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Türkisches Militär in SyrienKurden-Stellungen bombardiert

Mit der Militäroffensive sollte der IS vertrieben werden. Jetzt geht die türkisch Armee aber auch gegen kurdische Kämpfer vor.

Türkische Panzer in Karkamis an der türkisch-syrischen Grenze Foto: ap

Karkamis AFP | Einen Tag nach Beginn ihrer Großoffensive im Norden Syriens hat die türkische Armee kurdische Verbände ins Visier genommen. Nach Berichten von Staatsmedien bombardierten die Streitkräfte im Nachbarland Stellungen von Kämpfern der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), weil diese sich nicht wie erwartet zurückgezogen hätten. Die Angriffe würden so lange andauern, bis die Kurden ihren Vormarsch stoppten, zitierte Anadolu einen Sicherheitsvertreter.

Die Türkei verlangt, dass sich die kurdischen Kämpfer hinter das östliche Ufer des Euphrat zurückziehen. US-Vizepräsident Joe Biden hatte der türkischen Regierung bei seinem Besuch am Mittwoch zugesichert, dass die USA bei den Kurden mit Nachdruck auf eben dies hinwirkten. Andernfalls setzten die Kurden die Unterstützung der USA aufs Spiel, hatte Biden gesagt.

Die türkische Armee begründete ihre Angriffe nun damit, dass die PYD die Erwartung nicht erfüllt habe und weiter westlich des Euphrat aktiv sei. Dies könne durch Erkenntnisse des türkischen Geheimdiensts belegt werden. Verteidigungsminister Fikri Isik sagte dem Sender NTV, es gebe keinen Beweis für einen Rückzug. Anadolu zitierte Sicherheitskreise, wonach die PYD-Kräfte seit Mittwoch sieben Dörfer eingenommen hätten.

Ein Sprecher der US-geführten Militärallianz gegen die Dschihadistenmiliz IS teilte mit, der „Hauptteil“ der kurdischen Kämpfer bewege sich bereits Richtung Osten; einige seien aber für Aufräumarbeiten zurückgeblieben.

Nach Informationen der Zeitung „Hürriyet“ identifizierte eine türkische Drohne PYD-Kämpfer zehn Kilometer nördlich der syrischen Stadt Manbidsch. Die Türkei habe sie beschossen und „eliminiert“, berichtete das Blatt ohne nähere Angaben. Nach Informationen der Zeitung setzte die türkische Armee am ersten Tag der Offensive 450 Soldaten ein; diese Zahl könne bis auf 15.000 gesteigert werden.

Entstehung kurdischen Autonomiegebiets verhindern

Die Türkei hatte am Mittwoch eine Großoffensive in Syrien gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gestartet. Die türkischen Streitkräfte setzten in der Umgebung des Grenzortes Dscharablus Kampfjets, Panzer und Artillerie ein. Die an der Seite der Türkei kämpfenden syrischen Rebellen nahmen die Stadt am Westufer des Euphrats in nur 14 Stunden ein, was im starken Kontrast zu Kämpfen um andere IS-kontrollierte Städte in Syrien und im Irak steht.

Der Einsatz richtet sich nach Angaben der türkischen Regierung aber auch explizit gegen die PYD. Ankara will die Ausweitung der kurdischen Einflussgebiete in Syrien und somit die Entstehung eines eigenständigen kurdischen Autonomiegebietes verhindern.

US-Außenminister John Kerry und sein russische Kollege Sergej Lawrow wollen sich am Freitag in Genf zu Gesprächen treffen, bei denen es vor allem um Syrien gehen dürfte. Die USA und Russland unterstützen im Syrien-Krieg gegnerische Konfliktparteien. Während Moskau die syrische Führung von Präsident Baschar al-Assad unterstützt, steht Washington an der Seite einiger Oppositionsgruppen. Beide Länder bekämpfen zudem die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).

In dem seit mehr als fünf Jahren andauernden Bürgerkrieg starben bereits etwa 280.000 Menschen. Mehrere internationale Anläufe zu einer Beendigung der Gewalt scheiterten bislang.

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5 Kommentare

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  • Die Türkei hat wenig Chancen, ihre Ziele in Syrien durchzusetzen, weil der Bürgerkrieg ein Fass ohne Boden ist und der IS mit unglaublichen Aktionen auf die Moral der türkischen Soldaten zielen wird. Dass die Türkei bereits in Syrien mit ihren Zielvorstellungen vollständig gescheitert ist, verwundert einen, wenn man sich diesen Aufmarsch ansieht, anscheinend kann Erdogan nicht aus Fehlern lernen. Aber wie wird es sein, wenn täglich Särger aus Syrien nach Hause geschickt werden? Die YPG hat in so aussichtslosen Gefechtssituation Standfestigkeit gezeigt, dass es mich wundern würde, wenn die Türkei jetzt Erfolge verbucht. Weitaus eher ist damit zurechnen, dass es mit kleinen Gefechten losgeht, dann folgen mehr Panzer, mehr Soldaten und dann knallt mal hier und mal dort eine IS-Bombe hoch und die Sache geht los. Der Iran, Hizbullah und Russen - sie alle haben schon viel bezahlt in diesem Krieg, glaubt die Türkei sie könne das Ganze für Nichts erleben? Außerdem hassen viele Syrer die Türken und die türkische Armee, Kurden sowieso.

  • Und da die Nato die Türkei nicht verlieren will, lassen wir diese Kriegsverbrachen natürlich zu.

  • Der Krieg der Türkei gegen die Kurden in Syrien ist ein gefährlicher Schritt der Türkei. Das ist kein normales exterritoriales Abenteuer – viele Kurden leben in der Türkei und das kann zu Konflikten führen, die nicht mehr beherrschbar sind - ob die Türkei das realistisch eingeschätzt hat?

    • @Georg Marder:

      Du meinst ob der jetzt schon existirende Bürgerkreig im Süden der Türkei sich auf das Land ausweitet? Mal schauen, das wird ne heikle Lage, womal es zugleich die nun veröffentlichen Berichte des BNDs gibt, nachdem die Türkei den IS immer noch aktiv unterstützt und damit eine nicht unerhebliche Sicherheitslücke innerhalb der Nato dastellt. Das würde sich mit Kurdischen Berichten decken, das Dscharablus nur so schnell eingenommen werden konnte, weil der IS es freiwillig aufgegeben hat. Sozusagen als kleiner Kriegserfolg für die Türken, so das sie in alle Ruhe die befriedung der Kurdengebiete vorbereiten können.

  • Zitat: "US-Vizepräsident Joe Biden hatte der türkischen Regierung bei seinem Besuch am Mittwoch zugesichert, dass die USA bei den Kurden mit Nachdruck auf eben dies hinwirkten. Andernfalls setzten die Kurden die Unterstützung der USA aufs Spiel, hatte Biden gesagt."

     

    Welche "Unterstützung" meinte Biden damit gleich noch mal? Die, die seine Koalition der Willigen, die nicht gewillt ist, wirklich ihren Arsch hinzuhalten, bisher vom Kurdischen Fußvolk hatte? Oder die, von der "die Kurden" noch nichts gemerkt haben, seit sie wieder zur Zielscheibe mutiert sind?

     

    Wie dem auch sei. Den IS wird es ganz sicher freuen, wenn seine Gegner sich jetzt gegenseitig an die Wäsche gehen, weil Erdogan Angst um sein künftiges Osmanisches Großreich hat. Begründete Angst, wie mir scheint. Er hat "die Kurden" zuletzt sehr verärgert. (Was man natürlich von Washington aus nicht unbedingt erkennen muss. Die Kurden sind als Volk ja doch recht klein und heimatlos.)

     

    Was aber die "Strategie und Taktik" des Joe Biden angeht: Wenn ich US-Vize wäre, würde ich mir von "den Türken" unter Erdogan nicht all zu viel versprechen momentan. Der Mann ist ganz genau so unberechenbar, wie seine ehrgeizigen Fans. Die haben ihre Restvernunft auch grade in den Schrank gesperrt. Nur clever sind sie immer noch. Genau so clever, wie Herr Biden oder "der IS".