US-TV-Duell Clinton/Sanders: Jede Stimme zählt

Endlich Streit beim demokratischen TV-Duell: Clinton schaltet in den Kampfmodus. Sie muss sich den immer gleichen Vorwurf gefallen lassen.

Hillary Clinton und Bernie Sanders geben sich die Hand

Handshake ja, aber für zu viele Nettigkeiten ist dann doch kein Platz: Es ist Wahlkampfzeit. Foto: reuters

WASHINGTON taz | Progressiv? Ist hier jemand progressiv? Fünf Tage vor der zweiten Vorwahl in den USA im Bundesstaat New Hampshire versuchen sich Hillary Clinton und Bernie Sanders darin zu übertrumpfen, wem das Label besser steht. Und streiten sich bei ihrem vom linken Nachrichtensender MSNBC übertragenen TV-Duell endlich einmal – nachdem sie in den vorangegangenen Debatten mehr oder weniger Nettigkeiten ausgetauscht hatten.

Doch der Druck nimmt zu, vor allem für Clinton, nachdem sich die beiden demokratischen Präsidentschaftsbewerber beim Caucus in Iowa am Montag ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert hatten. Sanders, dem vor Monaten nicht der Hauch einer Chance eingeräumt wurde, kommt der Favoritin Clinton auf einmal bedrohlich nah und so finden sich die beiden am Donnerstagabend in einer Situation der vertauschten Rollen. Sanders ist der Favorit auf einen Sieg in New Hampshire und Clinton ist der „Underdog“. Ihr Team bezeichnet New Hampshire als Sanders „Hinterhof“, da der Bundesstaat an Sanders Heimatstaat Vermont grenzt. Eine Karte gespielt mit dem Kalkül, am Dienstag doch als die starke Kandidatin in Erscheinung zu treten und zu gewinnen.

Und dieser Druck beflügelt Clinton ganz offensichtlich in den Kampfmodus zu schalten. Hatten die beiden bisher von negativen Aussagen abgesehen, entschließt sich Clinton zu einer direkten Attacke auf Sanders: „Ich denke es ist an der Zeit, dass sie und ihr Team die kunstvolle Hetzkampagne gegen mich beenden, die sie in den vergangenen Wochen gegen mich gefahren haben und wir wieder über Inhalte reden.“ Sanders hat Clinton wiederholt vorgeworfen, horrende Summen für Reden bei Firmen wie Goldman Sachs eingestrichen zu haben und dadurch in ihrer Politik beeinflusst worden zu sein.

Clinton erntet für ihre Attacke ein paar Buh-Rufen aus dem Publikum, aber Sanders, zunächst merklich überrumpelt, nimmt den Ball auf und hält Clinton erneut die aus seiner Sicht zu große Nähe zur Wall Street und zum Establishment vor. Und zum großen Geld. Geld, das Sanders – und das ist einer seiner großen Trümpfe – sogar in einem Wahlkampf meidet, der eigentlich nur mit großem Geld zu gewinnen ist.

27 Dollar. Diese Summe wiederholt Sanders mehrfach. Mehr als drei Millionen hat Sanders durch Tausende Einzelspenden für seinen Wahlkampf gesammelt, im Schnitt 27 Dollar pro Spender. Eine fast lächerlich kleine Summe. Da ist Sanders ganz bei sich und geht so weit, zu sagen: „Das Geschäftsmodell der Wall Street ist Betrug.“ In seiner Pointiertheit ein perfekter Satz für die sozialen Netzwerke, auf Twitter wird er direkt aufgegriffen und kommentiert – sowohl positiv als auch kritisch.

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Clinton wehrt den Establishment-Vorwurf mit dem Frauenargument ab. Wenn sie als Frau sich darum bewerbe, erste Präsidentin des Landes zu werden und das ein Beispiel für das Establishment sei, amüsiere sie das doch sehr, so Clinton.

Doch wer ist nun der progressivere von beiden Kandidaten? Da hat Sanders schon allein qua Programm und Biographie die bessern Karten, aber es ist unterhaltsam mit anzuschauen, wie beide immer wieder ihre einstudierten Schlagworte aufzählen. Bei Sanders das große Geld, die Wall Street und die 27-Dollar-Parteispenden, bei Clinton ihre Bilanz als Außenministerin und damit einhergehend ihr Versprechen, Dinge zu erledigen und Aufgaben zu bewältigen.

Sanders ist der Favorit auf einen Sieg in New Hampshire und Clinton ist der „Underdog“

Neben dem konfrontativeren Stil hilft der Debatte auch, dass erstmals nur Clinton und Sanders auf der Bühne stehen. Der dritte Kandidat Martin O’Malley hatte nach seinem schlechten Abschneiden in Iowa das Rennen aufgegeben.

Schwächen bei der Außenpolitik

Und vielleicht hätte man nach diesem Wettbewerb der Ideologien das Duell einfach beenden sollen. Aber so folgen noch die üblichen Themen: Außenpolitik, Veteranen, Krankenversicherung, Clintons E-Mail-Affäre. Bei der Außenpolitik zeigt Sanders erneut Schwächen, ein großes Manko im Vergleich zu Clinton. Da reißt es auch nicht sein wiederholter Hinweis raus, dass er nach den Terroranschlägen 2001 gegen den Einmarsch in den Irak gestimmt hätte.

Nach gutem Auftakt hat das alles Trotz der guten Moderation von MSNBC-Frontfrau Rachel Maddow und ihrem Kollegen Chuck Todd Abschaltcharakter und nimmt der Debatte etwas von dem so lang herbeigesehnten Duell, das es zu Beginn des Abends endlich war. Am Schluss herrscht wieder große Harmonie, als Sanders feststellt: „An unseren schlimmsten Tagen sind wir immer noch hundert Mal besser als irgendeiner der republikanischen Kanidaten.“ Da nickt natürlich auch Hillary Clinton.

Das letzte Wort überlässt sie Sanders dann aber doch nicht. Als der 74-Jährige nach der Debatte schon lange Bühne und Publikum verlassen hat, steht Clinton immer noch da. Lacht, winkt, schüttelt Hände, diskutiert. Sie weißt jetzt, dass die Floskel zur Notwendigkeit geworden ist: Jede Stimme zählt.

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