UN-Resolution zum Nahostkonflikt: Neue Positionsbestimmung

Der Sicherheitsrat beschließt eine Resolution, die eine Pause in den Kampfhandlungen und eine Freilassung der Geiseln fordert. Die USA enthalten sich.

Blick in den Sicherheitsrat. Einzelne Hände sind zur Abstimmung erhoben

Nicht alle Hände: Abstimmung im Sicherheitsrat am 15. November über die Resolution Foto: Loey Felipe/Xinhua/imago

BERLIN taz | Mit 12 Ja-Stimmen bei 3 Enthaltungen hat der UN-Sicherheitsrat in der Nacht zum Donnerstag eine Resolution zum Gazakrieg verabschiedet – die erste seit dem Massaker der Hamas an israelischen Zi­vi­lis­t*in­nen am 7. Oktober.

In dem kurzen Text werden drei Dinge gefordert: Erstens sollen alle Kriegsparteien davon absehen, die Zivilbevölkerung von lebensnotwendiger Versorgung abzuschneiden. Zweitens humanitäre, mehrtägige Feuerpausen bei gleichzeitiger Einrichtung von sicheren Korridoren für Hilfs- und Versorungslieferungen. Und drittens die sofortige und bedingungslose Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln.

In der Resolution wird das Massaker der Hamas vom 7. Oktober nicht verurteilt, wie es die USA gefordert hatten. Mit dieser Begründung enthielten sich die USA und Großbritannien bei der finalen Abstimmung über die von Malta eingebrachte Vorlage – sahen aber davon ab, sie durch ein Veto zu blockieren.

Russland hatte zu Beginn der Sitzung noch einen Zusatz in die Resolution aufnehmen wollen. Damit sollte ein dauerhafter Waffenstillstand gefordert werden, ganz so, wie es auch in der Ende Oktober mit großer Mehrheit von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Resolution formuliert ist.

Dafür plädierte auch der Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde, die – genau wie Israel – zwar nicht Mitglied des Sicherheitsrats ist, aber zur Sitzung geladen wurde. Palästina ist zwar nicht UN-Mitglied, die Autonomiebehörde hat aber seit 2012 einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen.

Der Sicherheitsrat, sagte der palästinensische Vertreter Riyad Mansour, „hätte den Ruf der Vereinten Nationen und aller Hilfsorganisationen der Welt nach einem humanitären Waffenstillstand aufnehmen müssen. Zumindest hätte er sich die Forderung der Generalversammlung nach einer sofortigen und dauerhaften humanitären Waffenruhe mit dem Ziel der Einstellung der Feindseligkeiten“ zu eigen machen müssen, sagte Mansour.

Dafür fand sich im Sicherheitsrat allerdings keine Mehrheit, die Vetomacht USA stimmte dagegen – demonstrativ enttäuscht enthielt sich daraufhin auch Russland bei der schlussendlichen Abstimmung.

Feuerpausen, kein Waffenstillstand

Die geforderten humanitären Feuerpausen unterscheiden sich von einem Waffenstillstand dadurch, dass sie lediglich für eine bestimmte Zeit auf einem bestimmten Gebiet Schutz bieten, während ein Waffenstillstand, so vereinbart, in der Regel den Weg zu Verhandlungen über Modalitäten eines dauerhaften Kriegsendes ebnen soll.

Resolutionen des Sicherheitsrats sind formell sofort völkerrechtlich bindend. Nur heißt das nicht viel, wenn es keine allgemeine Bereitschaft gibt, auf die betroffenen Staaten oder Kriegsparteien auch Druck auszuüben. Grundsätzlich wären jetzt alle UN-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, alles dafür zu tun, dass die Resolution auch umgesetzt wird. So forderten es am Donnerstag auch humanitäre Organisationen.

Aber dass etwa Katar oder der Iran nunmehr ernsthaft auf die Hamas einwirken, sich nicht mehr hinter Zi­vi­lis­t*in­nen zu verstecken und ohne Gefangenenaustausch die Geiseln freizugeben, ist genauso unrealistisch wie, dass die USA Israel die militärische Unterstützung versagen würden, wenn die Netanjahu-Regierung nicht sofort einer Feuerpause zustimmt und Hilfsorganisationen und -güter im großen Stil in den Gazastreifen lässt.

Gleichwohl ist die Resolution eine Positionsbestimmung – was jetzt gerade passiert, sagt das höchste internationale Gremium, darf so nicht weitergehen.

Die US-Regierung, die sonst ihr Vetorecht im Sicherheitsrat fast immer ausnutzt, um Resolutionen zu verhindern, die der Regierung in Israel nicht gefallen, hat diese Entschließung passieren lassen. Und US-Präsident Joe Biden trat am Mittwoch in Washington vor die Presse und betonte die Notwendigkeit, jetzt aber wirklich für eine Zwei-Staaten-Lösung zu arbeiten.

Man sei darüber auch mit arabischen Partnern im Kontakt, sagte Biden, ohne aber detaillierter zu werden. Auch wie er sich eine Zwei-Staaten-Lösung eigentlich vorstelle angesichts der Präsenz von bis zu 700.000 israelischen Siedlern im Westjordanland, sagte Präsident Biden nicht.

Gleichwohl scheint die Notwendigkeit, sich darüber Gedanken zu machen, was mit dem Gazastreifen passieren soll, wenn Israel sein Ziel, die Hamas-Strukturen zu zerschlagen, irgendwann erreicht haben sollte, international wieder Bewegung in die seit Jahrzehnten festgefahrene Nahostdebatte zu bringen. Die Medienplattform Politico berichtete über ein kursierendes informelles Positionspapier der Bundesregierung, – ein „Non-Paper“ im diplomatischen Sprachgebrauch –, in dem vorgeschlagen werde, den Gazastreifen zumindest vorübergehend unter UN-Verwaltung zu stellen.

Im Papier ist laut Politico die Rede von einer „Internationalisierung von Gaza unter dem Schirm der Vereinten Nationen (und regionaler Partner)“, der dann ein sorgfältig organisierter Übergang in palästinensische Selbstverwaltung folgen solle, im besten Fall mit vorausgehenden Wahlen. Das alles werde viel politischen Willen und sehr viel Geld kosten, vermerkt das Papier. Die EU solle bei diesem Prozess eine aktive Rolle einnehmen und zumal dafür sorgen, den komplett eingefrorenen Nahost-Friedensprozess wiederzubeleben.

Israels Regierung hatte angekündigt, auf unbestimmte Zeit die Verantwortung für die Sicherheit im Gazastreifen zu übernehmen. Das klang nach Wiederbesetzung, und Washington warnte eindeutig vor dieser Option, genau wie der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell. Nach dem Krieg müsse eine palästinensische Autorität in Gaza übernehmen, sagte Borrell am Montag und betonte, er habe von „einer“ palästinensischen Autorität gesprochen, nicht zwangsläufig von der Autonomiebehörde.

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