Twitter will Meldefunktion verbessern: 140 Zeichen Hass
Wer beleidigt, kann gemeldet werden. Twitter will das vereinfachen und die User schützen. Die Neuerungen – erklärt am Beispiel von rechter Hetze.
BERLIN taz | Mit Gel sind die hellbraunen Haare zur Spitze geformt. Neben dem Profilbild steht: Ich bin Deutscher. Mit rund 700 Followern und über 43.000 Tweets in den vergangenen zwei Jahren ist FP* einer der aktivsten Accounts auf Twitter.
Die Tweets offenbaren die Gesinnung: „Ich eröffne hiermit die Bundesweite Jagdsaison auf die NeoStasi (bekannt als SAntifa).“ Oder Retweets wie „Dreht sich in diesem Idiotenland eigentlich nur noch alles um diesen vom Volk ungewollten menschlichen DRECK???“. Daneben gibt es Fotos von vermeintlichen Antifaschisten mit Klarnamen und Wohnorten oder deren Angehörigen. Eine klare Persönlichkeitsverletzung, der Twitter bisher nicht nachgeht.
Doch das soll sich nun verbessern. Belästigung und Missbrauch soll nun von den Betroffenen selbst einfacher gemeldet werden können, aber auch von Nichtbetroffenen, die sich an den Inhalten stören. Die Updates gibt es momentan jedoch nur für eine begrenzte Zahl von Nutzern, so Twitter. In einigen Wochen sollen sie von allen Usern genutzt werden können.
Bisher muss man Formulare ausfüllen, und der Betroffene steht in der Beweisschuld. Um zu melden, dass private Daten widerrechtlich gepostet wurden, muss der Betroffene bestätigen, dass die in den gemeldeten Tweets enthaltenen privaten Informationen dem Betroffenen gehören. Zudem dürfen die gemeldeten Informationen noch nicht an anderer Stelle im Internet veröffentlicht sein. Doch wie soll man das unter Kontrolle haben?
Ausblenden statt löschen
Die rechte Community ist kleiner als bei Facebook oder Youtube. Doch erfährt die Plattform in der Szene nach der HoGeSa-Demonstration in Köln Ende Oktober einen Aufschwung. Denn im Gegensatz zu Facebook ist es hier schwierig, Accounts löschen zu lassen, obwohl sich Twitter in den Nutzungsbedingungen eine sofortige Löschung vorbehält. Wenn Aussagen gegen die „nationalen Gesetze“ verstoßen, so Twitter, werden sie für das betroffene Land ausgeblendet.
Nun soll alles besser werden? Wohl kaum. Denn das große Problem: Von einer Änderung der Richtlinien spricht Twitter nicht. Worte wie Rassismus, Sexismus, oder Diskriminierung tauchen in Twitters Nutzungsbedingungen bisher nicht auf. Nur einen einzigen Passus zu Gewalt und Drohungen gibt es: „Du darfst keine expliziten spezifischen Gewaltandrohungen gegen andere veröffentlichen oder posten“.
Doch die Hetze findet oft unterschwellig zwischen den Zeilen statt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Hashtag #Schauhin. Dieser war ursprünglich Teil einer Kampagne zur Sichtbarmachung von Alltagsrassismus. Doch die Rechten deuteten #Schauhin für „alle nationalen Tweets gegen Überfremdung“ um.
Unter dem Hashtag finden sich unzählige Tweets zu Straftaten, die von Menschen mit vermeintlichem Migrationshintergrund begangen worden sein sollen sowie Fahndungsfotos und anderen rassistische Kommentare. Auch mit Twitters Neuerungen wird diese Hatz wohl weiterhin von den Nutzungsbedingungen gedeckt sein.
Und selbst wenn der Tatbestand der „spezifischen Gewaltandrohung“ erfüllt ist und die Meldung erfolgreich, heißt das noch lange nicht, dass die gemeldeten Beiträge verschwinden. Nach welchen Kriterien Soziale Netzwerke blockieren, sperren und löschen, ist undurchsichtig. Einige holen sich Rat bei NGOs oder Stiftungen, die sich mit Themen wie Rassismus auskennen. Entschieden wird jedoch von Mitarbeitern des Netzwerks, Algorithmen oder einer Mischung aus beidem. Bei Twitter soll nach eigenen Angaben ein „Trust & Safety-Team“ entscheiden.
*Benutzername abgekürzt
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