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US-Häftling entlassenVier Jahrzehnte in Einzelhaft

Ein früherer Aktivist der Black Panthers saß wegen Mordes an einem Gefängniswärter in Haft. Bis heute bestreitet Albert Woodfox eine Beteiligung an der Tat.

Der erste öffentliche Auftritt Woodfox‘ am Freitag Abend. Foto: ap

Chicago AFP | In den USA ist ein Häftling nach mehr als vier Jahrzehnten in Einzelhaft entlassen worden. Albert Woodfox, ein früherer Aktivist der Schwarzenrechts-Bewegung Black Panthers, war zusammen mit einem weiteren Schwarzen wegen der Ermordung eines weißen Gefängniswärters in der Haftanstalt Angola in Louisiana im Jahr 1972 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Woodfox kam am Freitag, seinem 69. Geburtstag, frei.

Die beiden Männer und ein dritter Mitgefangener, Robert King, gehörten zur radikalen Bewegung der Black Panthers, die sich dem Schutz von Schwarzen vor Polizeigewalt verschrieben hatte. Die „Angola Three“ gerieten nach eigenen Angaben ins Visier der Gefängnisbehörden, weil sie gegen Missstände und Rassismus in dem auf einer ehemaligen Sklavenplantage erbauten Gefängnis aufbegehrten.

Woodfox bestreitet bis heute jede Mitwirkung an der Tötung des Wärters Brent Miller. Er war ohne Beweise auf der Grundlage der Aussage von drei Häftlingen verurteilt worden. Der Fall der drei Männer sorgte seit Jahren für scharfe Kritik von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International.

Woodfox kam als letzter der „Angola Three“ auf freien Fuß. King erlangte die Freiheit 2001, nachdem ein Gericht seine Verurteilung wegen Ermordung eines Mitgefangenen aufgrund von Verfahrensfehlern aufhob. Wallace wurde im Oktober 2013 im Hinblick auf einen neuen Prozess entlassen und starb drei Tage später an Krebs.

Deal ohne Schuldeingeständnis

Auch Woodfox‘ Freilassung ging ein langer Rechtsstreit mit der Justiz des US-Bundesstaats Louisiana voraus. Zwei Mal wurde seine Verurteilung wegen Diskriminierung und mangelhafter Verteidigung aufgehoben. Im vergangenen Juni ordnete ein Richter an, Woodfox mit sofortiger Wirkung auf freien Fuß zu setzen, weil nach so langer Zeit nicht mehr mit einem fairen Prozess zu rechnen sei. Doch die Justizbehörden wollten Woodfox zum dritten Mal den Prozess machen, ein Berufungsgericht kippte die Entscheidung des Richters.

Wegen seines schlechten Gesundheitszustands und seines Alters stimmte Woodfox jetzt einem Deal zu, wonach er – ohne ausdrückliches Schuldeingeständnis – zustimmte, sich nicht weiter gegen den Tatvorwurf zu verteidigen. Wie er erklärte, hatte er eigentlich vorgehabt, in einem neuen Verfahren seine Unschuld zu beweisen. Louisianas Generalstaatsanwalt Jeff Landry erklärte, das Arrangement diene der Gerechtigkeit. Woodfox sei wegen des Mordes an Miller verurteilt und habe dafür gebüßt.

„Auch wenn wir extrem glücklich sind, dass Albert Woodfox endlich frei ist, ist es nicht zu rechtfertigen, dass er gezwungen war, Jahrzehnt um Jahrzehnt diese (...) Isolationshaft zu erdulden, länger als irgendein anderer Häftling in der Geschichte der Vereinigten Staaten“, erklärte Woodfox‘ Anwalt George Kendall.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, sagte vor Reportern, Präsident Barack Obama sei davon überzeugt, dass Isolationshaft „angemessen und sparsam“ eingesetzt werden sollte. Rund 100.000 Häftlinge in den USA sind 23 von 24 Stunden am Tag in einer Einzelzelle inhaftiert. Sie haben praktisch keinen menschlichen Kontakt. Obama will diese Praxis künftig einschränken.

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7 Kommentare

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  • Und? Ich meine: Cui bono?

  • Die Strafjustiz in den USA gehoert schon lange reformiert. Die hohe Gefangenendichte (strukturell acht mal so viele wie in Deutschland) hat keinen messbaren Einfluss auf die Sicherheitslage im Land. Allerdings sind wir Deutschen mit unserer ueberaus laschen Strafjustiz keine guten Kritiker.

    • @Sven :

      Äh…?

       

      Wenn ich Sie richtig interpretiere, hat die hohe "Gefangenendichte" in den USA Ihrer Ansicht nach eine schlechtere (zumindest jedoch keine bessere) Sicherheitslage zur Folge, als die "überaus lasche" Strafjustiz in Deutschland. Hm. Und wieso sind wir Deutschen dann "keine guten Kritiker"? Ich meine: Wir kommen doch offenbar mit weniger Auwandt zum gleichen oder sogar zu einem besseren Ergebnis! Ist das denn nichts?

       

      Wie, zum Kuckuck, sollen die US-Amerikaner ihr System denn reformieren, wenn Wegsperren so wenig hilft wie laufen lassen? Ich fürchte, Sie haben sich dann doch zu kurz gefasst mit ihrem Kommentar. Wenn Sie eine Idee haben, wird die jedenfalls nicht so besonders deutlich.

  • "Künftig"? Die Idee fällt ihm aber früh ein. Aber angeblich ist "spät" ja besser als "nie"...!

  • ... und diese kultur- und zivilisationsbefreite Gesellschaft beherrscht als miltärische Monsterkrake den ganzen Planeten !

  • Die Rachegelüste der Menschen sind eines der Hauptursachen für Gewalt. Lebenslange Freiheitsstrafen helfen niemandem. Der Täter wird radikalisiert, das Opfer und die Angehörigen haben faktisch nichts davon (außer ein positives Rachegefühl). Das Groß der Bevölkerung kann sich trotzdem nicht vorstellen, auf Pragmatismus anstelle von Rache zu setzen.

    • @Smaug:

      "Cui bono - wem zum Vorteil?", hat schon Cicero gefragt vor mehr als 1.900 Jahren. Und zwar, wenn er gewollt hat, dass jemand eines Verbrechens verdächtigt wird. Das "Gros" seiner Zuhörer war misstrauisch genug, Cicero zu folgen. Aus Gründen. Bis heute machen sich Profiteure manchmal der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, wenn nicht gar der Anstiftung zur Tat - sofern sie nicht gleich selber Täter sind. Weshalb die Kriminalbeamten von heute immer noch fragen: "Wer hat was von der Tat?"

       

      Hat also tatsächlich niemand einen Nutzen von lebenslangen Freiheitsstrafen? Ich kann das nicht glauben. Es gibt sie schließlich noch. Obwohl sie kein Naturgesetz sind, sondern von Menschen gemacht. Von Menschen, die kaum jemals etwas tun, wovon sie sich keinen Gewinn versprechen. Wenn also klar ist, dass das Risiko der Radikalisierung der Verurteilten besteht, muss es einen sogenannten guten Grund dafür geben. Rache ist ein solcher guten Grund. Wenn auch ein ziemlich schlechter.

       

      Das "Gros der Bevölkerung" kann sich nicht vorstellen, auf Pragmatismus anstelle von Rache zu setzen? Wieso nicht? Das "Gros der Bevölkerung" wird doch gar nicht Opfer von Gewalt? Es muss sich also auch nicht rächen dafür. Allerdings ist das "Gros der Bevölkerung" auf Vertrauen angewiesen. Und zwar auf eins, das eigentlich gar keine Basis hat. Jeder von uns musst als Teil einer Gesellschaft täglich Tausenden von Menschen vertrauen, die er nicht (oder zu gut) kennt. Das ist viel einfacher, wenn man sich einreden kann, die "Bösen" wären alle lebenslänglich weggesperrt.

       

      Das ist natürlich Quatsch. Es ist bloß gleichzeitig beruhigend für den, der eigentlich wie Cicero misstraut. Der Glaube an die Rache macht zugleich beides möglich: das grundlose Ver- wie auch das grundlose Misstrauen. Der Selbstbetrug nutzt also Menschen, die zu faul, zu gierig und zu feige sind, sich ganz konkret auf andre einzulassen. Kein Wunder also, dass es ihn noch immer gibt.