US-Schauspielerin Gena Rowlands ist tot: Frau mit Einfluss
Gena Rowlands schuf mit ihren Rollen im US-Indiekino ab den 1960ern ein selbstbewusstes Frauenbild. Nachruf auf eine singuläre Schauspielerin.
Was Gena Rowlands, speziell 1974 in „Frau unter Einfluss“ und 1977 in „Opening Night“, auf die Leinwand brachte, hatte man in dieser Intensität bis dahin kaum gesehen. Gemäß der von Regisseur John Cassavetes geprägten Ästhetik des Nichtperfekten bestimmt sie darin das kinematografische Bild und nicht das Bild sie.
In „Eine Frau unter Einfluss“ folgt die Kamera ihr verzweifelt bei ihren unberechenbaren Ausbrüchen, und oft genug kommt sie der Schauspielerin nicht hinterher. So verleiht sie einer Frauenfigur Ausdruck, die den Druck, der auf ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter lastet, nicht mehr aushält. Dagegen rebelliert sie, und Peter Falk in der Rolle ihres Mannes kann nur hilflos dabei zuschauen.
Eine ähnliche Figur spielt sie in dem Theaterfilm „Opening Night“, nur wird da eine weitere Spielebene eingezogen, indem Rowlands eine Schauspielerin verkörpert, die in ein Alter kommt, in dem sie ihre Schönheit verliert.
Beängstigende Intensität
Gegen dieses gesellschaftliche Stereotyp, dass nur junge Frauen begehrenswert sind, spielt Gena Rowlands als Figur und als Schauspielerin zugleich mit einer beängstigenden Intensität an. Sie balanciert auf dem schmalen Grat zwischen wirklicher und gespielter Empfindung.
Geboren wurde sie 1930 in Cambria, Wisconson, verbrachte einen Teil ihrer Kindheit in Washington, D. C., und Milwaukee, Wisconsin, bis sie Anfang der 1950er Jahre an der renommierten American Academy of Dramatic Arts Schauspiel studierte. Dort lernte sie John Cassavetes kennen, den sie 1954 heiratete. Man könnte sie als Method-Actress par excellence bezeichnen, doch interessierten sich die beiden für weitaus radikalere Filmerzählungen, die mehr dem Undergroundkino verhaftet waren.
Das erste Resultat war 1968 „Gesichter“, ein Film wie ein Schlag ins Gesicht des Hollywoodkinos, das zu jener Zeit bereits daniederlag. Zu ihrem Gesicht gehörte die große Sonnenbrille, die etwas verdeckt, verbirgt, Tränen vielleicht oder eine spät gewordene Nacht, die sie aber auch überaus mondän wirken lassen kann.
Hochkomplexe Liebesdramen
Die Filme, die sie ab den 1960er Jahren mit Cassavetes machte, waren weitab vom klassischen und auch vom aufkommenden New Hollywood. Von dem erst 1980 entstandenen großartigen Gangsterfilm „Gloria“ abgesehen, sind es keine Genrefilme, es sind hochkomplexe Liebesdramen, die wehtun. Immer wieder verbindet sich das Private und das Berufliche zwischen Gena Rowlands und John Cassavetes auf durchdringende Weise, so etwa, wenn die beiden als Ehepaar 1971 in „Minnie und Moskowitz“ aufeinander einschlagen.
Wenn sie jetzt anlässlich ihres Todes am Mittwoch als Ikone des Indie-Films gepriesen wird, so muss man feststellen, dass sie, von Woody Allens „Eine andere Frau“ (1988) und Jim Jarmuschs „Night on Earth“ (1991) abgesehen, in kaum einem Film mitspielte, der in die Kernzeit des Indie-Films nach dem New Hollywood fiel.
In den 1980er und 90er Jahren arbeitete sie viel für das Fernsehen, doch in der Regel nicht mit bekannten Indie-Regisseuren. Im Kino wirkte sie in den 1990er und 2000er Jahren vor allem in Filmen ihres Sohns Nick Cassavetes mit, der 1985 in die Fußstapfen seines Vaters zu treten begann.
Eine schöne Hommage an sie und die 1970er Jahre ist der vorletzte Teil des Episodenfilms „Paris, je t’aime“ (2006). Eine Frau trifft sich mit ihrem Mann in einem Pariser Restaurant und dieser Mann ist Ben Gazzara, der in „Opening Night“ den Regisseur spielte und zu den Lieblingsschauspielern von Cassavetes zählte. Es ist, als treffe Gena Rowlands einen alten Freund wieder. Ihre Bedeutung nicht nur für das Independentkino, sondern den US-amerikanischen Film überhaupt wurde 2015 mit einem Ehrenoscar honoriert. Gena Rowlands wurde 94 Jahre alt.
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