Türkischer Wahlkampf in Deutschland: Erdoğans langer Arm
Wie sollen Türken in Deutschland beim Verfassungsreferendum stimmen? Es tobt ein innertürkischer Wahlkampf.
„Der Vorwurf der GEW ist eine bewusste Entstellung der Arbeit der türkischen Konsulate“, entgegnete Generalkonsulin Nesrin Tuncay gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Tatsächlich befassten sich solche Treffen lediglich mit Bildungsfragen. Eine Veranstaltung, die laut GEW am 22. Januar in Essen stattgefunden haben soll, bestreitet Generalkonsul Mustafa Kemal Basa gänzlich.
Doch die GEW bleibt bei ihrer Darstellung. „Wir haben kein Interesse daran, irgendetwas bewusst zu entstellen“, sagte Krebs der taz. Eltern und Lehrer, die der GEW vom Aufruf zu Denunziationen berichtet hatten, sollen die Veranstaltungen vorzeitig verlassen haben. „Unsere Mitglieder haben Angst um sich und ihre Familien“, so Krebs. Das NRW-Schulministerium hat inzwischen Justiz und Sicherheitsbehörden informiert und betont, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre das „absolut inakzeptabel“.
Ein Hintergrund für die aufgehitzte Stimmung ist das am 16. April anstehende Referendum über eine Verfassungsänderung in der Türkei, bei dem auch rund 1,4 Millionen in Deutschland lebende türkische Staatsbürger wahlberechtigt sind. Geplant ist eine Präsidialverfassung, die dem Staatspräsidenten weitreichende Befugnisse einräumt und das Parlament empfindlich schwächt.
Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) Gökay Sofuoglu kritisierte eine „anonyme Angstmache“ in Deutschland, um das Referendum zu beeinflussen. Die türkischen Regierung versuche Kritiker einzuschüchtern. Als Beispiel nannte er, dass der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım bei seinem Auftritt in Oberhausen Erdoğan-Gegner als Terroristen und Vaterlandsverräter bezeichnet habe.
Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland hat nun den innertürkischen Wahlkampf in Deutschland eingeläutet. „Wir planen bis zum 9. April in Deutschland bis zu 400 Veranstaltungen, auf denen wir für ein ‚Nein‘ werben“, sagte Sofuoglu. Bei so vielen Wahlberechtigen in Deutschland sei es „wichtig, als Verband Stellung zu beziehen“. Er empfiehlt den türkischen Wählern, die deutsche Verfassung als Grundlage ihrer Entscheidung zu nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner