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Befehl auf Video: „Tötet die Jesiden, wo ihr sie findet“

UN-Ermittler zum Völkermord an den Jesiden durch den „Islamischen Staat“ legen Abschlussbericht vor

Von Julia Neumann, Beirut

Ein UN-Untersuchungsteam hat Beweise für Völkermord an den Je­si­d*in­nen durch den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) vorgelegt. Das Ermittlungsteam „Unitad“ stuft die Ermordung, Vertreibung und Versklavung von Je­si­d*in­nen im Irak als Genozid ein. Das Team habe Angriffe, sexuelle Sklaverei, Verbrechen gegen Kinder und Massentötungen geprüft, erklärte Untersuchungsleiter Karim Khan vor dem UN-Sicherheitsrat am Montag. Auf Videos, die Massenexekutionen verherrlichen, sei die Anweisung zu hören: „Tötet sie, wo ihr sie findet.“

Die religiöse Minderheit der Jesid*innen, seit Jahrhunderten verfolgt, stammt aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Sie lebt vor allem in der Gegend um die irakische Stadt Mossul und im nahen Sindjar-Gebirge. Als der IS ­2014 im Nordirak die Kontrolle übernahm, zwang er zahlreiche Jesidinnen zur Sklaverei, tötete geschätzt 10.000 Menschen und vertrieb den Großteil der knapp 500.000 Jesid*innen.

Das UN-Team Unitad hatte 2017 angefangen, Beweise aufzunehmen. Sie untersuchten Laptops und Handys von IS-Mitgliedern, analysierten Verwaltungsdokumente und Propaganda-Videos des IS und befragten Zeug*innen. Insgesamt hat das Team 1.444 Täter identifiziert. Einige seien „eindeutig für das Verbrechen des Völkermords an der jesidischen Gemeinschaft verantwortlich“, heißt es im Abschlussbericht. Doch der Irak habe nicht das erforderliche Justiz- und Rechtssystem, um die Verbrechen als Völkermord und nicht nur als Terrorakte ahnden zu können, erklärte Khan.

„Wir suchen immer noch nach dem politischen Willen zur Strafverfolgung“, sagte Nadia Murad, eine irakische Jesidin, die vom IS versklavt und vergewaltigt wurde. Sie kämpft als Menschenrechtsaktivistin gegen den Einsatz sexueller Gewalt als Kriegswaffe, 2018 erhielt sie dafür den Friedensnobelpreis. Sie hatte sich auch mit der Anwältin Amal Clooney dafür starkgemacht, dass der UN-Sicherheitsrat das Unitad-Ermittlungsteam gründete. Sie wollen die Verbrechen vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen; Unitad-Chef Khan ist dessen designierter nächster Chefankläger.

Viele Je­si­d*in­nen sind nach Deutschland geflohen. Doch trotz Völkermordes gilt für sie kein genereller Anspruch auf Anerkennung als Geflüchtete. So entschied das Oberverwaltungsgericht Münster am Montag gegen eine 19-jährige irakische Jesidin in Solingen, die ­gegen ihre Abschiebung geklagt hatte. Das Gericht entschied, dass Je­si­d*in­nen im Irak keine Verfolgung mehr drohe.