanders' AnhängerInnen sind skeptisch gegen einen Kandidaten, der seit Jahrzehnten für die Politik steht, die Sanders kritisiert. Darunter die Verschärfung der Strafjustiz, die Kürzungen in der Sozialversicherung, die Freihandelsabkommen, der Irak- und andere Kriege und Interventionen und die Abhängigkeit von mächtigen Interessengruppen aus Öl- und Pharmabranche und Wall Street, die Bidens Wahlkampf finanzieren.

Als wäre die Annäherung zwischen Biden- und Sanders-WählerInnen nicht schon schwer genug, muss Biden jetzt in einem Klima Wahlkampf führen, in dem sich kaum jemand im Land noch für Vorwahlen interessiert. Das Thema ist jetzt die Coronavirus-Pandemie, bei der Hunderttausende, wenn nicht mehr als eine Million Menschen ihr Leben verlieren könnten.

Wegen der Ansteckungsgefahren wird Biden einen Wahlkampf unter Ausschluss des Publikums machen müssen. Und seine Unterstützer können auch nicht an Haustüren klopfen. Nicht nur die verbleibenden Vorwahlen bis in den Juni und der Nominierungsparteitag im Juli stehen unter dem Zeichen der Pandemie. Es ist nicht auszuschließen, dass Trump versuchen wird, die Wahlen im November zu verschieben.

Am Dienstag, als zum ersten Mal in der US-Geschichte die Sankt-Patricks-Parade in New York ausfiel, bei der gewöhnlich fast zwei Millionen Menschen zuschauen, hatte das Virus alle 50 Bundesstaaten erreicht. Es war nicht nur klar, dass sich eine Gesundheitskatastrophe nie dagewesenen Ausmaßes anbahnte. Sondern auch, dass die USA in eine neue Rezession abgestürzt sind.

Während der Präsident gestikulierte, waren die GouverneurInnen und BürgermeisterInnen allein mit den Vorbereitungen auf den Massenandrang von IntensivpatientInnen, der ab nächster Woche erwartet wird. Die PolitikerInnen vor Ort flehen die Bundesregierung seit Tagen um Unterstützung an. Sie brauchen mehr Geld, mehr Beamtungsgeräte, mehr Schutzkleidung und Hilfe beim Aufbau von Notkrankenhäusern – viele hoffen auf den Einsatz des Militärs. Allein im Bundesstaat New York fehlen laut Gouverneur Cuomo zwischen 55.000 und 110.000 Betten für den erwarteten Andrang von Schwerkranken.

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