US-Sängerin Roberta Flack gestorben: Gar nicht immer soft
US-Soulsängerin Roberta Flack ist gestorben. Ihr Song „Killing me softly“ wurde zum Welthit. Ihr soziales Engagement sollte nicht vergessen werden.
Bevor Roberta Flack 1973 mit dem Hit „Killing me softly (with this song)“ auch in Europa bekannt wurde, war sie schon ein Star in den USA. Bekannt wurde sie dadurch, weil der Regisseur und Schauspieler Clint Eastwood Flacks Song „The First Time I Ever Saw Your Face“ im Soundtrack seines Films „Play Misty for Me“ (Deutscher Titel: Sadistico) in einer Schlüsselszene einsetzte.
Auch ein TV-Auftritt in der Show von Komiker Bill Cosby brachte die junge Frau 1971 in die US-Wohnzimmer. Vermarktet wurde Roberta Flack von ihrem Label Atlantic Records zwar nur als begabte Soulsängerin, aber sie hatte mehr als ihre sinnliche, wandlungsfähige Stimme: Flack komponierte ihre Songs im Alleingang oder zusammen mit Künstlerkollegen und, sie arrangierte Coverversionen nach ihrer Façon am Keyboard.
Flack setzte gegenüber dem Label stets ihre eigene Auswahl an Songs durch. Schon als 25-Jährige galt sie als „sophisticated“ in einer Musikindustrie, die die Segregation am Ende der 1960er Jahre eher mühsam hinter sich gelassen hatte. Flack hatte eine Lehrerinnenausbildung durchlaufen, auch später, als sie längst berühmt war, ging sie immer wieder in ihren erlernten Beruf zurück und unterrichtete sozial benachteiligte Kinder beim Notenlesen.
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Ende der 1960er, zu Zeiten von Black Power und „Black is beautiful“ sorgte die Künstlerin schon durch ihre Afrofrisur für Aufsehen. Ihre Freundschaft zum Politiker Reverend Jesse Jackson und zur Philosophin und Aktivistin Angela Davis waren kein Geheimnis, Flack scherte sich nicht, ob sie damit die „moral majority“ herausforderte. Schon auf ihrem Debütalbum interpretierte Flack den Song „Tryin' Times“, geschrieben von Donny Hataway und Leroy Hutson. Er thematisierte die Aufstände und die strukturelle Benachteiligung der Schwarzen in den US-Innenstädten nach 1968, aber erwähnte dabei auch einen Generationskonflikt mit den eigenen Eltern, die alles still erduldeten: „Tryin' times/Is what the world is talkin' about/ You got confusion all over the land/ Mother against daughter, father against son/ The whole thing is gettin' out of hand“.
Ein Jazzpianist hat Flack entdeckt
Das Klavierspiel bekam Flack im Kindesalter von ihrer Mutter beigebracht. Der Vater arbeitete im US-Bundesstaat Virginia als Organist. Spirituals waren Roberta Flack aus dem Gospelgottesdienst früh vertraut, sie spielte diese auch späterhin wie im Schlaf. Flack mischt das Geistliche immer mit dem Weltlichen, konnte Himmel und Hölle in ein und demselben Song aufrufen, ohne dass eine der beiden Parteien benachteiligt worden wäre. Mit 15 erhielt sie ein Klavier-Stipendium an der renommierten Howard-Universität in Washington, dort begann sie auch, in Bars aufzutreten und eigene Songs zu testen. Keine Selbstverständlichkeit in der männerdominierten Welt des US-Showbiz.
Der Jazzpianist Les McCann gilt als ihr Entdecker, er brachte auch Stars wie Burt Bacharach und Ramsey Lewis dazu, Roberta Flack auszuchecken und konnte ihr Ende der 1960er einen Plattenvertrag bei Atlantic verschaffen. „Ihre Stimme schaffte es mühelos, diverse Gefühlslagen zu streifen, sei es durch Antippen, Streicheln, Einfangen oder Kitzeln“, sagte er einmal über Flacks variantenreiches Organ. Flack dankte es ihm, als sie McCann für ihr Album „Quiet Fire“ (1972) verpflichtete.
Überhaupt wird Roberta Flack als kollegial gerühmt. Zusammen mit dem Sänger Donny Hathaway bildete sie zunächst ein kongeniales Gesangsduo, half Hathaway aber auch bei seiner Solokarriere als Soulsänger, die tragisch früh mit dessen Tod 1979 endete. An Hathaways Schicksal – er sprang nach einem schizophrenen Schub aus dem Fenster eines Hotels in den Tod- hatte Roberta Flack über lange Jahre zu knapsen.
The Fugees
Sie nahm in den 1980ern zwar Alben mit anderen Künstlern auf, aber die tiefe Verbundenheit, wie zu Hathaway, sollte sich nicht wieder einstellen.
Erst durch den HipHop-Track „Killing me Softly“ der Fugees, der beim Original relativ schamlos sampelte, erinnerte sich der Mainstream Mitte der 1990er wieder an Roberta Flacks Können. Die Karriere der einstigen Grammy-Preisträgerin wurde auch dadurch reaktiviert, dass die Fugees ebenfalls mit dem Grammy ausgezeichnet wurden. In der Folge regnete es erneut Preise und Auszeichnungen für Roberta Flack.
Wie deep und sozial bewusst ihre Musik ist, bewies nicht zuletzt der Detroiter Houseproduzent Moodymann (Kenny Dixon Jr.), der einen Sample von Flacks Song „Sunday and Sister Jones“ für den Titeltrack seines Albums „Taken Away“ (2020) nutzt. In dem Track verarbeitet Moodymann eine Verhaftung, als er von zwei Polizisten in Detroit mit vorgehaltener Waffe von seinem eigenen Grundstück in einen Streifenwagen gezwungen wurde.
Schon Flacks Original setzt sich 1971 mit der rassistischen Benachteiligung von Schwarzen in der US-Mehrheitsgesellschaft auseinander. „Ich habe immer versucht, erfolgreich zu sein, und eine musikalische Allrounderin“, erzählte Roberta Flack der britischen Zeitung „The Telegraph“ 2015. „Aretha Franklin und die Drifters waren meine HeldInnen. Wie sie wollte ich spielen, aber zugleich auch Werte vermitteln.“
2016 erlitt Roberta Flack einen Schlaganfall, sie hatte außerdem mit der Krankenheit ALS zu kämpfen. Am Montag ist sie im Alter von 88 Jahren gestorben. Sie ist eine Legende, deren Musik uns immer im Ohr bleiben wird, ob soft oder nicht.
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