UN-Waffenembargo: Waffen für Syrien spalten Europa

Die englische und französische Regierung wollen die Rebellen unterstützen. In Deutschland zögert man noch. Eine EU-Entscheidung wurde vertagt.

Bald Nachschub? Kämpfer der Freien Syrischen Armee. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Schlittert Europa in den nächsten Krieg? Zwei Jahre nach der Intervention in Libyen zeichnet sich nun eine bewaffnete Einmischung in Syrien ab. Beim EU-Gipfel in Brüssel setzten sich Großbritannien und Frankreich am Freitag vehement für die Aufhebung des Waffenembargos ein, das die EU-Außenminister gerade erst bekräftigt hatten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt zunächst dagegen, wirkte am Ende aber unentschieden. „Ich begrüße, dass wir es abwägen“, war Merkels Fazit nach einer stundenlangen erhitzten Debatte. Sie habe „eine Reihe von Vorbehalten“ und würde sich eine gemeinsame EU-Position wünschen, so Merkel. Einigkeit sei aber auch „kein Wert an sich“.

Klar gegen Waffenlieferungen hatten sich Österreich und die Beneluxstaaten gestellt. Doch im Konzert der europäischen Großmächte spielen sie keine große Rolle. Hier geben traditionell die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien den Ton an. Der Gipfel beschloss, die Entscheidung zu vertagen – und die Außenminister zu beauftragten, das Embargo in einer Woche bei einem Treffen in Dublin erneut zu diskutieren.

Blutbad in Syrien

Ende Mai läuft das aktuelle Lieferverbot aus. Gibt es dann keine gemeinsame EU-Linie, können London und Paris den Rebellen Waffen schicken. Und so dürfte es wohl auch kommen. Denn der britische Regierungschef David Cameron und der französische Präsident François Hollande gaben sich entschlossen, dem Blutbad in Syrien nicht länger tatenlos zuzuschauen.

„Mehr als 70.000 Menschen haben schon ihr Leben gelassen, die politische Lösung funktioniert nicht“, sagte Cameron. Man müsse die befreiten Gebiete in Syrien verteidigen und die Koalition der Rebellen unterstützen, forderte Hollande. Zwar schränkte Cameron ein, dass London derzeit keine konkreten Pläne für Waffenlieferungen habe, hielt sich jedoch genau wie Hollande alle Optionen offen.

Der französische Staatschef deutete an, europäische Waffenlieferungen könnten über die Arabische Liga organisiert werden, um sicherzustellen, dass sie nur an die Opposition gehen und nicht in falsche Hände geraten. Rücksicht auf Russland will Frankreich, anders als Deutschland, nicht mehr nehmen. Russland liefere Waffen an den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, „daraus müssen wir die Konsequenzen ziehen“.

Merkel ging auf ihre guten Beziehungen zu Moskau nicht ein. Sie drehte den Spieß um und sagte, wenn das europäischen Embargo aufgehoben werde, könnten auch Russland und Iran Waffen nach Syrien exportieren. Außerdem sei mit weiteren Spannungen im Nahen Osten zu rechnen. Sie verstehe die „Dramatik der vielen Opfer“ in Syrien, wolle aber „den Konflikt nicht noch weiter anheizen“.

Absoluter Tiefpunkt

Der Streit erinnert an den Konflikt um Libyen vor zwei Jahren. Auch damals waren Frankreich und Großbritannien vorgeprescht. Deutschland hielt sich aus dem Krieg heraus und enthielt sich sogar bei einer Abstimmung im Uno-Sicherheitsrat. Damit stellte sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP) international ins Abseits. Es war der absolute Tiefpunkt seiner an Höhepunkten armen Amtszeit.

Auch jetzt wird wieder der Vorwurf laut, Berlin blockiere eine schlagkräftige EU-Außenpolitik. Deutsche Diplomaten kontern, Paris und London seien aus innenpolitischen Motiven vorgeprescht und spalteten die EU.

Fest steht, dass der Streit den Gipfel durcheinanderbrachte. Denn eigentlich wollte Merkel in Brüssel gar nicht über Syrien reden. Die Kanzlerin wollte ihr Lieblingsthema, den umstrittenen Sparkurs zur Krisenbewältigung, weiterverfolgen. Doch daraus wurde nichts: Am Ende war Syrien das Hauptthema. Statt einig hinter Merkel präsentierten sich die Europäer wieder einmal tief gespalten und außenpolitisch gelähmt.

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