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US-Außenminister Kerry auf Israel-BesuchKeine Friedensgespräche in Nahost

Beim Israel-Besuch kritisiert US-Außenminister Kerry palästinensischen Terror. Mit einem Durchbruch beim Nahost-Friedensprozess rechnet niemand mehr.

„Wir müssen gemeinsam gegen das Böse vorgehen“, sagte der israelische Präsident Rivlin (links). Foto: reuters

Jerusalem dpa | Zwei Monate nach Beginn einer neuen Gewaltwelle in Nahost hat US-Außenminister John Kerry palästinensische Anschläge klar als „Akte des Terrorismus“ verurteilt. „Israel hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, sich zu verteidigen“, sagte Kerry am Dienstag bei seinem ersten Besuch in Israel seit mehr als einem Jahr.

Vor einem Treffen Kerrys mit dem Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas in Ramallah bemängelte die palästinensische Nachrichtenagentur Maan, der US-Außenminister habe die israelische Besatzung in seinen Äußerungen überhaupt nicht erwähnt.

Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin begrüßte Kerry als „Freund Israels“ und sagte zu Anschlägen wie in Paris: „Die schrecklichen Szenen rund um die Welt schockieren uns alle. Alle freien Nationen haben mit der Bedrohung durch den radikalen Islam zu kämpfen und müssen gemeinsam gegen das Böse vorgehen.“

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte bei einem Treffen mit Kerry in Jerusalem, es könne „keinen Frieden geben, wenn es eine solche Terrorwelle gibt – weder hier noch anderswo auf der Welt, die denselben Angriff durch militante Islamisten und die Kräfte des Terrors erlebt“. Er sprach von einem weltweiten „Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei“.

Vier Verletzte bei Anschlag

Kurz vor dem Beginn von Kerrys Gesprächen kam es im Westjordanland zu einem neuen Anschlag. Vier israelische Sicherheitskräfte wurden verletzt, als ein Palästinenser sie mit seinem Auto rammte. Ein Auslöser der jüngsten Gewaltwelle mit fast 120 Toten ist ein Streit um Besuchs- und Gebetsrechte auf dem Tempelberg in Jerusalem, der Muslimen und Juden heilig ist.

Kerry sagte, er sei gekommen, um „über Wege zu sprechen, wie wir innerhalb der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten können, um den Terrorismus zurückzudrängen“. Er sprach auch von Bemühungen, die Ruhe wieder herzustellen. Man müsse „die Gelegenheiten bieten, die die meisten vernünftigen Menschen überall auf der Welt für sich und ihre Familien suchen“. Er sei sehr besorgt über die Lage in Syrien und die Terrormiliz „Islamischer Staat“.

Vor seinem Besuch schraubte er die Erwartungen an einen möglichen Durchbruch in Nahost deutlich herunter. Kerry werde sich nicht für eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche einsetzen, hieß es aus dem US-Außenministerium. Die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern waren im April 2014 zusammengebrochen.

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6 Kommentare

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  • Wer für die Feststellung, „(k)eine Friedensgespräche in Nahost“, verantwortlich ist, sollte darlegen, wo solche angekündigt wurden.

     

    Und es ist wohl richtig zu sagen, Kerry habe Angriffe mit Messer und Scheren als Akte eines Terrorismus bezeichnet, aber eben als besonderen, als eines solchen, der die Verurteilung bekommen würde, die er verdiene.

    Es mag einem dabei aufgehen, sie könnten auch Verurteilungen finden, die sie nicht verdienen, aber sprach Kerry überhaupt ausdrücklich von palästinensischen Angriffen?

    Es kann bemerkt werden (nicht von dpa), dass die ausdrückliche Verurteilung die Kerry machte, allen Akten des Terrors galt, und zwar jenen, die unschuldiges Leben kosten, und das tägliche Leben einer Nation stören würden.

     

    “Clearly, no people anywhere should live with daily violence; with attacks in the streets, with knives or scissors or cars. It is very clear to us that the terrorism, these acts of terrorism, which have been taking place deserve the condemnation that they are receiving. And today I express complete condemnation for any act of terror that takes innocent lives and disrupts the day-to-day life of a nation,”

    aus: http://www.timesofisrael.com/kerry-in-jerusalem-israel-has-right-obligation-to-defend-itself/

     

    Der Besuch war für Kerry auch eher eine Zumutung. Immerhin musste er neben sich den Chefdramaturgen der israelischen Regierung ertragen, dem in diesem Zusammenhang Äußerungen zugeschrieben werden, wie etwa dem Begehren, die internationale Staatengemeinschaft müsse den Bau der Siedlungsblöcke anerkennen, wenn sie von ihm wünsche, dass er Bebauungspläne der Palästinenser gestatte.

    „If the international community wants Israel to okay building plans for Palestinians, it should recognize Israel’s construction in the settlement blocs,..“

    aus: http://www.timesofisrael.com/kerry-in-ramallah-us-committed-to-palestinian-statehood/

     

    und in Ramallah fand Kerry eher „warme Worte“ des Verstehens. Worum ging es also?

  • "Wir müssen gemeinsam gegen das Böse vorgehen." - Wieviel Dummheit von Staatsmännern ist noch zu ertragen? Wieviel dumpfe Schlichtheit? Was ist "das Böse"? Doch immer der Andere! In einer komplexen Welt widerstreitender Interessen, in der alle Mächtigen "das Böse" für sich nutzen, je nachdem, wie es ihnen in den Kram paßt. Damit dürfen wir uns nicht abspeisen lassen. Laßt Intelligentere, Menschenfreundlichere ran! Rivlin, Kerry (... weitere Kandidaten einfügen) in die Produktion!

  • Netanjahu sagte: "es könne „keinen Frieden geben, wenn es eine solche Terrorwelle gibt – weder hier noch anderswo auf der Welt, die denselben Angriff durch militante Islamisten und die Kräfte des Terrors erlebt“. - Darum scheint es vor allem zu gehen. Es DARF keinen Frieden geben. Ohne Krieg kollabiert das kapitalistische System. - So weit, so schlecht. Daß unter Israelis wie Palästinensern sich allerdings seit Jahr und Tag nur Minderheiten finden, welche die jeweiligen Kriegshetzer kritisieren, ist ein Jammer. Warum sieht keine Mehrheit, daß "Blutfließen" das Wichtigste ist, um die Macht der Scharfmacher und Kriegsprofiteure (Militärapparate auf beiden Seiten) immer aufs Neue zu befestigen und ewig zu erhalten? Die Macht von Kasten, die ohne Bedrohung und Krieg wieder auf ihr Normalmaß zurückgeschrumpft würden? Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

    • @Albrecht Pohlmann:

      Um Friedensverhandlungen führen zu können, müssen erstmal die Waffen schweigen. Und dafür müssen beide Parteien sorgen. Ich kann nicht erkennen, dass die Fatah oder Hamas irgendetwas unternimmt, um die palästinensischen Jugendlichen von ihren Terrorakten abzuhalten. Im Gegenteil. Die werden als Helden gefeiert.

  • Netanyahu hat einmal mehr erklärt, was die Politik seit Rabin ohne Kursabweichung betreibt. Friedensbemühungen simulieren und die Palästinenser jeden Tag ein bisschen mehr von ihrem Land zu vertreiben. Am 10.11.2015 heuchelte Netanjahu noch sein Bekenntnis zu einer Zweistaatenlösung mit den Palästinensern. Es sind immer dieselben Phrasen. Worauf unsere Vertreter der US-Europäischen Wertegemeinschaft gegenüber Israel mit der Phrase antworten, Israel habe das Recht auf Selbstverteidigung. Das ist so das Übliche.

    • @Nico Frank:

      Das Recht auf Selbstverteidigung gilt also nicht für Israel und ist nur eine Phrase. Interessanter Standpunkt. Sie erwarten Friedenbemühungen von Netanjahu, wo seine Bevölkerung seit Wochen von palästinensischen Einzelkämpfern terrorartig überfallen wird? Geht's noch?