US-Präsidentschaftswahlen 2024: „Auf der Bühne fast eingeschlafen“

Joe Biden gibt neue Gründe für TV-Desaster, aber die Unruhe bei US-Demokraten wächst. Trump erreicht Verschiebung der New Yorker Strafmaß-Verkündung.

Portraitaufnahme des US-Präsidenten Joe Biden

Jetzt beschreibt er sich schon selbst als „Sleepy Joe“: US-Präsident Joe Biden Foto: Elizabeth Frantz/reuters

WASHINGTON dpa/rtr | Nach Joe Bidens desaströsem Auftritt beim Fernsehduell gegen seinen Konkurrenten Donald Trump wächst der Druck auf den US-Präsidenten auch in den eigenen Reihen. Ein erster demokratischer Abgeordneter aus dem US-Repräsentantenhaus forderte Biden öffentlich auf, aus dem Rennen um die Präsidentschaft auszusteigen und Platz für einen anderen Kandidaten zu machen. Es falle ihm nicht leicht, seine Vorbehalte öffentlich zu machen, schrieb der texanische Abgeordnete Lloyd Doggett in einer Stellungnahme, aus der US-Medien zitierten. Anders als Trump habe Biden immer den Interessen des Landes gedient und nicht seinen eigenen. Er hoffe, der Präsident werde die schwierige und schmerzhafte Entscheidung treffen, seinen Rückzug anzutreten, so Doggett. „Ich fordere ihn respektvoll auf, dies zu tun.“

Die ehemalige Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verteidigte Biden und attestierte ihm in einem Interview mit dem US-Sender MSNBC „Urteilsvermögen und strategisches Denken“. Auf Nachfrage sagte die Demokratin auch, dass es eine „berechtigte Frage“ sei, ob es sich bei Bidens Patzer im TV-Duell „nur um eine Episode oder einen Zustand“ gehandelt habe.

Biden selbst will den Grund für seinen verpatzten Auftritt im TV-Duell gegen Herausforderer Donald Trump ausgemacht haben: Müdigkeit. Der 81-Jährige begründete seinen schwachen Auftritt mit Erschöpfung nach einer Reihe anstrengender Auslandsreisen. Bei einem Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat Virginia sagte er laut mitreisenden Journalisten, er sei kurz vor der TV-Debatte faktisch mehrmals um die Welt gereist, was „nicht sehr klug“ gewesen sei. Er habe nicht auf seine Mitarbeiter gehört – „und dann bin ich auf der Bühne fast eingeschlafen“. Das sei zwar keine Entschuldigung, aber eine Erklärung.

In Bidens Terminkalender standen im vergangenen Monat tatsächlich zwei große Auslandsreisen. Zuerst war er Anfang Juni bei einer Gedenkveranstaltung zur Landung der Alliierten in der Normandie in Frankreich. Direkt im Anschluss absolvierte Biden einen Staatsbesuch in Paris, bei dem ihn Frankreichs Präsident mit großem Programm empfing. Dann flog er zurück in die USA – um nur wenige Tage später, Mitte Juni, wieder nach Italien zum G7-Gipfel zu reisen. Von dort aus ging es wiederum über neun Zeitzonen zurück an die US-Westküste, wo er in Los Angeles an einer exklusiven Spendengala für seinen Wahlkampf teilnahm.

Am 17. Juni empfing Biden in Washington Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Ab dem 20. Juni weilte er schließlich in Camp David – dem Landsitz des US-Präsidenten nahe der Hauptstadt. Dort bereitete sich Biden mit seinem Team auf die Debatte vor und absolvierte rund eine Woche lang keine öffentlichen Termine.

Weißes Haus geht die Offensive

Auch das Weiße Haus bemühte sich, Zweifel an Bidens Eignung für das Amt zu zerstreuen und seinen verpatzten Auftritt im Fernsehen so gut es geht vergessen zu machen. Der Präsident habe eben einen schlechten Abend gehabt, betonte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, bei einer Pressekonferenz. „Wir werden ein neues Kapitel aufschlagen“, sagte sie. Biden werde die Menschen in den USA bei Ortsterminen selbst von seinen Qualitäten überzeugen.

In den kommenden Tagen wolle sich Biden zudem mit demokratischen Kongressmitgliedern und Gouverneuren treffen, kündigte Jean-Pierre an. Geplant seien auch ein Fernsehinterview, Wahlkampfauftritte und in der kommenden Woche eine Pressekonferenz beim Nato-Gipfel in Washington. Biden selbst gab sich bei einem Termin in Washington bestens gelaunt und selbstbewusst. Seine Ansprache las er wie üblich von einem Teleprompter ab.

Alternative zu Biden unklar

Wie am Dienstag aus einer Reuters/Ipsos-Erhebung hervorging, liegt Biden in der Wählergunst auch nach seinem als schwach bewerteten Auftritt bei einer Debatte gegen Donald Trump mit dem Republikaner faktisch gleichauf. Auch Vizepräsidentin Kamala Harris könnte unter Einbezug der Fehlermarge noch mit Trump gleichziehen.

Die Gouverneure Gavin Newsom aus Kalifornien, Gretchen Whitmer aus Michigan und J.B. Pritzker aus Illinois liegen alle mehr oder weniger deutlich hinter dem Republikaner. Vom Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, hatten 70 Prozent der befragten Demokraten nicht einmal gehört.

Die Ausnahme ist Michelle Obama, die Trump mit 50 Prozent zu 39 Prozent schlagen würde. Die Ehefrau des Ex-Präsidenten Barack Obama hat jedoch erklärt, dass sie nicht für eine Kandidatur zur Verfügung steht.

Trump profitiert von Immunitätsentscheidung

Im Schweigegeldprozess gegen Donald Trump ist die Verhängung des Strafmaßes um mehrere Monate verschoben worden. Der zuständige Richter Juan Merchan verlegte den ursprünglich für den 11. Juli angesetzten Termin auf den 18. September. Dies ist nach dem Parteitag der Republikaner am 15. Juli. Hintergrund ist das Urteil des Obersten Gerichts zur Immunität von Präsidenten am Montag. Trumps Anwälte argumentierten unmittelbar anschließend, damit sei die Verurteilung des republikanischen Präsidentschafts-Kandidaten hinfällig. Die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates New York erklärte ihrerseits, sie halte dies zwar für nicht stichhaltig. Man werde sich jedoch einer Verschiebung nicht widersetzen.

Trump war am 30. Mai in dem Verfahren von Geschworenen schuldig gesprochen worden. Über das Strafmaß entscheidet in New York in diesem Fall der Richter. Zwar droht Trump theoretisch eine Haftstrafe. Experten rechnen jedoch eher mit einem Bußgeld. Frühere Entscheidungen von Richtern im Zusammenhang mit dem Fall ließen es zunächst unwahrscheinlich erscheinen, dass der Schuldspruch aufgehoben werden könnte. Trumps Anwälte hatten im vergangenen Jahr ein ähnliches Argument vorgelegt beim Versuch, das Verfahren vor ein Bundesgericht verlegen zu lassen. Der zuständige Bundesbezirksrichter Alvin Hellerstein schrieb damals: „Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar stehen nicht im Zusammenhang mit den Amtshandlungen eines Präsidenten.“

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